Ladenbeschriftung, Schaufenster, Fassadenwerbung, Leuchtreklame, Werbetechnik – hier findet sich alles, was Gewerbetreibende rund um Gebäude oder Ort ihres eigenen Betriebs an (potenzielle) Kunden richten.
Und noch ein letzter Schnappschuss aus dem inzwischen vergangenen Osterurlaub: Diesmal kommt das typographische Fundstück der Woche aus dem pittoresken Städtchen Saarburg. Diese schöne Retro-Ladenfassade mit dem klassischen Neonschriftzug, vermutlich aus den späten 1950er oder frühen 1960er-Jahren wollte ich meiner LinkedIn-Followerschaft nicht vorenthalten. 🙂
Auch das typographische Fundstück dieser Nach-Osterwoche habe ich wieder, wie vergangenen Freitag, auf einem Ausflug in der Moselregion nahe dem Ort Bernkastel-Kues entdeckt. Schaut man genau hin, ist festzustellen, dass das »u« in »Bautechnik« spiegelverkehrt in das Holzschild eingemeißelt wurde. Das ist insofern bemerkenswert, weil solche Seitenverkehrungen sonst eher bei der Anbringung von Beschriftungen vorkommen, bei denen dreidimensional ausgeschnittene Einzelbuchstaben auf eine Trägerplatte aufgeklebt werden. Da kann es schnell passieren, dass achsensymmetrische Lettern wie A, H, M, O, U, V, W oder Y verkehrtherum appliziert werden. Hier jedoch muss ein Fehler bei der Schablone oder Vorzeichnung erfolgt sein, ehe mit dem Meißeln begonnen wurde. Nicht tragisch, alles bleibt ja dennoch lesbar – aber dennoch ein Kuriosum, das mir einen Schnappschuss wert war.
Das heutige Fundstück ist diesmal ein fotografisches Mitbringsel aus Galway in der Republik Irland, entdeckt im September 2015 und – abgesehen von den schönen nostalgischen handgemalten Schriftzügen – ein amüsantes Schaustück dafür, wie »Cross-Promotion« vielleicht in der Prä-Internet-Ära funktioniert hat. Der Schildermaler und Schriftkünstler macht Passanten auf den Instrumentenbauer nebenan sowie auf dessen Kursangebot aufmerksam und vice versa. Ob diese interessante gegenseitige Zielgruppenansprache tatsächlich funktioniert hat, die die beiden womöglich befreundeten Ladeninhaber bei einem gemeinsamen Pint Guinness hätten ausgeheckt haben könnten, ist mir jedoch leider nicht bekannt. 😁
Schon einige der hier geposteten Fotos aus meiner Serie »Typographisches Fundstück der Woche« kamen aus anderen Städten wie Berlin, Eisenach, Kopenhagen oder Trier. Vor ein paar Tagen konnte ich tatsächlich in der direkten Umgebung meines Homeoffice ein kleines Schmuckstück ablichten, angebracht an der Fassade eines der typischen dunkelrotbraunen Hamburger Klinkerhäuser. Und da steht einfach nur »Friseur« – nicht »Haarmonie«, »Föhnix«, »Kamm M. Bert« oder »Lockführer«.
Sollte die Ära der exzentrischen Namenskalauer für Friseursalons irgendwann enden, wäre ich nicht traurig, würde sie einer Phase ästhetischer und ausgefallener Schriftzüge weichen. Wobei – das eine schließt ja das andere nicht aus … 😉 ✂ 🔠 💡
Das neueste typographische Kleinod stammt diesmal von einem fotografischen Streifzug durch Kopenhagen im November 2022. Ob diese beiden Schriftzüge zu ihrer Zeit gemeinsam für dasselbe Gewerbe warben oder für zwei getrennte Unternehmen, vermag ich nicht zu sagen. Ein »Frøhandel« jedenfalls dürfte ein Samen- oder Saatenhändler gewesen sein. Ich habe schon in einigen Städten Europas solche schönen handgemalten historischen Hinweise auf Geschäfte oder Unternehmen entdeckt, unter anderem in Edinburgh, Meißen und Göttingen und freue mich immer wieder, wenn gerade diese nur dünn auf Putz gepinselten Zeugnisse der Vergangenheit alle Wetterunbill, Renovierungen, Neuanstriche und Änderungen durch nachfolgende Gewerbetreiber bis heute überdauern konnten.
Das aktuelle Fundstück der Woche ist tatsächlich schon über 20 Jahre alt und zeigt eine wunderschöne reliefartige Ladenbeschriftung an einer Hausfassade in Eisenach. Fotografiert wurden die Motive Anfang November 2003 und es stellt sich die Frage, ob dieses Kleinod mit seinen zauberhaft ausgearbeiteten, sehr eigenständigen Buchstabenformen (ich schätze, etwa um 1925) heute überhaupt noch existiert. Vermutlich wurden die Schriftzüge seinerzeit eigens für den Laden entworfen und dreidimensional angefertigt (gemeißelt? gegossen?). Ich bin froh, dass ich dieses Kunstwerk damals fotografisch festgehalten und dadurch bewahrt habe.
Update: Das Haus in der Marienstraße 19 steht tatsächlich noch und auch die Inschrift ist noch da. Ich konnte das Architektenbüro ausfindig machen, welches das Gebäude saniert hat, und auch bei Flickr findet sich ein Foto von Ende Mai 2023, auf dem das Haus in neuem (mintgrünen) Glanz zu sehen ist:
Das typographische Fundstück der Woche wurde diesmal gesichtet im Schaufenster eines Computerreparatur-Services in Berlin-Kreuzberg.
Schon lange gibt es im Spektrum der auf Papier und Bildschirmen nutzbaren Schriftarten besonders gestaltete Fonts, die bewusst »zerstört« aussehen – etwa historische Schreibmaschinenschriften, Stempelschriften, Schablonenschriften oder gerasterte Schriften – vgl. die verlinkten Beispiele am Ende dieses Postings*. All diesen gemein ist, dass die korrupten Formen der Buchstaben absichtlich vom Schriftgestalter angelegt wurden.
Manchmal findet man aber auch im Alltag defekte, fehlerhafte oder anderweitig erodierte Schriften, die gerade durch diese Fehler besonders auffällig oder interessant werden: verwitterte Wandbeschriftungen, Schilder mit rissiger Farbe, abblätternde Folienbuchstaben usw. Im heutigen Fall ist es ein elektronischer Fehler in Form zahlreicher defekter LEDs, der die Buchstaben »anknabbert« und so fast unleserlich macht – aber eben nur fast.
Den beiden heutigen typographischen Fundstücken der Woche würde ich den Namen »Lese-Challenge« geben. Das erste stammt aus Berlin-Treptow und die en-passant-Qualität des Fotos macht eine eindeutige Identifizierung der Schrift nicht ganz leicht, aber anhand des S würde ich sagen, es ist die »Akzidenz Grotesk Bold« – eine Verwandte der »Helvetica«, aber deutlich älter. Die erste Version der Akzidenz Grotesk der Schriftgießerei H. Berthold AG erschien bereits 1898, während die Helvetica (unter diesem Namen) erst 1961 das Licht der Welt erblickte.
Ein weiteres Bildmotiv aus der gleichen herausfordernden Kategorie sah ich kurz darauf im Vorbeifahren im brandenburgischen Städtchen Stölln, allerdings ohne die Gelegenheit, ein Foto zu machen. Doch tatsächlich ist das erspähte Schild auch bei Google StreetView dokumentiert.
Die am Straßenrand so kryptisch feilgebotenen süßen Brotaufstriche werden übrigens beworben mit der Schriftart »ITC Souvenir«. Sie erschien unter diesem Namen Anfang der 1970er Jahre und war die erweiterte Neuauflage einer Schrift, die bereits 1914 von Morris Fuller Benton entworfen wurde. Die neue Version des Designers Ed Benguiat, mit zusätzlichen Stilen und einer Kursivschrift, war mit ihren weichen, nostalgischen Formen in den 1970er Jahren extrem populär. Im MS-Office-Paket findet man sie noch heute im Schriftmenü unter dem Namen »Jasmine UPC«. 🤓 🔠 🙂
Das typographische Fundstück ist heute ein Foto aus der Kategorie »Überlebende«. Wenn eine zeittypische historische Beschriftung an einer Fassade ihren einstigen Urheber überdauert, verbleibt an dieser Stelle nicht nur ein nostalgisches Relikt der vergangenen Blütezeit eines Ortes oder Unternehmens, sondern – durch die inzwischen neue Belegung des Gebäudes mit komplett anderen Unternehmen, Geschäften, Mietern oder Bewohnern – auch ein manchmal surrealer bis amüsanter Widerspruch aus »Titel« und »Inhalt«. In diesem Gebäude in Hildesheim z.B. befindet sich unter dem Dach des einstigen Reformhauses mittlerweile – ein Kiosk.