Und schon wieder ein typographisches Fundstück aus Berlin. Zum ersten Mal sah ich es vor etwa zwei Wochen im Vorbeifahren aus dem Fenster eines Busses, war aber leider nicht schnell genug, um einen Schnappschuss zu machen. Am vergangenen Wochenende nun führte mich mein Weg zufällig direkt an dem Gebäude vorbei und somit konnte ich das nachholen. Das Foto zeigt die Fassade des Standesamtes Friedrichshain-Kreuzberg in der Schlesischen Straße.
Die verwendete Schrift ist keineswegs spektakulär, vermutlich ist es eine geringfügig malträtierte (in der Breite gestauchte) Times, aber dennoch hat diese Beschriftung eine typographische Besonderheit. Wer findet es heraus? Die Auflösung habe ich unter dem Foto versteckt. 🤓 🔠
Kleines typographisches Bonbon zwischendurch: Die Lieblingsfigur aus der »Sesamstraße«, die ich als Kind hatte, war Graf Zahl. Und die Muppets insgesamt waren sowieso grandios. Deshalb folge ich auf einem meiner privaten Social-Media-Kanäle dem Account »Muppet GIF of the Day«. Das GIF vom vergangenen Freitag zeigte eben jenen Grafen und im Hintergrund eine Zahlenreihe mit einer ziemlich extravaganten 4.
Ich konnte zwar nicht herausfinden, welche Schriftart das ist, aber das minderte mein Entzücken nicht im Mindesten. 🙂 🤓 🔠
So, heute wird’s mal richtig nerdig beim typographischen Fundstück der Woche. Denn wie kann eine Schriftart, die erst 1952 entstand, trotzdem schon über einen Zeitraum von 450 Jahren populär sein?
Anstoß eins für dieses Posting: Ich liebe Science-Fiction-Filme und -Serien. Anstoß zwei: Nicht nur mir fiel nach und nach auf, dass sich eine bestimmte Schriftart (bzw. ihr Vorfahre) seit Jahrzehnten in diesem Genre ungebrochen großer Beliebtheit erfreut. Es gibt Websites mit langen Listen der Filme, in denen diese Schriftart vorkommt¹.
Im Jahr 1952 entwarfen die italienischen Designer Alessandro Butti und Aldo Novarese eine futuristisch anmutende Schrift mit dem Namen »Microgramma«, deren Buchstabenformen an die abgerundete rechteckige Kontur eines Fernsehbildschirms erinnern². Die Schrift war ursprünglich nur als »Display Font« für kurze Beschriftungen und Überschriften gedacht und besaß daher weniger Schriftzeichen als eine vollständige Schrift für den Satz längerer Texte. 10 Jahre später erweiterte Novarese die Schrift dahingehend, verfeinerte das Design minimal und gab der Schrift den Namen »Eurostile«³. Schon kurz darauf, ab etwa Mitte der 1960er Jahre, waren beide überall dort ausgesprochen beliebt, wo Typographie modern, wissenschaftlich, minimalistisch, technisch oder fortschrittlich wirken sollte. Der erste Blockbuster, in dem die Schrift auftaucht, war vermutlich Stanley Kubricks »2001« aus dem Jahr 1968. Und die Liste der weiteren Filme seither ist lang – hier nur ein Auszug:
2001 – Odyssee im Weltraum (1968)
THX 1138 (1971)
Dark Star (1973)
Star Trek – Der Film (1979)
Zurück in die Zukunft (1985)
Die Fliege (1986)
Alien 3 (1992)
Starship Troopers (1997)
WALL·E (2008)
Total Recall (2012)
Star Trek Discovery (2017)
Star Trek Picard (2023)
Mich interessierte nun: Bis zu welchem Jahr in der Zukunft reichen die fiktiven Handlungen der Filme, in denen diese Schriftart auftaucht? Nach meinen Recherchen aktuell bis ins Jahr 2402 – genau 450 Jahre nach ihrem Entstehungsjahr: In Staffel 3 der Serie »Star Trek Picard« trägt das Raumschiff U.S.S. Titan (NCC-80102-A) am Heck seinen Namen in dieser Schrift.
In meiner kleinen Bildergalerie habe ich einmal einige der Werke sowohl mit dem Jahr ihrer Entstehung als auch ihrer Handlung aufgelistet. Mr. Spock würde angesichts der Langlebigkeit der Eurostile vermutlich sagen: »faszinierend!«. 🤓 🔠 🖖
Und noch ein typographisches Fundstück aus der letzten Woche – entdeckt in Hamburg in der Nähe des Heiligengeistfeldes. In einer »Carolinen-Passage« benannten Seitengasse finden sich einander gegenüber, zwei dieser alten Friese an den dortigen historischen Wohngebäuden aus dem späten 19. Jahrhundert. Interessant ist auch die alte Schreibweise mit C, denn das dahinterliegende Stadtviertel, das »Karolinenviertel« oder »Karoviertel« wird mittlerweile mit K geschrieben.
Im Internet lernte ich, dass eine »Passage« damals einen kleinen (ggf. auch befahrbaren) Weg benannte, der zwei größere Straßen miteinander verbindet. In Hamburg gibt es dafür andernorts auch noch das Wort »Twiete«. Ferner heißt es: »… Solche Durchgänge nannte man früher auch ›Schietbüdelsgang‹.« Wörtlich ins Hochdeutsche übersetzt bedeutet Schietbüd(d)el »Scheißbeutel« – also Windel –, der Begriff wurde aber auch als rustikales Kosewort für kleine Kinder verwendet. Ob Schietbüdelsgang nun aber einen Weg bezeichnet, in dem kleine Kinder spielen, einen, in dem die Müllbehälter der Anwohner standen oder einen engen Durchgang, der einfach nur ein bisschen dunkel und schmuddelig ist, konnte ich nicht ergründen.
Doch zurück zur Typographie. Fotografiert habe ich den Schriftzug eigentlich, weil mich die abgerundeten erhabenen Buchstabenformen des Schrift-Reliefs spontan an Lebensmittelbuchstaben, etwa bei »Russisch Brot« oder Buchstaben-Suppennudeln erinnerten … 🙂
Fazit aber auf jeden Fall: Ich sollte öfter mal wieder in Hamburger Straßenzügen außerhalb meines üblichen Alltagsradius herumstreifen. Spannend, was man da alles entdecken kann … 🤓 🔠
Das typographische Fundstück der Woche entdeckte ich diesmal in der Nähe der Hamburger Grindelallee, auf dem Weg zu einem Termin. Ich war bewusst eine Bushaltestelle früher ausgestiegen, um den restlichen Weg zu Fuß zurückzulegen, weil ich in diesem Viertel selten umherstreife und darauf gehofft hatte, vielleicht neue Motive für diese Rubrik zu finden. 🙂
Natürlich erkennen wohl die Meisten sofort, dass die Buchstaben die Wortmarke einer bekannten deutschen Spirituose repräsentieren, aber interessant ist, dass dies überhaupt so gut funktioniert, obwohl ganze 5 der 12 Buchstaben (> 40%) der kompletten Wortmarke fehlen. Die Buchstabenabstände sind komplett »Freestyle«, die Grundlinie tanzt und die oft über dem Schriftzug platzierte Bildmarke mit dem Hirsch fehlt hier. Trotzdem erkennen wir: »Jägermeister«.
Die Wiedererkennung funktioniert auch ungeachtet dessen, dass von der Wortmarke verschiedenste offizielle und inoffizielle Farbvarianten in Umlauf sind: Auf den bekannten Likörflaschen steht sie in der aktuellen Version in einem dunklen Braun auf orangefarbenem Hintergrund und ist zudem mit einem ecrufarbenen und einem terracottabraunen Schatten versehen. Auf der Website ist sie im Header weiß auf dunkelgrün, woanders steht Terracottabraun auf Orange. Es gibt, von der Marke selbst, Produktvarianten mit weißem Schriftzug auf Schwarz, Braun auf Gold oder Weiß auf Rotbraun. Im Netz kursieren veraltete oder user-generierte Varianten in Schwarz, dunkelgrün, mit Buchstabenkontur oder Schatten ebenso wie ohne all dies. Man findet die Wortmarke in Dunkelgrün auf Orange, in Ecru auf Dunkelbraun, in Grau, Hellgrün und sogar Pink. Der Wiedererkennbarkeit der Marke tun diese »Remixe« jedoch keinen Abbruch.
Für mich ist das ein Indiz für eine starke Marke und eine unverwechselbare, eigenständige Gestaltung. Die auf den ersten Blick etwas aus der Zeit gefallene Typographie mit ihrer kantigen, gebrochenen Schrift ist sicherlich hauptverantwortlich für die Robustheit dieser Marke.
Ich meine, die Auswahl einer passenden, markanten Schriftart (oder sogar eine eigens gezeichnete Wortmarke wie hier) kann immer maßgeblich zum Fundament einer starken Marke beitragen. Selbst wenn Kunden oder Fans den Schriftzug mal so malträtieren sollten wie auf dem Foto. 😉 🤓 🔠
Nach den feiertagsbedingten, bewussten Unregelmäßigkeiten meines ansonsten freitäglichen Posting-Taktes für das »typographische Fundstück der Woche« möchte ich mit dem Schnappschuss eines Bahnhofsgebäudes (aus dem Zugfenster geknipst) hiermit wieder zum gewohnten Rhythmus zurückkehren. Ich finde, wieder mal ein schönes Beispiel für eine halbwegs gut erhaltene, alte Stationsbeschriftung außerhalb der DB-Standards (bzw. vor deren Einführung).
Vergangenen Freitag machte ich, von meiner derzeitigen Jahresend-Unterkunft in Brandenburg aus, einen Tagesausflug nach Berlin mit Stop-over in Spandau. Als typographisches Fundstück brachte ich von dort den untenstehenden Schnappschuss, angebracht über einem eher unscheinbaren Hauseingang, mit. Ein aktiv betriebener Betrieb oder ein Ladengeschäft an der dortigen Adresse war nicht mehr zu erkennen. Ich habe beim Lesen solcher Gewerbebeschriftungen, die den Nachnamen der Gründer mit deren Geschäftsfeld verbinden, oft ein nostalgisches Gefühl, da ich persönlich solche Namen eher mit vergangenen Zeiten verbinde, häufig sogar mit Schließungen, Insolvenzen oder Geschäftsaufgaben. In meinem Wohnviertel in Hamburg z.B. schloss kürzlich der kleine Laden »Elektro-Höglmüller«, 2023 traf es »Möbel-Scharbau«. Die Unternehmen »Betten-Schwen« und »Pflanzen-Kölle« gibt es hingegen noch. Dunkel erinnere mich andernorts noch an »Blusen-Köhler« oder »Wolle-Rödel« und vor etwa drei Wochen postete ich hier in dieser Rubrik das Foto eines Transporters von »Möbel-Ullrich«. Auch im Internet findet man noch aktive Unternehmen mit Namen gemäß dieser Nomenklatur, wie etwa »Auto-Zeilinger«, »Blumen-Brendel«, »Brillen-Fuchs«, »Küchen-Werner«, »Eisen-Fischer« oder »Fernseh-Schmidt«.
Wie seht Ihr das? Ist mein Gefühl zutreffend und diese Namenskategorie allmählich im Aussterben begriffen? Oder gibt es sogar Neugründungen, die sie aufgreifen? Vielleicht erinnert Ihr Euch auch selbst an gern besuchte Geschäfte, die so benannt waren und die es inzwischen nicht mehr gibt – und könnt ggf. sogar ein Foto von deren Ladenbeschriftung beisteuern? Ich bin gespannt.
Ich wünsche allen einen schönen Jahreswechsel und einen angenehmen und möglichst friedlichen Start ins Neue Jahr. 🎆 🍀 🤓 🔠
»Die typographischen Fundstücke dieser Woche – es sind heute gleich 49 – repräsentieren alle dasselbe Schriftzeichen. Es handelt sich um das Sternchen, auch Stern oder Asterisk genannt (von spätlateinisch asteriscus / altgriechisch ἀστερίσκος [asterískos = Sternchen]), ein typografisches Zeichen in Form eines kleinen fünf-, sechs- oder achtstrahligen Sterns. Wir kennen es alle als Indikator für Fußnoten in Texten und als Verweis auf das sog. »Kleingedruckte« in Vertragstexten oder Geschäftsbedingungen. Als »Gendersternchen« führt es zu gesellschaftlichem Aufbrausen, es markiert Pflichtfelder in Formularen, kann als Platzhalter bei Suchanfragen oder zur Entschärfung nicht jugendfreier Wörter genutzt werden (Sh*tstorm). Man kann damit Gefühlsäußerungen wie *kicher* ausdrücken, jemandem ein Küsschen :-* zueignen, Multiplikationen notieren oder ein Geburtsdatum kennzeichnen.
Und ebenso vielfältig wie die Anwendungsmöglichkeiten dieses unscheinbaren Zeichens, ihr Nutzen und dessen Auswirkungen ist der Einfallsreichtum der Schriftdesigner bei seiner Formgebung. Doch allein schon aufgrund der Winzigkeit des Symbols in der täglichen Anwendung werden die Kreativität der Gestalter und ihre Liebe zum Detail beim Design des Asterisk oft übersehen. Grund für mich, mit diesem Weihnachtsposting einmal bewusst das Augenmerk darauf zu richten und allen Lesern und Followern ein schönes Weihnachtsfest zu wünschen.
Schaut gerne öfter genauer hin – es gibt viel Schönes im Kleinen zu entdecken. Nicht nur in der Typographie! 🤓
Auch das dieswöchige typographische Fundstück hat wieder einige Jahre »auf dem Buckel«. Denn fotografiert habe ich es einerseits bereits im März 2004 während eines Urlaubs im Peak District, Derbyshire, Großbritannien, genauer: im beschaulichen Ort Hartington (der sich übrigens in einer bedeutsamen Region der Herstellung der bekannten englischen Käsesorte Stilton befindet), und andererseits reicht die Entstehungszeit einiger örtlicher Gebäude, z.B. einer Kirche und eines Schlosses, bis ins Mittelalter zurück (11.–13. Jh.). Auch auf dem malerischen Friedhof des Ortes finden sich zahlreiche uralte, teils komplett verwitterte Grabsteine. Das im Bild gezeigte Exemplar ist zwar nicht ganz so betagt, dafür aber typographisch interessant.
Zugegeben: ein solches Grabmal an sich ist zwar nicht gerade ein besonders weihnachtliches Beitragsmotiv (es ist ja auch noch ein paar Tage hin), aber ich finde, wenn man etwas genauer hinschaut, hat die Schönheit der Buchstaben der Inschrift durchaus etwas Feierliches und Festliches. Insbesondere die Zeilen in der ungewöhnlichen Frakturschrift finde ich ausgesprochen schön (das M, das g und das Y!) und könnte mir durchaus vorstellen – sofern diese Schriftart überhaupt jemals abseits solcher Inschriften zur Verwendung für Satz und Druck aufbereitet wurde – mit ihr sogar weihnachtliche Einladungen oder Grußmotive zu gestalten. 🤓 🔠
Das typographische Fundstück dieser Woche ist schon einige Jahre alt, daher kann ich nicht sagen, ob dieser charmante kleine Farben- und Tapetenladen in Neuenfelde bei Hamburg (südwestlich von Finkenwerder) noch existiert. Aber die wunderbar exzentrischen, schwertförmigen kleinen t hatten es mir damals angetan. 🙂 🤓 🔠
(Update, 01.09.2025: Es gibt einen ausführlichen, nostalgischen Online-Artikel über das Geschäft – es hieß übrigens »Drogerie Quast« –, das inzwischen leider am 29. April 2023 endgültig geschlossen wurde.)