Ladenbeschriftung, Schaufenster, Fassadenwerbung, Leuchtreklame, Werbetechnik – hier findet sich alles, was Gewerbetreibende rund um Gebäude oder Ort ihres eigenen Betriebs an (potenzielle) Kunden richten.
Beim typographischen Montagsbonbon einen Tag vor Karnevalsbeginn geht’s heute mal nicht um Schriftbestimmungen oder tiefgründige Recherchen, sondern um freies Assoziieren. In der Freiburger Innenstadt stieß ich auf dem Rückweg von einem Restaurant zur Unterkunft auf diese Leuchtreklame an einem Schuhgeschäft. Ein bisschen tröstlich wirkt sie in der Tat, die knubbelig-tapsige Type, für die sich Herr oder Frau Trost (oder die beauftragten Gestalter*innen) an ihrer Geschäftsfassade entschieden haben.
Meine spontane Assoziation dazu waren allerdings zwei Gruppen von Comic- bzw. Zeichentrickfiguren. Mich erinnern die abgerundeten Zipfel an den Buchstaben wahlweise an die Mützen der Schlümpfe des belgischen Comiczeichners Pierre Culliford alias Peyo oder an die Puschen der Figuren der Sieben Zwerge aus dem Walt-Disney-Zeichentrickfilm »Schneewittchen«. Und immerhin hat zumindest die zweite Referenz etwas mit Schuhen zu tun. 🤓 🔠 🥾
Kennt Ihr diese alten, traditionsreichen Läden für Schuhe, Spielwaren oder Haushaltswaren, bei denen die Schaufensterdekoration das komplette Gegenteil einer Edelboutique wie Prada oder Louis Vuitton ist? Wo nicht auf 4 Metern Fensterfront auf spartanischen Warensockeln ein, zwei Paar Schuhe oder Handtaschen stehen, sondern das gefühlt komplette Sortiment in die Auslage gepackt wurde? Ich liebe sie, und je diverser das Sortiment ist, desto neugieriger bin ich, so einen Laden zu betreten und in den Regalen zu stöbern.
Genau so einen Laden entdeckte ich am Ankunftstag meiner Reise nach Freiburg, in direkter Nachbarschaft zur bezogenen Unterkunft. »Oh!«, dachte ich, »Die haben bestimmt so ein Pilzmesser, nach dem ich gerade suche!« – und zwar ein kleines, stabiles Klappmesser mit einer leicht gebogegen Klinge, jedoch unter 5 cm Länge, um die (aus meiner Sicht fragwürdigen) jüngst eingeführten Waffenkontrollzonenvorschriften in Großstädten wie Hamburg und Berlin zu umgehen und einer Konfiszierung meines Natur-Ausflugszubehörs vorzubeugen. Und siehe da, sie hatten eins.
Schon vor dem Kauf stand ich längere Zeit vor dem Schaufenster, sah mir das bunt gewürfelte Angebot an und bemerkte natürlich auch die teilweise schon recht verwaschenen Schriftzüge, die mit weißer Farbe von innen auf die Scheiben aufgetragen worden waren und über die Jahre (oder Jahrzehnte?) durch die notwendige Fensterpflege sichtlich gelitten hatten. Da musste natürlich ein Foto für meine Sammlung geknipst werden.
Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1925, hat also in diesem Jahr ein sattes 100jähriges Jubiläum zu feiern. Wann die Schrift auf die Scheiben aufgemalt wurde, war leider per Recherche nicht zu ermitteln.
»Der Eisenwarenladen Luitpold Bauer ist ein unwahrscheinliches Geschäft. Dem Siegeszug der Baumärkte hat er genauso getrotzt wie dem Ladensterben in der Innenstadt. Nun feiert der Traditionsladen 100-Jahr Jubiläum. (…) Übers Jahr seien etwa die Hälfte ihrer Kunden Touristen, die andere Hälfte Freiburger. Die einen wollen Mitbringsel, die anderen kommen wegen eines konkreten Problems. Die Rückmeldungen seien gut, teils sogar hymnisch. Touristen seien begeistert, dass es solch einen Laden gibt, Freiburger freuten sich, dass es den Laden immer noch gibt.«
Trotzdem habe ich natürlich wieder die Herausforderung angenommen, dem Ursprung der Beschriftung durch etwas typographische Detektivarbeit ein wenig näherzukommen. Dazu habe ich die verblassten Buchstaben zunächst vervollständigt, sodass sie besser erkennbar werden.
Der Name des Ladens, der Ende 2022 durch die ehemaligen Landschaftsgärtner Thomas Weisser und Nico Winterhalter übernommen wurde und sich somit aktuell nicht mehr im Familienbesitz befindet, ist in einer fetten Kursive mit teilweise verbundenen Buchstaben gesetzt, die ich gefühlt irgendwo zwischen den 1930er und 1960er Jahren verorten würde. Die auffallendsten Zeichen sind aus meiner Sicht das große und kleine L, sowie das d. Sehr wahrscheinlich wurde die Schrift – gewiss von einem professionellen Schildermaler – seinerzeit von Hand auf die Glasflächen aufgetragen, wie der erodierte Pinselduktus der Farbflächen erahnen lässt. Insofern war ich nicht überrascht, keine 100%ig übereinstimmende kommerzielle Schriftart dafür zu finden. Aber es gibt ein paar Favoriten, die für mein Auge eine recht ähnliche Anmutung (oder »look and feel«) haben.
Meine Auswahl an »Schriftverwandten« umfasst drei Fonts: Die »Splendor« (Ralph M. Unger, 1930 für Schriftguß AG, Dresden), die »Impuls« (Paul Zimmermann, 1954 veröffentlicht durch Johannes Wagner/Ludwig Wagner, VEB Typoart) und – bis auf die Großbuchstaben – die »Cochin Black Italic«. Georges Peignot entwarf die Grundform der Cochin um 1914 auf Basis von Kupferstichen aus dem 18. Jh. für das Pariser Schriftenhaus Deberny & Peignot. Später wurde die Schrift. u.a. von Matthew Carter und Sol Hess überarbeitet und z.T. ausgebaut und der Schriftenhersteller URW erweiterte die Schriftart (1995?) um den extrafetten kursiven Schnitt im nachfolgenden Bild. Die Zeitspanne für die vermuteten stilistischen Wurzeln der Werbeinschrift umfassen dadurch aber noch immer das weite Feld zwischen 1925 (dem Jahr der Geschäftsgründung) und ca. Mitte der 1950er Jahre.
Die zweite Zeile mit ihren kantigen, fast »techno-artig« wirkenden Buchstaben wirkt da schon weitaus moderner. Als optisch sehr ähnliche Schrift fiel mir sofort die »Serpentine« des US-Designers Dick Jensen ein, die er 1972 für die Visual Graphics Corporation entworfen hat. Sie läuft zwar nicht ganz so breit wie die Unterzeile auf dem Fenster, aber auch hier stimmt m.E. die Anmutung.
Ich persönlich neige zu der Annahme, dass der Schriftzug nicht ganz so alt ist wie das Unternehmen selbst, zumal ich auch nicht herausfinden konnte, seit wann das Ladengeschäft an der heutigen Adresse ansässig ist. Meine Hypothese ist, dass der obere Schriftzug bereits etwas nostalgisch wirkte, als die Bemalung des Fensters stattfand, dass die Unterzeile hingegen dem eher moderneren damaligen Zeitgeschmack entsprach – meine Schätzung liegt zwischen 1965 und 1975. Eine bereits im Gründungsjahr mit Farbe aufgetragene Beschriftung hätte zudem 100 Jahre regelmäßige Scheibenreinigung kaum in derart guter Verfassung überstanden.
Wer weitere Indizien hat, um das Alter der Schaufensterzeilen plausibel zu bestimmen oder es auch gänzlich anders einzuordnen, möge sich sehr gerne melden! 🤓 🔠
Update: Nachträglich kam noch ein interessantes Rechercheergebnis hinzu. Als ich noch weiter suchte, um das Eröffnungsdatum des Ladengeschäfts an der heutigen Adresse herauszufinden, fiel mir auf der rudimentären Website des Unternehmens auf, dass dort eine »modernere« Variante des Logos am Seitenkopf eingesetzt wird. Die Unterzeile erkannte ich sofort als die populäre »Science-Fiction-Schrift« mit dem Namen »Bank Gothic« (Morris Fuller Benton für ATF, 1930). Die Schreibschrift hingegen ist unter mehreren Namen in Umlauf: Die Ur-Version wurde offenbar vom deutschen Schriftgestalter Erich Mollowitz entworfen und von der Schriftgießerei J. D. Trennert & Sohn in Hamburg-Altona unter dem Namen »Forelle« herausgebracht. Ein zweiter Name für die gleiche Schrift, jedoch verlegt von der Schriftgießerei C. E. Weber im selben Jahr, ist »Rheingold«. 1954 interpretierte das britische Schrifthaus Stephenson Blake in Sheffield die Schrift und brachte sie in zwei Schnitten als »Mercury« und »Mercury Light« heraus. 2010 wurde die Schrift als »Forelle Pro« digitalisiert und ausgebaut von RMU (Ralph Michael Unger Typedesign) und kurz zuvor im Jahr 2007 hat auch der Designer Nick Curtis (Nick’s Fonts) seine Version davon veröffentlicht und nennt sie »Jaunty Gent«. Es gibt zwar noch einige andere freie und kostenpflichtige Versionen, aber die vorgenannten sind wohl die bedeutsamsten.
Diese neue Website-Version des Logos bestätigt m.E. die Vermutung, dass der Schriftzug nicht mit käuflichen Schriftarten erstellt wurde, so dass sogar die Inhaber mit einem nachempfundenen Entwurf online gehen mussten. Im Vergleich macht die »Forelle« einen guten Job, die unterkühlte Bank Gothic in der Unterzeile jedoch hat deutlich weniger Charme, finde ich.
Das typographische Bonbon zum Wochenanfang ist heute nichts für Vegetarier oder Veganer, passt aber nachträglich noch recht gut zum Thema »Halloween«. Gefunden habe ich es vor einer Metzgerei in Basel.
Was meine Aufmerksamkeit weckte, war nicht in erster Linie das Logo des Ladens. Es waren auch nicht die etwas grobschlächtigen 🤭 zweifarbigen und handgeschriebenen, kreativen Großbuchstaben. Es war … der nicht vorhandene Bindestrich.
(Zum Preis pro Liter kann ich leider keine Angaben machen.) 🤓 🔠🩸😱
Los geht’s mit der Ausbeute an Fundstücken aus Freiburg und Basel! Heute möchte ich mal ein kleines Typo-Rätsel posten. Zu gewinnen gibt’s zwar nichts, aber vielleicht macht es ja trotzdem ein bisschen Spaß, mitzuraten.
Bei meinem Tagesausflug nach Basel sah ich vor einem Uhrengeschäft in der Fußgängerzone einen dunkelgrauen Bauzaun mit dem unten abgebildeten goldgelben Buchstaben. Der Zugang zum Geschäft war durch die Bauarbeiten nicht versperrt und der Verkaufsbetrieb ging unvermindert weiter. Insofern reichte mir ein kurzer Blick auf das Schild über der Ladentür, um zu erfahren, wer oder was sich hinter der Initiale verbirgt. Ich selbst gehöre zwar nicht zur Zielgruppe, zu den Fans oder zum Kundenkreis dieses Anbieters¹, aber wer unter meinen Leser*innen ihm zugeneigter ist oder etwas aus dessen Sortiment sein Eigen nennt, errät es vermutlich schneller. Vielleicht wird das Raten dennoch etwas erschwert, weil diese Version des Logos erst seit einem Redesign vor einigen Jahren im Einsatz ist und im Außenauftritt des Unternehmens erst nach und nach an allen »touch points« sichtbar wird.
Also – für wen oder was steht wohl dieses sorgsam gepinselte Zeichen?
Im unteren schwarzen Feld verbirgt sich die Auflösung; bei Klick oder Mouseover wird sie sichtbar.
So. Eigentlich wollte ich es diese Woche ja nur bei diesem überschaubaren Ratespiel belassen, aber wie das so ist – wenn ich einmal beim Recherchieren bin, komme ich oft »von Hölzchen auf Stöckchen«, erfahre interessante Details, falle in online in »rabbit holes« und lerne allerlei Wissenswertes dabei. Deshalb folgt nun noch ziemlich fetter Bonuscontent. Und damit ich frei und unbefangen weiterschreiben kann, habe ich den Zusatztext in einen Accordion-Block gepackt, um die Lösung des Rätsels nicht zu spoilern. 😎
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Das sonnengelbe B im Logo der zu erratenden Luxus-Uhrenmarke Breitling, gegründet 1884, ist in dieser Form erst seit 2018 im Einsatz. Zuvor sah es deutlich »klassischer« aus und wurde zumeist nur einfarbig eingesetzt, was sicherlich auch der Darstellung auf dem Zifferblatt der Chronometer geschuldet war. Als Freund des Minimalismus beim Logodesign gefällt mir diese Version deutlich weniger gut als die neue. Die sehr kleinteilige Bildmarke mit der zudem in einen Anker integrierten Initiale und einem stilisierten Flügelpaar (das Image einiger Breitling-Modelle als »Fliegeruhr« ist legendär) wirkt auf mich eher unruhig, altbacken und ein wenig »clipart-mäßig«. Aber sie hatte viele Fans, wie sich nach dem Marken-Relaunch zeigen sollte, in dessen Rahmen auch das neue Logo eingeführt wurde.
Verantwortlich für die Neupositionierung der Edelmarke ist CEO Georges Kern, der dem Unternehmen seit 2017 vorsteht. Nach der Vorstellung des überarbeiteten Logos hagelte es – wie zu erwarten – Beschwerden. »Where Are My Wings?« war der Grundtenor der Klage der aufgebrachten Fangirls und -boys. Die meisten gingen davon aus, dass das modernisierte Logo eine Neuschöpfung war, die womöglich irgendeine Agentur ersonnen hatte, um – ähnlich wie beim Premium-Autobauer Jaguar – alles neu und alles anders zu machen. Doch dem war nicht so.
Im unternehmenseigenen LinkedIn-Newsletter-Blog »Since1884« erschien als Antwort auf den Aufruhr um die Neugestaltung ein ausführlicher Beitrag, der belegt, dass dieser Schritt in der Tat eine Rückbesinnung auf eine Version des Logos war, die bereits um das Jahr 1948 im Einsatz war und die damals auch die geschwungene B-Initiale als Bildzeichen einführte. Dies belegen auch Abbildungen historischer Dokumente aus dem Breitling-Archiv in dem Artikel. In einem Beitrag des Uhrenblogs CHRONONAUTIX wird anhand zahlreicher Abbildungen deutlich, dass das Breitling-Logo bereits seit der Firmengründung einen ziemlichen Schlingerkurs vollzogen hat. Es gibt Dutzende Varianten in Werbemedien oder auf den Zifferblättern der Uhren: nur die Flügel, die Flügel mit dem Schriftzug darunter (oder darüber), nur der Schriftzug ohne alles, der Schriftzug mit dem Zusatz »Genève« ohne Flügel, eine andere Version der Bildmarke mit zwei stilisierten Flugzeugen, der Schriftzug mit dem Zusatz »1884« und so weiter. Eigentlich ein Agieren, das so gar nicht zum Nimbus der Beständigkeit und Zuverlässigkeit passt, mit dem sich die Marke seit langem schmückt, finde ich.
Auch die neue Schrift der überarbeiteten Wortmarke steht meines Erachtens demgegenüber eher für Kontinuität als für einen Bruch. Im vorherigen Logo waren der Schriftzug und die Jahreszahl 1884 in einer Version der distinguierten Kapitälchen-Schriftart »Copperplate Gothic« von Frederic Goudy (American Type Founders, 1901) gesetzt. Ich habe die bisherige und die neue Wortmarke zum Vergleich einmal übereinandergelegt. Es zeigte sich, dass zwar die Buchstabenabstände im Markennamen bei der neuen Version etwas enger angelegt sind, sich die neue serifenlose Schrift aber erstaunlich nah an die Zeichenformen und Proportionen der früheren anlehnt.
Über den oder die Urheber dieser offenbar ebenfalls 2018 für Breitling exklusiv entworfenen neuen Schriftart konnte ich leider keine Angaben ausfindig machen. Mir gefällt besonders die markante neue Form der 4 in der Jahreszahl, die das Datum für mich gleich viel moderner wirken lässt.
Im Jahr 2024 beging das Unternehmen das 140-jährige Jubiläum seiner Gründung. Zu diesem Anlass wurde eine Storytelling-Imagekampagne mit dem Slogan »140 Years Of Firsts« gestartet, zu welcher auch eigens ein Bereich auf der Website der Uhrenmarke eingerichtet wurde. Hier wird die neue Schriftart bei Überschriften eingesetzt.
Ebenfalls anlässlich dieses Jubiläums gab Breitling einen opulenten Bildband mit dem Titel »140 Years In 140 Stories« zur Geschichte der Marke und der edlen Zeitmesser heraus, der im Buchhandel frei erhältlich ist. Und jetzt wird’s wieder etwas unrund mit dem neuen Markenlook, denn die Buchstaben und Ziffern bei Überschriften auf und in dem Buch unterscheiden sich wiederum von denen in der exklusiven neuen Hausschrift. 🧐
Die abgebildeten Ziffern (oben die aus dem Bildband, unten die der neuen Hausschrift) habe ich anhand der Website und einiger Abbildungen von Innenseiten des Buches grob nachgezeichnet.
Warum wohl? War die neue Schrift nicht neu genug und man wollte nicht nur zeitgemäß, sondern zukunftsorientiert wirken? Ich weiß es nicht. Auch, ob die abweichende Headline-Schriftart im Buch ein käuflicher Font ist, konnte ich nicht ergründen. Aber damit soll es zu diesem Thema für heute dann auch genug sein. 😅 🤓 🔠
Update: Noch ein Kuriosum als Nachtrag – zwei Tage, nachdem ich diesen Beitrag vorbereitet hatte, sah ich zufällig die Folge »Willkommen im Dorf des Todes« (»Murdersville«) der Kult-Serie »Mit Schirm, Charme und Melone«. Und ausgerechnet in dieser Episode hilft eine Breitling am Handgelenk eines späteren Mordopfers, das Verbrechen aufzuklären …
¹ Zu prominenten Breitling-Trägern zählen laut der Website uhrinstinkt.de unter anderem die Superstars Leonardo DiCaprio, John Travolta, Tommy Lee Jones, Miles Davis, Serge Gainsbourg, Herbie Hancock, Brad Pitt, Adam Driver, Charlize Theron, Bruce Willis, Tom Cruise, Idris Elba, Justin Timberlake, Céline Dion und David Beckham.
Wohl jeder hat im Hinblick auf zeitgenössische Konsumgepflogenheiten und Produktlebenszyklen schon mal die Begriffe »Upcycling« und »geplante Obsoleszenz« gehört. Letzteres bezieht sich zwar meist auf technische Geräte und bezeichnet deren vorprogrammierten Verschleiß, aber auch in der Modewelt ist dieses Prinzip schon länger anzutreffen:
»Ein weiteres frühes Beispiel für eine künstliche Veralterung ist die hauchdünne und extrem reißfeste Feinstrumpfhose aus dem damaligen Wundergewebe Nylon. DuPont brachte im Jahre 1940 die ersten Nylonstrümpfe auf den Markt. Als schließlich jede Frau Nylonstrümpfe ihr eigen nennen durfte, brachen die Umsätze rapide ein. Daher mussten die Entwickler eine noch dünnere Strumpfhose mit begrenzter Haltbarkeit konzipieren.«
Es stellt sich ohnehin die Frage, ob nicht Mode an sich ein Konzept ist, das die vorzeitige »Entsorgung« an sich noch tadelloser Kleidungsstücke forciert – denn wer, der es sich leisten kann, läuft schon gerne in einem einst trendgerechten Outfit aus dem letzten oder vorletzten Jahr umher, das inzwischen als überholt oder unmodern gilt? Nicht ohne Grund türmen sich auf katastrophal schadstoffbelasteten Müllhalden rund um den Globus groteske Mengen aus Fabrikationsresten und zu Müll deklarierten Klamotten unserer mehr als fragwürdigen Fast-Fashion-Kultur.
Das typographische Montagsbonbon von heute belegt, dass es schon vor Jahrzehnten Gewerbetreibende gab, die sich zur Aufgabe gemacht hatten, die Lebenszeit von Kleidungsstücken zu verlängern und damit quasi »Upcycling« zu betreiben, noch ehe dieses Wort geboren wurde. Entdeckt habe ich es im November 2018 auf einer Städtereise nach Göttingen. Zur Gründung und dem geschäftlichen Schicksal des beworbenen Betriebes – von dem nur noch diese Beschilderung verblieben ist – konnte ich leider keine näheren Details ermitteln.
Das Schild ist definitiv von Hand gefertigt, was man aus seinem zu vermutenden Alter sowie den Abweichungen bei mehrfach vorkommenden Buchstaben schlussfolgern kann. Die oberen vier Zeilen mit dem Dienstleistungsangebot passen für mein Auge stimmig zu den letzten beiden Zeilen mit Name und Stockwerk des Ladenbesitzers. Wie so oft habe ich im Spektrum der aktuell käuflichen Schriften nach möglichst ähnlichen Vertretern gesucht. Meine Favoriten für die Schreibschrift sind die »Koozie Script« von Dathan Boardman und Conrad Garner (Good Gravy Type Co.) und die »Brillian Greek Condensed Light« von Dusko Joksimovic (Fontex). Bei der ersten sind z.B. das U, r und F ähnlicher, bei der zweiten das b und das e. Erste Wahl für die gebrochene Schrift unten ist die »Thannhaeuser Fraktur«, die bis auf das T ziemlich nah an die Vorlage herankommt (siehe unteres Bild). Insbesondere der Querbalken im M und das konkave rechte »Bein« des M sind hier besondere Formmerkmale.
Und während ich diesen Beitrag verfasse, bin ich noch einmal in den schönen und geschichtsträchtigen Städten Freiburg und Basel zu Gast und bin sicher, dass ich auch von dort wieder reichlich Motive zu meinem Herzensthema mitbringen werde. 🤓 🔠 🎩 👒
Um das typographische Montagsbonbon von heute aus der Nähe fotografieren zu können, hielt ich auf einem Wochenendausflug mit dem Auto bei der Durchfahrt des Ortes Jerichow in Sachsen-Anhalt extra kurz am Straßenrand an. Brötchen oder Brot gab es leider nicht zu kaufen, der Betrieb und das Ladengeschäft der benannten Bäckerei sind offenbar schon seit langem geschlossen. Es findet sich ein historisches Foto im Netz, das Mitarbeiter der gleichnamigen Bäckerei vor der Tür eines Bäckerladens zeigt. Allerdings weichen dort sowohl die Fassade des Hauses als auch die Adressangabe vom Fundort des schmuckvollen Reliefs auf meinem Schnappschuss ab.
Interessant ist hier auch das Detail, dass die letzte Zeile aus der Zentrierung fällt. Es wirkt fast so, als hätte anfangs – womöglich versehentlich – ein weiterer Buchstabe am Ende des Namens gestanden (»Schulze«), der nachträglich wieder abgetragen wurde.
Um so erfreulicher aber, dass dieses Werk die Jahrzehnte seit dem Ende der Geschäftstätigkeit des Betriebes in einem so guten Zustand überdauert hat. Sind die Ligaturen von ck und ch nicht grandios? 🤓 🔠 🥨
»Nimm zwei!«, dachte ich mir bei der Auswahl der Bildmotive für das heutige typographische Montagsbonbon und wählte zwei grandiose Exemplare historischer Ladenbeschriftungen. Bild 1 (»Tabak«) fand ich erst kürzlich auf einem Fußweg durch Berlin-Kreuzberg, Bild 2 (»Böhmer«) schon vor geraumer Zeit in der Innenstadt von Lemgo. Besonders das markant-dynamische, selbstbewusste k im ersten Bild gefällt mir außerordentlich gut. 🤓 🔠 🤩
Das typographische Fundstück am Freitag kommt heute aus meinem Bestand an über das Pfingstwochenende geknipsten Bildern aus Regensburg. Als passionierter Genuss-Biertrinker wollte ich natürlich wissen, ob es 1. die Brauerei dieses Namens aktuell noch gibt und 2. falls nicht, wer aus welchem Grund diese schöne Inschrift bis heute so liebevoll erhalten hat – und begann zu recherchieren.
Antwort 1: »Jein«. Die Brauereilandschaft – vermutlich nicht nur in Regensburg – war zur Zeit der Geschäftstätigkeit dieses Betriebes (gegründet 1800) offenbar in regem Umbruch. Es wurde aufgekauft, veräußert, fusioniert, vergrößert, ausgebaut und umfirmiert, dass einem regelrecht schwindlig werden kann. Hier ein Auszug aus einer von mir rekonstruierten Chronik der Ereignisse*:
1800 Gründung der Bierbrauerei
1889 noch aktiv als »Brauerei Mathias Bolland«
1890~1893 Aufkauf durch die Jesuiten Brauerei AG (gegr. 1813). Die Gär- und Schenkbierkellereien der Bolland’schen Bierbrauerei werden anschließend zur Mälzerei umgebaut.
1922 Übernahme der Jesuiten Brauerei AG durch Brauhaus Regensburg AG (gegr. 1897)
Nach 1958 Übernahme durch die Fürstliche Brauerei Thurn und Taxis
1996 Übernahme durch die Paulaner Brauerei Gruppe
Insofern kann man sagen, die Brauerei ging zwar in anderen Betrieben auf, die bis heute existieren, wurde jedoch nie aktiv aufgrund von Insolvenz o.ä. »geschlossen«. Es gibt zudem Indizien dafür, dass in dem Gebäude von 1973 bis 1976 unter dem Namen »Bollandbräu« eine Gaststätte oder Schankwirtschaft betrieben wurde.
Antwort 2: Das Haus in der Ostengasse 26 in Regensburg-Ostnerwacht wurde im 17./18. Jahrhundert erbaut und ab 1846 mehrfach umgestaltet, aufgestockt und um Anbauten erweitert. Unter der Aktennummer D-3-62-000-893 wird es beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege offiziell als Baudenkmal geführt. Vermutlich ist das der Grund dafür, dass die Inschrift bis heute so gepflegt erhalten geblieben ist (wann sie ursprünglich an dem Gebäude angebracht wurde und ob ihr heutiges Aussehen dem Urzustand entspricht, konnte ich leider nicht herausfinden).
Und obwohl die Schriftzeile auf der Fassade eindeutig handgemalt ist, wollte ich natürlich prüfen, ob ich im Netz vergleichbare oder ähnliche digitalisierte Schriften ausfindig machen kann. Die Verzierungen und Formmerkmale der Buchstaben deuten darauf hin, dass kalligraphische, also mit einer Breitfeder von Hand geschriebene Lettern als Vorlage gedient haben. Drei gebrochene Schriftarten habe ich nach meiner Recherche – und auch nur für die Kleinbuchstaben, für die B-Initialen konnte ich keinerlei Vorlage finden – als »Best Matches« in die engere Wahl genommen, obwohl keine von ihnen exakt gleich aussieht: 1. Die »Royal Bavarian« von Gert Wiescher, 2. die »Straßburg Fraktur« von Peter Wiegel und 3. die »(Neue) Theuerdank Fraktur«, ebenfalls von Peter Wiegel, in Kollaboration mit Dieter Steffmann.
Das Motto der beiden Motive des heutigen typographischen Montagsbonbons lautet »Metall«. Die meisten (längeren) dreidimensionalen Schriftzüge an Geschäften, Gebäuden oder anderswo im öffentlichen Raum sind wohl aus Kunststoff angefertigt, wenige aus Holz, einige ältere Neonbeschriftungen aus Glas – und dort, wo Metall zum Einsatz kommt, sind die Zeichen mittlerweile ausgelasert oder maschinell gefräst/gestanzt. Wesentlich aufwendigere, von Hand gefertigte Metall-Schriftzüge findet man meiner Erfahrung nach relativ selten.
Hier habe ich zwei Exemplare aus meiner Sammlung herausgesucht, die ich für besonders gelungen halte: Das erste aus Barcelona, das zweite aus Lemgo. Stahl vs. Eisen, modern vs. traditionell, schlicht vs. verziert.
Das typographische Montagsbonbon kommt heute wieder aus der Rubrik »Do-It-Yourself-Typographie« und ich erspähte es an einem Regionalbahnhof auf der Fahrt aus Brandenburg nach Hamburg. Toller Farbkontrast und eine dem Wetter folgende, lockende Botschaft. Da fallen die kleinen Kanten und Lücken in den Buchstaben gar nicht mehr so ins Gewicht … 😉 🤓 🔠 ☕ 🧊