Aus Urlaubsgründen wird die – selbstverständlich trotzdem fortgesetzte – Serie der typographischen Fundstücke vorübergehend aus eher unkommentierten Schnappschüssen bestehen, die mir während meiner Ausflüge durch Skandinavien ins Auge fallen. Heute beginne ich mit zwei schönen historischen Motiven aus dem beschaulichen Städtchen Skive in Midtjylland, Dänemark.
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Das typographische Fundstück der Woche ist diesmal das Logo für ein Wellness Resort in Polen, das ich vor geraumer Zeit auf einem Werbeaufkleber in der Berliner U-Bahn sah. Auf den ersten Blick gefiel es mir ziemlich gut (von der nicht so dollen Schrift für die Unterzeile mal abgesehen). Auf den zweiten Blick störte mich jedoch die Inkonsistenz bei der Ausblendung der Haarlinien, die bei dem Buchstaben U zu beobachten ist. Denn würde in diesem Logo strenge Logik walten, dürfte dieser dünne senkrechte Strich nicht da sein. Hatte der Designer womöglich »Angst«, man könnte das Wort AQUA ansonsten nicht lesen? Hat ihm sein Auftraggeber die Linie wieder reinkorrigiert? Wir werden es höchstwahrscheinlich nicht erfahren. Mir persönlich würde eine »konsequente« Variante der Wortmarke besser gefallen.
Wie geht es meinen Lesern? Dürfen Logos, die eine typographische »Verfremdung« als Designprinzip nutzen, derart inkonsistent sein? Was hat Priorität – Logik oder Ästhetik? Sind (selbst gesetzte) gestalterische Regeln dazu da, sie vereinzelt bewusst zu brechen? Gebt gerne Eure Meinung dazu in den Kommentaren ab.
Website des Resorts:
➡️ https://www.aqua-resort.pl/

Kurioses kleines typographisches Fundstück zwischendurch mit einem spiegelverkehrten »Et-Zeichen« – entdeckt in Havelberg (Brandenburg) an der Fassade der »Pension Zur Alten Post«. Leider konnte ich vom Fahrersitz des Autos aus nicht selbst fotografieren, aber bei Wikimedia Commons fand ich ein hochauflösendes Foto unter Creative-Commons-Lizenz, aus dem dieser Ausschnitt stammt.
Quelle des Originalfotos »Alte Post Havelberg.JPG«:
Urheber: Kvikk | Wikimedia Commons | Lizenziert unter CC BY-SA 4.0
➡️ https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Alte_Post_Havelberg.JPG

Diese Woche poste ich ausnahmsweise gleich zwei Beiträge. Der zweite Beitrag heute ist eigentlich keins der üblichen »Fundstücke«, sondern die Beobachtung eines typographischen Trends. Vielleicht ist dem einen oder anderen unter den Lesern auch schon aufgefallen, dass in auffällig vielen Werbemedien derzeit Schriften auftauchen mit sonderbar tiefen »Scharten« in den Buchstabenformen. Zwei Beispiele dafür sind die aktuellen Auftritte der Burgerkette »Jim Block« (Bild 1) und des Schokoladen-Start-ups »nucao« (Bild 2).
Diese eigenwillige Formgebung hat tatsächlich einen historischen Ursprung, der in einer realen Herausforderung begründet liegt, die früher™ beim analogen Druckprozess auftrat: Wurden nämlich, z.B. beim Hochgeschwindigkeitsdruck von Telefonbüchern die sehr kleinen Texteinträge – zudem auf dünnem, saugfähigen Papier – gedruckt, dann beeinträchtigte der Druckprozess die Formen der Buchstaben. Durch Pressdruck und Geschwindigkeit in der Druckmaschine sowie durch die vom Papier aufgesogene Farbe wurden die gedruckten Buchstaben fetter als die ursprüngliche Druckform. Dies führte dazu, dass kleine Zwischenräume (z.B. in a, e) zuliefen und der Text schwerer lesbar wurde. Um dies vorab zu kompensieren, erfanden Schriftgestalter die sog. »Ink Traps« – Einkerbungen in den Formen der Buchstaben, die sich beim Druckprozess gezielt mit Druckfarbe füllen, so die Buchstabenform »nachträglich korrigieren« und somit die gedruckte Schrift lesbar halten. Wie ein Porzellanteller beim Brennen um ca. 10% schrumpft und somit vor dem Einstellen in den Ofen entsprechend größer sein sollte, damit er hinterher als fertiges Geschirrstück die gewünschte Endgröße hat, wird hier bei der Schriftgestaltung gearbeitet – nur in umgekehrter Richtung.
Eine der bekanntesten Schriften mit diesem Charakteristikum ist »Bell Centennial«, 1975–78 von Matthew Carter für die US-Telefongesellschaft AT&T gestaltet (Bild 3). In Bild 4 habe ich einmal simuliert, was beim Druck einer Schrift durch »Ink Traps« geschieht. Ihre Formgebung ist sozusagen eine vorweggenommene Fehlerkorrektur. Genial, oder?
Heute, im Zeitalter des Digitaldrucks und bei großen Werbe-Headlines, sind »Ink Traps« oft nur noch reine Zierde. Aber ich freue mich, dass dieser aktuelle Trend gerade an diesen einstigen typographischen Geniestreich erinnert. 🤓 🤩 🔠
Einige Links zu »Ink Trap« Fonts:
nucao Font »Champ«:
➡️ https://typeverything.com/champ
Jim Block Font »ABC Whyte Inktrap«:
➡️ https://t1p.de/2ggu4
»Area Inktrap«:
➡️ https://t1p.de/o6g4n
»GT Flexa«:
➡️ https://www.gt-flexa.com/
»Halyard Micro«:
➡️ https://www.dardenstudio.com/halyard
»Magnet«:
➡️ https://frerejones.com/families/magnet
»Neue Machina Inktrap«:
➡️ https://t1p.de/af2t1
»Pleasure Inktrap«:
➡️ https://t1p.de/sm4y0
»Uxum«:
➡️ https://www.uxumuxum.com/
»Vinila«:
➡️ https://t1p.de/wy37r
Das amüsante typographische Fundstück dieser Woche habe ich diesmal entdeckt in einem aktuellen Werbespot zum 100-jährigen Jubiläum der S-Bahn Berlin. In einer nachgestellten historischen Szene, die im Jahr 1963 spielen soll, liest ein Fahrgast nämlich offenbar eine Zeitung aus der Zukunft mit der Titelseiten-Schlagzeile »Kennedy besucht Berlin!«, gesetzt in der Schriftart »Impact« (Bild 1 und 2). Diese Schrift erschien nämlich tatsächlich erst im Jahr 1965 – zwei Jahre später. Sie wurde gestaltet vom Schriftdesigner Geoffrey Lee und zunächst von der Schriftgießerei Stephenson Blake in Sheffield veröffentlicht.
Die Designrechte der »Impact« wurden später von der Firma Monotype erworben, die wiederum dem Softwarekonzern Microsoft seit Windows 98 eine Lizenz für die Nutzung der Schrift in der Standard-Fontbibliothek dieses nahezu allgegenwärtigen PC-Betriebssystems einräumte. In der Popkultur des Internet ist sie – vielleicht auch deshalb – bis heute vor allem als »Meme Font« sehr beliebt.
Es gibt eine ganze Reihe ähnlicher schmal-fetter Groteskschriften, die sich im Design ab etwa Mitte der 60er Jahre großer Beliebtheit erfreuten. Im dritten Bild habe ich einige bekanntere dieser Fonts, mit nachgeschlagenen Daten zu ihrer Entstehung, zusammengestellt. Die meisten davon entstanden demnach ebenfalls erst knapp nach Kennedys Besuch … 😉
Wie immer freue ich mich über Ergänzungen, Korrekturen und Anmerkungen zu diesem Beitrag. 🤓 🔠 🔍
Link zum Jubiläumsvideo »100 Jahre S-Bahn Berlin«:
➡️ https://www.youtube.com/watch?v=-x0RU3djZww
Einige Links zur Schrift »Impact«:
➡️ https://de.m.wikipedia.org/wiki/Impact_(Schriftart)
➡️ https://www.talkpaperscissors.info/post/157-impact-an-incomplete-history-of-type
➡️ https://learn.microsoft.com/de-de/typography/font-list/impact
Die sechs typographischen Fundstücke dieser Woche stammen aus der Kategorie »Straßenschilder«. Und natürlich sind mal wieder einige Fotos dabei, auf denen ich eigenwillige kleine g-Varianten aus Skandinavien gesammelt habe.
- Karlskrona (Schweden)
- Ystad (Schweden)
- Regensburg, Bayern
- Hundested (Dänemark)
- Prietzen, Brandenburg
- Helsingør (Dänemark)
Die zwei typographischen Fundstücke der Woche führen uns heute in die Frühzeit der Fernsehunterhaltung. Das erste Fundstück aus dem Jahr 1957 entstammt der unglaublichen Fernsehshow des Bayerischen Rundfunks mit dem Titel »Die ideale Frau«. Unter den Augen einer Jury müssen sich die Kandidatinnen bei allerlei hausfraulichen Tätigkeiten beweisen, um zu bewerten, welche wohl die »beste« in Heim und Küche sei. Zitat aus der ARD-Mediathek (Link zur Sendung unten):
»Die Fragen an die Frauen sind so gewählt, dass man meinen könnte, diese wären komplett doof. Während der gesamten Sendung kommen die Frauen nicht einmal selbst zu Wort. Es reden nur die Männer.«
Während ich dieses TV-Relikt teils ungläubig, teils entsetzt und teils amüsiert verfolgte, fiel mir auf dem Tisch der Jury die wie aus Papier ausgeschnitten wirkende Beschriftung mit ihrem kess angeschrägten R auf. Und dieses Detail musste ich natürlich gleich einmal festhalten.
Das zweite Fundstück ist die – auch inhaltlich – originelle Beschriftung des Ateliers eines Parfumeurs, der in Episode 25 »Fit für Mord« (»How to succeed … at murder«) der vierten Staffel der Kultserie »Mit Schirm, Charme und Melone« (1966) eine Nebenrolle spielte. Bemerkenswert ist neben dem kreativ verballhornten »lateinischen« Motto des Duftkünstlers vor allem der aus tropfenförmigen Elementen erstellte Firmenschriftzug »Perfumier Extraordinary«, dessen Schriftart ein wenig an den Font »Croissant« (1978) erinnert. Auch dieses typographische Requisit war mir einen spontanen Screenshot wert. 🤓 🔠 📺
ARD-Mediathek:
➡️ https://www.ardmediathek.de/video/alpha-retro/wir-suchen-die-ideale-frau/ard-alpha/Y3JpZDovL2JyLmRlL2Jyb2FkY2FzdC9GMjAyMFdPMDAzODM4QTA
Font »Croissant«:
➡️ http://www.identifont.com/show?4SD
Das Motto, unter dem ich die heutigen typographischen Fundstücke versammeln möchte, lautet »Do It Yourself«.
Die zu komplett unterschiedlichen Zeitpunkten und an ganz verschiedenen Orten aufgenommenen Fotos haben nämlich eines gemeinsam: Die abgebildeten Schriftzüge oder Botschaften nutzen keine käuflich lizenzierbare Schriftart, sondern wurden für ihren speziellen Zweck und Einsatzort, entweder von den Gewerbetreibenden selbst oder von handwerklich begabten Helferinnen offenbar »selbstgemacht«.
Ich mutmaße aufgrund der Eigenheiten und z.T. Unregelmäßigkeiten der Buchstabenformen, dass die Gestaltung und Ausführung ohne Konsultation professioneller Grafikerinnen oder Typograph*innen erfolgte. Trotzdem sind die Resultate kreativ, fantasievoll und einigermaßen gut zu lesen bzw. zu entschlüsseln (wenn man mal von den nachträglichen Verwitterungen und Beschädigungen absieht). Da die Wörter und Beschriftungen keine kritische oder offizielle Funktion wie z.B. Wegelenkung erfüllen und keine längeren Texte damit gesetzt werden, finde ich die handwerklichen Schwächen hier eher verzeihlich.
Ich finde es spannend, zu sehen, was geschieht, wenn abseits professioneller Schriftgestaltung Buchstaben und Beschriftungen entstehen. Auch »anarchische« Typographie kann inspirierend sein! 😉 🔠
- Parkplatz in Dresden (2014)
- Gaststätte in Meißen (2017)
- Blumenladen in Hamburg (2024)
- Modegeschäft in Edinburgh, Schottland (2009)
- Kathedrale auf Gozo, Republik Malta (2002)
- Galerie in Salzburg, Österreich (2009)
- Metzgerei in Ennis, Republik Irland (2013)
- Erotikboutique in Göttingen (2018)
- Bar in Gera (2018)
Als zweiten Beitrag diese Woche gibt’s heute noch ein schönes typographisches Fundstück »nur« zum Anschauen – entdeckt bei einem Ausflug in den Hamburger Stadtteil Hoheluft.

Heute gibt’s mal wieder ein typographisches Fundstück außerhalb des regulären Posting-Taktes, denn das Thema ist etwas spezieller und hat zudem mit einem meiner häufigen Tätigkeitsfelder »Fahrgastlenkung im ÖPNV« zu tun:
Am Wochenende stolperte ich in meinem Hamburger Wohnviertel auf dem S-Bahnsteig des Bahnhofs S/U Barmbek über das kleine b und das kleine k auf der Stationsbeschilderung. »Aha, eine andere Schrift«, dachte ich zuerst und dann bei näherem Hinsehen: »Oho, eine komplett neue Beschilderung!«. Im Zuge der Neustrukturierung der Hamburger S-Bahnlinien zum 10. Dezember 2023, so fand ich anschließend heraus, erhielten etliche der davon betroffenen Stationen neue Schilder. Ausgänge sind nun mit Buchstaben-Indizes gekennzeichnet, Abgänge und Fahrstühle klarer ausgewiesen, die überarbeiteten Piktogramme sind größer und deutlicher geworden und die Informationen auf den Schildern wurden neu gegliedert. Insgesamt eine Verbesserung, wie ich finde, auch wenn die Textinformation zu den Straßennamen der Ausgänge nun etwas kleiner geworden ist. Das Foto zeigt die Anmutung zweier Schilder auf dem Bahnsteig »vorher« und »nachher«.
Die S-Bahn Hamburg hat zu ihren Maßnahmen und zum Austausch der Schilder eine kompakte Info-Seite veröffentlicht (Update, 30.08.2025: die betreffende Seite ist leider nicht mehr online):
»Die neuen Schilder haben ein paar Vorteile: klarere Strukturierung, bessere Sortierung nach räumlichen Zusammenhängen, visuell betonte Kennzeichnung – besonders bei den Ausgängen – und optimierte Piktogramme.«
Keine Angaben habe ich allerdings bisher dazu gefunden, wie die neue Schriftart auf den Hamburger Schildern heißt, die hier die bisherige Schrift »Deutsche Bahn WLS« (WLS = Wegeleitsystem) ersetzt und ob dieser Font künftig auch an S-Bahnhöfen außerhalb Hamburgs zum Einsatz kommen wird. Vielleicht hat ja einer der hier Mitlesenden dazu ergänzende Kenntnisse – ich würde mich freuen.
(Update, 30.08.2025: Inzwischen konnte ich herausfinden, dass die neue Schriftart mit dem Namen »Arrow« bezeichnet ist. Zu ihren gestalterischen Urheber*innen habe ich bisher leider noch keine weiteren Angaben ermitteln können.)


























