verknallt in Schrift und Buchstaben

Kategorie: Handwerkskunst (Seite 3 von 4)

In dieser Rubrik wurde Schrift nicht zweidimensional gedruckt, gemalt oder aufgeklebt, sondern gemeißelt, geschmiedet, gefräst oder gelasert. Und das hat sichtbaren Einfluss auf ihre Formgebung.

17.10.2024

Als häufiger Bahn- und ÖPNV-Nutzer geht es mir oft so, dass ich an den vermeintlichen Abfahrpunkten meines aktuellen Verkehrsmittels länger (oder sogar vergeblich) nach deren Kennzeichnung suchen muss. An Fernbahn- oder Regionalbahnhöfen funktioniert das am Bahnsteig selbst meist recht gut, wenngleich die Wege dahin häufig suboptimal ausgeschildert sind. Für Irritation sorgen bei mir gerne regelmäßig seltsame Systematiken oder »Ausreißer« bei den Gleisbezeichnungen wie z.B. in Uelzen (es gibt zwar Gleis 101, 102, 103 und 301, 302, 303, 304, aber keine Gleise 201 ff …?) oder in Koblenz (Zusätzlich zu Gleis 1 bis 9 gibt es dort zwischen den Gleisen 4 und 5 das Gleis 105 und zwischen Gleis 8 und 9 das Gleis 109). Wenn dann noch die Beschilderung versagt, verpassen Fahrgäste schon mal ihren Anschluss …



An ÖPNV-Bahnsteigen jedoch erlebe ich Gleisnummerierungen häufig als »Stiefkind«. Oft schon stand ich suchend an S-Bahn-Steigen, auf dem Smartphone wurde mir angezeigt, meine Bahn führe z.B. auf »Gleis 2«, aber am Bahnsteig selbst war kein prominent platziertes, plakatives Schild mit einer Gleisnummer zu finden. Doch dann – am Ende des Steiges, verdeckt von Taubenbarrieren und Lüftungsrohren, hoch oben unter der Dachkonstruktion, hing dann vielleicht doch mal eines. 



Das heutige typographische Fundstück – natürlich wieder aus Kopenhagen – zeigt, wie es anders geht. An den Bahnsteigen (hier die Station »København Syd«) halten die unbemannten Züge stets in derselben präzisen Position, sodass die Eingangsbereiche am Bahnsteig bereits vor Einfahrt der Züge klar erkennbar sind. Und an jedem Einstiegspunkt ist die Nummer des Gleises mit einer massiven Metallziffer in der Schriftart »Via« der dänischen Bahngesellschaft DSB in die steinernen Bodenplatten des Bahnsteigs eingelassen. Das sieht nicht nur schick aus, sondern ist für Fahrgäste auch sofort ohne Suchen auffindbar.



Ich sage: Bitte nachmachen, Deutschland!

15.10.2024

Heute zeige ich aus meiner Kopenhagen-Typo-Schnappschussausbeute mal ohne weitere Erläuterungen ein kleines Potpourri mit vier historischen Motiven von Gebäudefassaden in der Innenstadt. Immer wieder schön, zu sehen, dass solche Inschriften nicht nur z.T. über Jahrhunderte erhalten blieben, sondern (wie die vergoldeten Lettern vermuten lassen) sogar regelmäßig gereinigt oder erneuert werden. 🙂🤓🔠

08.10.2024

Obwohl ich seit letztem Wochenende längst wieder aus Kopenhagen zurückgekehrt bin, geht es natürlich hier noch eine Weile weiter mit schönen, interessanten, kuriosen oder historischen typographischen Fundstücken aus der dänischen Hauptstadt.



An der Ostseite des Amagertorv, zwischen Østergade und Store Kirkestræde, mitten in dem Bereich der Fußgängerzone, der durch die Altstadt Kopenhagens führt, findet sich ein prunkvolles, vom Stil des Jugendstil/Art-Nouveau inspiriertes Gebäude, über dessen Eingang diese stilvolle ornamentale Inschrift eingemeißelt ist, die meine Aufmerksamkeit erregte.

Ich glaubte zunächst, dort »HØLBROHUS« zu lesen, doch das Nachschlagen im Netz brachte schnell die Erkenntnis, dass die Inschrift »HØIBROHUS« lautet. Inzwischen wandelte sich im Sprachgebrauch zudem das ursprüngliche I zum J, so dass auf Karten und in Online-Quellen vom HØJBROHUS die Rede ist. »Højbro« bedeutet »hohe Brücke« und verweist auf die Adresse des Hauses am Højbro Plads, bzw. auf die südlich davon gelegene so benannte Brücke, die das Stadtzentrum mit der kleinen Insel Slotsholmen verbindet – dem Standort des Schlosses Christiansborg und u.a. Sitz des dänischen Parlaments.



Das fünfstöckige Haus mit seinen kupfergedeckten Turmdächern wurde 1896 nach einem Entwurf des Architekten Richard Leopold Bergmann (1860–1925) fertiggestellt und beherbergt aktuell in den unteren beiden Etagen Boutiquen und edlere Ladengeschäfte und in den oberen Etagen Büroräume.



Wer mehr über das interessante Gebäude lesen möchte oder es abseits der fotografierten Inschrift einmal in voller Pracht bewundern möchte, klicke entweder auf den nachfolgenden Link – oder schaue es sich auch einmal bei einem Besuch in Kopenhagen an. Ich kann die Stadt nur wärmstens als Reiseziel empfehlen … 😉 



➡️ https://en.wikipedia.org/wiki/H%C3%B8jbrohus

02.10.2024

Typographisches Fundstück № 2 meiner Streifzüge durch Kopenhagen: eine dänische Version des Haustürschildes »Betteln und Hausieren verboten«, aber nicht als schnöder Folienaufkleber, sondern als metallene Reliefplakette, passend zu der vornehmen alten Haustür, an der sie angebracht ist.

Obgleich die Schrift ungelenk übermalt wurde, lässt sie noch ihre Ursprünge erkennen, die ich in den 1920er- oder 1930er-Jahren verorten würde. Ein bisschen »Futura« – aber eleganter, mit prägnanteren Oberlängen –, ein Hauch »Kabel«, eine Prise Lucian Bernhard¹ – die im Jahr 2010 von Santiago Orozco entworfene nostalgische »Josefin Sans«², kommt der Plakettenschrift ziemlich nahe. Lediglich die kalten Aluminiumschrauben holen das Auge unweigerlich in die Gegenwart zurück. 🤓 🔠

1 ➡️ https://de.wikipedia.org/wiki/Lucian_Bernhard

2 ➡️ https://fonts.google.com/specimen/Josefin+Sans

20.09.2024

Das Schöne an den typographischen Fundstücken, die ich mir so Woche für Woche zusammenknipse, sind oftmals die Dinge, die ich darüber lerne, wenn ich den Schriften, Orten oder Wörtern hinterherrecherchiere. Diese Woche freue ich mich mal wieder über ein zauberhaftes Exemplar meines Lieblingsbuchstabens (das kleine »g«), entdeckt auf einer sonntäglichen Stadtwanderung durch Hamburg am Fähranleger »Neumühlen/Övelgönne«. Auf dem fotografierten Schild ist der Name dieses Gebiets im Hamburger Stadtteil Ottensen in einer alternativen Schreibweise mit nur einem »ö« umgesetzt. Aber was bedeutet eigentlich »Oevelgönne«? Ich war neugierig und fragte das Internet.

(Update, 03.09.2025: Das anfängliche Rechercheergebnis wurde gegenüber dem Original-LinkedIn-Posting aktualisiert, da aufgrund eines Kommentars weitere mögliche Deutungen hinzukamen.)

»Der Name des Stadtteils bedeutet ›Übelgunst‹ und bezieht sich dabei entweder auf die zwielichtige Einstellung der ersten Bewohner oder aber auf die schlechte Bebaubarkeit des Geländes.«

Wikipedia

»Der Ortsname ›Ovelgönne‹ erklärt sich wahrscheinlich aus einer Beschreibung der Winkelmann’schen Chronik von 1671, wonach ›Ovelgönne‹ von dem plattdeutschen ›Oevelgönne‹, das heißt ›übel gegönnt‹ (mißgönnt), ableitet. Dies bezieht sich auf die Burg Ovelgönne, die im Jahre 1514 errichtet und kurz danach von den Friesen belagert wurde. In diesem Zusammenhang soll der Oldenburgische Graf (Graf Johann von Oldenburg) gesagt haben: ›Ick günn se er övel‹.

Damit ist die Namensdeutung aber nicht zu Ende. Es gibt z. B. in den Niederlanden ein Euvelgönne. Dies soll soviel heißen wie ›Över gunnen‹, auf Hochdeutsch: ›Auf der anderen Seite‹. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß andere Ortslagen, die den Namen Ovelgönne tragen, zum Teil an Gewässern, d. h. jeweils auf der anderen Seite, gelegen sind. Als Beispiel ist hier Ovelgönne bei Buxtehude anzuführen; auch unser Ovelgönne in der Wesermarsch liegt in der Luftlinie nur 6 km von der Weser entfernt.«

(gemeinde-ovelgoenne.de)



Ist »Übelgunst« nicht – trotz seiner eher negativen Bedeutung – ein famoses altes Wort? Ich nehme das ab jetzt jedenfalls in meinen Wortschatz auf. 

🙂 💬 🔠

(Im zweiten Bild habe ich einmal versucht, die rustikalen, unregelmäßig-gerundeten Originalformen des kleinen g »ordentlich« und etwas moderner nachzuzeichnen.)

30.08.2024

Und wieder zwei im Urlaub »aufgegabelte« typographische Fundstücke: Eine kühl-nordische dreidimensionale Hausinschrift im Zentrum des gleichnamigen norddänischen Insel-Küstenstädtchens (Nykøbing Mors) und ein mit kreativ verschnörkelten Lettern versehener Wanderwegweiser in der Nähe des schwedischen Sees Kymmen in Värmlands län, der auf die winzige Gehöftsiedlung Honkamack mitten im Wald verweist. 🇩🇰 🇸🇪 🔠 😎

23.08.2024 (1)

Aus Urlaubsgründen wird die – selbstverständlich trotzdem fortgesetzte – Serie der typographischen Fundstücke vorübergehend aus eher unkommentierten Schnappschüssen bestehen, die mir während meiner Ausflüge durch Skandinavien ins Auge fallen. Heute beginne ich mit zwei schönen historischen Motiven aus dem beschaulichen Städtchen Skive in Midtjylland, Dänemark.

05.07.2024

Bei einem Blick in mein Archiv typographischer Fundstücke fiel mir diese Woche auf, dass ich zufällig auf meinen aktuellen Reisen nach Regensburg und Stralsund Fotos von Schriftzügen an Gebäuden geknipst habe, die ich vor mehr als einem Jahrzehnt schon einmal abgelichtet hatte – nur in einem jeweils komplett anderen Zustand. In Regensburg wurde der Schriftzug an dem inzwischen geschlossenen Geschäft »SCHUH Bar« kürzlich abmontiert, sodass nur noch der Schatten der Buchstaben übrig blieb. In Stralsund hingegen wurde der damals fast zerstörte Schriftzug an der ebenso baufälligen Fassade der »Milchbar« originalgetreu restauriert und inzwischen genießen in dem Café/Restaurant darunter wieder Einheimische und Touristen ihre Speisen und Getränke.



So fange ich in meiner Sammlung hin und wieder nicht nur einzigartige Zeugnisse der Schriftkultur ein, sondern dokumentiere ab und zu – wenn auch hier unbeabsichtigt – ihr bedauerliches Verschwinden oder ihre erfreuliche Bewahrung. Und das ist ja abseits der Schönheit der Buchstabenformen genauso spannend wie die Schriftzüge selbst … oder?



07.06.2024

Immer noch auf Reisen, daher auch diese Woche wieder ein unkommentiertes Potpourri mehrerer »typographischer Fundstücke«, diesmal eingefangen in den schönen Küstenstädten Stralsund und Greifswald.

31.05.2024

Etwas versteckt hinter dem modernen Teil des ehemaligen Potsdamer Hauptbahnhofs*, am Treppenzugang über eine Autobrücke, präsentierte sich das heutige »typographische Fundstück der Woche«, am Endpunkt einer Wanderung. Interessant fand ich insbesondere die Zweifarbigkeit – und natürlich die Frage, wohin sich wohl das m abgesetzt hat. 🤓



(* Heute heißt der Bahnhof »Potsdam Pirschheide«. Als »Potsdam Hauptbahnhof« war er zwischen 1960 und 1999 der wichtigste Personenbahnhof der Stadt.)



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