verknallt in Schrift und Buchstaben

Monat: Oktober 2024 (Seite 2 von 3)

15.10.2024

Heute zeige ich aus meiner Kopenhagen-Typo-Schnappschussausbeute mal ohne weitere Erläuterungen ein kleines Potpourri mit vier historischen Motiven von Gebäudefassaden in der Innenstadt. Immer wieder schön, zu sehen, dass solche Inschriften nicht nur z.T. über Jahrhunderte erhalten blieben, sondern (wie die vergoldeten Lettern vermuten lassen) sogar regelmäßig gereinigt oder erneuert werden. 🙂🤓🔠

14.10.2024

Ich hoffe, es wird noch nicht langweilig oder thematisch zu eintönig, aber ein paar typographische Fundstücke aus Kopenhagen habe ich noch in meinem frisch aufgefüllten Vorrat. Eins davon begegnete mir beim Aufstieg über die ca. 400 sowohl innen wie außen verlaufenden Treppenstufen zur Spitze des Turms der ev.-luth. »Vor Frelsers Kirke« (Erlöserkirche). Der 90 m hohe Turm, 1752 fertiggestellt, ist ein nachträglicher Anbau der zuvor schon an dieser Stelle (wieder)errichteten Kirche (1689–1695). Der Andrang schwindelfreier Touristen ist groß, es empfiehlt sich, online ein Eintrittsticket für einen festen Zeitpunkt zu reservieren, spontane Besucher müssen oft über 1 Stunde warten, bis sie an der Reihe sind.



Der Innenteil des Treppenhauses, in dem seinerzeit viel Holz verbaut wurde, wird von mehreren kleinen Zwischengeschossen unterbrochen, von wo aus es dann immer über eine nächste Treppe weiter nach oben geht. Auf einem dieser Zwischengeschosse entdeckte ich an einer alten Metalltür die von Hand aufgebrachte schöne Frakturinschrift »Taarnet – Tobaksrygning forbudt« (Turm – Tabakrauchen verboten). Der gute Zustand der Lettern lässt vermuten, dass der Schriftzug zwischenzeitlich erneuert wurde, zudem sind z.T. unleserliche Fragmente einer früheren Beschriftung erkennbar und die Fläche der Tür wurde offenbar schon öfter neu gestrichen. Die Schreibweise »Taarnet« scheint eine veraltete zu sein, die aktuell gebräuchliche lautet »Tårnet«. 



Auch die sehr spezifische (ggf. auch historisch begründete) Formulierung regt zum Nachdenken an. Wieso steht dort nicht einfach »Rauchen verboten«? Und haben sich Besucher, die etwas anderes als Tabak zu rauchen pflegen, bereits vereinzelt über den Verbotshinweis hinweggesetzt?



Es bleiben Fragen offen … 🤔😉



11.10.2024 (1)

Ich habe in Kopenhagen auch wieder famose Exemplare des »danish g« gefunden und zwar während eines Ausflugs in das alte Stadtviertel Nyboder. Es besteht aus einer Siedlung kleiner, in leuchtendem Ockerorange gestrichener Häuser, die von 1631–41 gebaut wurden, um Wohnungen für die Seeleute der zu jener Zeit stark wachsenden dänischen Flotte zu schaffen. Die Häuser sind bis heute bewohnt.



Die Namen der vielfach nach Pflanzen und Tieren benannten Straßen des Viertels (z.B. Tulpenstraße, Thymianstraße, Kamelstraße, Einhornstraße) sind mit handgemalten Beschriftungen in schwarz auf weiß direkt auf die bunten Fassaden der Häuschen gemalt. Die Schrift wirkt heiter, verspielt und neben einem kessen Zipfel oben auf seiner Rundung trägt das kleine g unten den typisch dänischen, elegant abgeschnittenen Schweif.



Bei der Recherche nach einer ähnlichen kommerziellen Schriftart stieß ich auf ein Alphabet, das zwar nicht dasselbe g enthält, aber ansonsten sehr ähnlich anmutet. Interessanterweise wurde diese Schrift ebenfalls nach historischen Straßenschildern entworfen – die allerdings der deutschen Stadt Backnang in Baden-Württemberg bei Stuttgart entstammen. Die Schrift heißt »Schillerplatz« und stammt vom Schriftdesigner Hellmut G. Bomm.



Und wenn man bei ihr das g nachbearbeitet (Bild 2), ist die Ähnlichkeit nahezu perfekt. Überraschend, angesichts der Tatsache, dass die Entfernung zwischen Backnang und Kopenhagen gut 800 km Luftlinie beträgt. 😯 🔠 🤓



Mehr Infos zur Siedlung Nyboder:
➡️ https://danishdesignreview.com/houses/2023/4/11/nyboder

Font »Schillerplatz«:
➡️ https://www.myfonts.com/de/collections/schillerplatz-font-urw

10.10.2024

Manchmal verbergen sich typographische Schönheiten an den unscheinbarsten Orten. Eine meiner Angewohnheiten bei Reisen in andere Städte ist, dass ich sehr viel zu Fuß »herumstromere«, durch kleine Gassen, interessante Straßenzüge oder einfach der Nase nach. Auf einem dieser Wege entdeckte ich außen an einer kleinen inhabergeführten Bäckerei an einer eher schmucklosen Hauptstraße in Kopenhagen dieses aufwendig gefertigte Metallschild. Die ungewöhnlichen Formen der goldenen Lettern darauf machten mich neugierig. Ihre gedrungenen, aber eleganten, quadratisch anmutenden Proportionen sind eine ihrer Besonderheiten. Die andere besteht in den rechteckigen Innenräumen (»Punzen«) der Buchstaben B, R und P. Ich konnte online leider nicht herausfinden, wie diese – auf mich sehr »dänisch« wirkende – Schrift heißt.



Die Form der Buchstaben hat leise Anklänge an die »Engravers« des Designers Morris Fuller Benton¹, ebenso an die Exklusivschrift »Apotek« für  dänische Apotheken, gestaltet von der Designagentur Kontrapunkt². Ähnliche eckige Innenräume finden sich interessanterweise auch in den Originalformen der just erschienenen Schrift »Altona« von Albert-Jan Pool, Julia Uplegger und Antonia Cornelius wieder, die auf historischen Hamburger Straßenschildern aus Ottensen und Blankenese zu finden sind³. Sind diese Formen eventuell eine »nordische« Eigenart?



Leider ist das mit dem Smartphone geknipste Foto aufgrund der Entfernung des hoch angebrachten Schildes nicht so schön scharf geworden, wie ich es mir gewünscht hätte. Ich habe die Beschriftung daher einmal versucht, grob nachzuzeichnen, um die Anmutung etwas klarer darzustellen. Ein kleines Juwel, diese Schrift, finde ich.



1 ➡️ https://www.myfonts.com/de/products/d-bold-engravers-328933

2 ➡️ https://kontrapunkt.com/work/crafting-an-iconic-danish-high-street-brand

3 ➡️ https://page-online.de/branche-karriere/demnaechst-bei-typemates-antiqua-aus-altona/

09.10.2024 (2)

In der Typographie sind nicht nur Buchstaben, Zahlen und Satzzeichen von Bedeutung, sondern auch Zwischenräume, zum Beispiel die zwischen Wörtern. Wer das nicht beherzigt, riskiert, dass ich schon mal unerwünschte Bedeutungen einschleichen. Ich zumindest komme bei diesem digitalen Werbemotiv des Arbeiter-Samariter-Bundes am ASBEST nicht vorbei … 🙃

09.10.2024 (1)

Weiter geht’s mit typographischen Fundstücken aus Kopenhagen. Auf dem Kulturprogramm stand auch der Besuch einer Nachmittagsvorstellung im Opernhaus »Det Kongelige Teater«¹ am Kongens Nytorv in der Innenstadt. Das historische Gebäude aus dem Jahr 1748 bildet ein ehrwürdiges Gegenstück zum futuristischen Bau der »Operaen«,² der im Jahr 2004 direkt am Wasser auf der innerstädtischen Insel Holmen erbaut wurde.



Nichtsdestotrotz ist das Innere des betagten Konzerthauses sehr beeindruckend. Reiche Ornamentik, Marmor, Messing, Holz, Rot und Blattgold sowie zahlreiche Statuen berühmter dänischer Komponisten, Musiker und Kulturschaffender zieren die Korridore und Säle. Im Rahmen der späteren Ausstattung mit Elektrizität und Beleuchtung müssen dann, schätzungsweise in den 1960er/1970er Jahren, die runden Ausgangs-/Notausgangs-Hinweislampen über vielen Türen entstanden sein. Aus dem sehr kompakten Wort »UD« (hinaus, Ausgang) gestaltete der verantwortliche Grafiker mit einem markanten waagerechten Pfeil in die jeweilige Richtung eine kompakte Einheit, die zwar immer noch als Texthinweis problemlos lesbar ist, aber in ihrer Einfachheit fast schon einem Icon gleichkommt. Like! 🤓 🔠 



Det Kongelige Theater (Wikipedia):
1 ➡️ https://de.wikipedia.org/wiki/Det_Kongelige_Teater

Operaen (Wikipedia):
2 ➡️ https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6nigliche_Oper_(Kopenhagen)

08.10.2024

Obwohl ich seit letztem Wochenende längst wieder aus Kopenhagen zurückgekehrt bin, geht es natürlich hier noch eine Weile weiter mit schönen, interessanten, kuriosen oder historischen typographischen Fundstücken aus der dänischen Hauptstadt.



An der Ostseite des Amagertorv, zwischen Østergade und Store Kirkestræde, mitten in dem Bereich der Fußgängerzone, der durch die Altstadt Kopenhagens führt, findet sich ein prunkvolles, vom Stil des Jugendstil/Art-Nouveau inspiriertes Gebäude, über dessen Eingang diese stilvolle ornamentale Inschrift eingemeißelt ist, die meine Aufmerksamkeit erregte.

Ich glaubte zunächst, dort »HØLBROHUS« zu lesen, doch das Nachschlagen im Netz brachte schnell die Erkenntnis, dass die Inschrift »HØIBROHUS« lautet. Inzwischen wandelte sich im Sprachgebrauch zudem das ursprüngliche I zum J, so dass auf Karten und in Online-Quellen vom HØJBROHUS die Rede ist. »Højbro« bedeutet »hohe Brücke« und verweist auf die Adresse des Hauses am Højbro Plads, bzw. auf die südlich davon gelegene so benannte Brücke, die das Stadtzentrum mit der kleinen Insel Slotsholmen verbindet – dem Standort des Schlosses Christiansborg und u.a. Sitz des dänischen Parlaments.



Das fünfstöckige Haus mit seinen kupfergedeckten Turmdächern wurde 1896 nach einem Entwurf des Architekten Richard Leopold Bergmann (1860–1925) fertiggestellt und beherbergt aktuell in den unteren beiden Etagen Boutiquen und edlere Ladengeschäfte und in den oberen Etagen Büroräume.



Wer mehr über das interessante Gebäude lesen möchte oder es abseits der fotografierten Inschrift einmal in voller Pracht bewundern möchte, klicke entweder auf den nachfolgenden Link – oder schaue es sich auch einmal bei einem Besuch in Kopenhagen an. Ich kann die Stadt nur wärmstens als Reiseziel empfehlen … 😉 



➡️ https://en.wikipedia.org/wiki/H%C3%B8jbrohus

04.10.2024

Über den Kopenhagener Stadtteil Kødby steht auf Wikipedia (gekürzt):

»Kødbyen (dänisch für die Fleischstadt), das ehemalige Fleischereiviertel Kopenhagens, ist ein einzigartiges Stadtquartier mit reicher Geschichte und lebendiger Gegenwart. Einst Zentrum des Fleischhandels, ist es heute ein kultureller Anziehungspunkt, der Kunst, Gastronomie und Nachtleben vereint. Das Quartier gilt als lebendiges Beispiel für die erfolgreiche Verbindung industrieller Vergangenheit und kultureller Gegenwart.«



Das heutige typographische Fundstück prangt auf der Dachkonstruktion oberhalb eines dortigen Industriehofes, auf dem sich verschiedene kulturelle und gastronomische Betriebe versammeln. 



Interessant finde ich, wie die Herstellungsmethode der Buchstaben – sehr wahrscheinlich wurden sie aus Holz oder anderen Bauplatten ausgesägt – ihre Form prägt. Die sägende Person versuchte augenscheinlich, einen Kompromiss aus Materialverbrauch, Lesbarkeit und Sägeaufwand zu finden. Ich finde, das ist ihr ziemlich gut gelungen. Besonders kreativ finde ich die Form des G. Durch zwei einfache formale »Kniffe«, nämlich den Winkel oben rechts und die rechteckige Einkerbung unten, gelang es sowohl, das Zeichen einigermaßen eindeutig von einem C zu unterscheiden als auch die Form (gegenüber komplexeren Optionen, siehe Bild 2) maximal einfach zu halten und damit ohne zu große handwerkliche Hürden herstellbar zu machen.



Natürlich würde ein professioneller Schriftgestalter etliches an dieser anarchischen Formgebung zu verbessern finden. Aber mir gefällt’s, auch weil es zum z.T. kiezigen, alternativen Umfeld dieses Viertels einfach sehr gut passt.
🤓 🔠 ☮️

03.10.2024

Eine meiner Lieblingskategorien bei den typographischen Fundstücken sind  historische Werbemalereien auf Fassaden. Denn sie erzählen mir, leise flüsternd, Geschichten darüber, wie sich Orte, Gebäude, Straßen oder Stadtviertel verändert haben. Die Tür unter dem Motiv lässt keinen Zweifel: Das einst dort ansässige Geschäft »M. Larsenˢ Hørkramhandel« ist längst geschlossen. So etwas macht mich neugierig. Was ist ein »Hørkramhandel«? Das Wort »kram« findet sich auch im deutschen Begriff »Krämerei«, es geht um allerlei Waren rund um einen Dachbegriff. So bekommt man in einem dänischen Geschäft für »Isenkram« – Eisenwaren, also verschiedenste Gebrauchsgegenstände wie Werkzeuge, Schrauben, Beschläge und Scharniere, Haushaltsgeräte, Handwerkerartikel usw.

Unter »Hørkramhandel« (= »Flachshandel« oder »Leinenhandel«) verstand man in Kopenhagen den Handel mit einer Reihe verschiedener Waren wie Petroleum, Bastmatten, Teer, Steingut/Töpferwaren, Salz/Pökelsalz, Hopfen, Flachs, Hanf, Pech, Teer, Eisen, Kupfer, Zinn und Blei, wie sie offenbar vorrangig im Hafen tätige Kunden wie z.B. Schiffsbesitzer, Proviant- und Konservenfabrikanten, Handwerker, Werkstätten, Lagerhäuser oder Brauereien benötigten.



Im Nu geht das Kopfkino an, Bilder aus »Moby Dick« oder den Erzählungen von Charles Dickens klingen an, es riecht nach Meer, Fisch und Kohlefeuer. Und das alles nur wegen einer alten verwitterten Beschriftung …



Wikipedia-Artikel »Kram«:
➡️ https://de.wikipedia.org/wiki/Kram

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