verknallt in Schrift und Buchstaben

Kategorie: Verpackungskunst

Kartons, Dosen, Flaschen, Kisten, Tüten, Beutel, Boxen – auch auf Verpackungen ist Typographie allgegenwärtig. In dieser Kategorie ist einsortiert, was in Regalen und Sortimenten des Handels mit Schrift um die Gunst des Verbrauchers buhlt.

21.07.2025

Vier Tage hat es gedauert, den Keller des Hauses zu »entrümpeln«, etliche Boxen und Kartons harren nun ihrer recyclinggerechten Entsorgung. Aber man sieht hinterher sehr schön, was geschafft wurde, es herrschen wieder System, Ordnung und kellergemäße Sauberkeit.



Ein zweites wunderschönes Fundstück, nach den Rasierklingenbriefchen vom letzten Montag, ist diese »Vintage-Verpackung« einer Autoscheinwerfer-Glühbirne mit ihrer klaren, farblich sehr ansprechenden typographisch-illustrativen Gestaltung. Der Typ der dargestellten Birne, das zeigen Fotos weiterer Schachteln im Internet, entsprach dabei immer dem inliegenden Produkt. Die Schriftart im oberen Teil der Schachtel erinnert stark an die »Futura«, aber das besondere S, das fast wie ein gespiegeltes Z aussieht, sowie die abweichenden Winkel beim G und C ließen mich weiter recherchieren. Die beste Übereinstimmung fand ich bei der »Erbar Bold«, die zwischen 1922 und 1930 vom deutschen Grafikdesigner Jakob Erbar für die Schriftgießerei Ludwig & Mayer gestaltet wurde. Auch Erbars Schrift »Phosphor« weist ähnliche Formmerkmale auf.



Ähnliche Schachteln werden im Internet leer (!) für 10 EUR gehandelt, mit funktionsfähigen Leuchtmitteln befüllte Packungen finden sich auf Angebotsseiten für Oldtimerbedarf, je nach Glühbirnentyp, für bis zu 100 EUR. Konkrete Angaben zum Datum der Herstellung konnte ich nicht finden, der Ursprung war lediglich vage einzugrenzen auf »1950er bis 1970er Jahre«.

Eine Recherche ergab: Die Herstellerfirma existiert nach wie vor. Gegründet 1947 unter dem Namen »Speziallampenfabrik Dr. Günther Fischer« firmiert sie mittlerweile als »Dr. Fischer Gruppe« mit acht zugehörigen Unternehmen und etlichen Standorten, u.a. in Hong Kong, Seoul, Alpignano (Italien), Pont-à-Mousson (Frankreich) und Diez (Deutschland).



Ich hebe die Schachtel (samt Inhalt) natürlich als kleines Museumsstück sorgsam auf! 🤓 🔠 💡



Font »Erbar Bold«:
➡️ https://www.myfonts.com/de/products/bold-erbar-334070

Font »Phosphor«:
➡️ https://www.myfonts.com/de/collections/phosphor-font-monotype-imaging

14.07.2025

Dort, wo ich das letzte Wochenende verbrachte, regnete es am Samstag in einem fort und am Sonntag den größten Teil des Tages. Also beschloss ich, den lang gehegten Plan in Angriff zu nehmen, den Keller des Hauses aufzuräumen, in dem sich noch das komplette Inventar des Vorbesitzers befindet, unter anderem eine komplett ausgestattete Werkstatt für alle Arbeiten, die rund um Haus und Hof anfallen. In Kisten, Regalen, Schränken und Schubladen türmten sich Werkzeuge, Schrauben, Nägel, Muttern, Scharniere, Haken, Dübel, Schellen und alle Arten  weiterer Eisenwaren. Nun ist die Werkstatt gesichtet, sortiert, ausgemistet und gereinigt und einer von vier Kellerräumen kann von der To-Do-Liste gestrichen werden.



Viele der Gegenstände, die ich in Händen hielt, waren sicherlich Jahrzehnte alt, aber nach wie vor sauber und funktionstüchtig. Und auch typographisch gab es auf alten Farbdosen, Schraubenpäckchen oder Werkzeugetiketten allerlei Spannendes zu entdecken.



Am besten gefielen mir diese drei außen wie innen tadellos erhaltenen Papierbriefchen mit Rasierklingen. Matt golden, blau und rot bedruckt und mit zwei wunderschönen, prägnanten Schriftzügen. Als heutiges typographisches Montagsbonbon möchte ich sie meinen Lesern hier nicht vorenthalten. 🤓🔠



20.06.2025

Weiter geht’s beim »typographischen Fundstück der Woche« mit der thematisch gebündelten Abarbeitung meiner Schnappschüsse aus Barcelona. Heute steht die Typographie dabei mal nicht allein im Vordergrund (bei einem der gezeigten Beispiele fehlt sie nahezu völlig), sondern es geht auch um (Verpackungs)design. 



Immer, wenn ich reise, sei es in andere Regionen oder Bundesländer innerhalb Deutschlands und erst recht in andere Städte oder Länder, LIEBE ich es, in große Supermärkte zu gehen und – komplett abseits meines täglichen Bedarfs – durch die Regalreihen zu stromern. Ich erkunde, was es für regionale Produkte gibt, deren Vertrieb oder Bekanntheit nicht über die lokale Präsenz hinausgehen oder die von Unternehmen oder Manufakturen aus der Umgebung hergestellt werden. Ich stöbere nach ausgefallenen, kuriosen und ästhetischen Produktverpackungen. Und ich suche natürlich auch nach geeigneten Schriftzügen oder Buchstabenformen für mein Kuriositätenkabinett.



Daher heißt das Motto heute: »Im Supermarkt«. Bei den gezeigten Produkten handelt es sich um Reis (1), ein alkoholfreies Malzgetränk (2), Olivenöle (3), Rotweine (4) und eine extrem reduziert gestaltete Tomatensaftpackung (5). Fantasievoll, nostalgisch, witzig, minimalistisch – auch so kann Verpackungsdesign sein! 🤓 🔠

21.02.2025

Das typographische Fundstück der Woche führte mich diesmal leider zu der Erkenntnis, wie weit fortgeschritten die Kontamination valider und korrekt formulierter Informationen durch die sogenannte »K.I.« aktuell bereits ist. 



Ich selbst erkannte zwar gleich, dass die Schriftart auf dieser etwas nostalgisch anmutenden Plastiktüte des Fischhändlers meines Vertrauens hier in meinem Wohnviertel die »Windsor« ist, aber als ich einige ergänzende Informationen zu ihrem Ursprung recherchieren wollte, zuckte ich angesichts einer der Textquellen doch gequält zusammen. 



Veröffentlicht wurde der Text auf der Website des Schriftportals www.myfonts.com, das zum führenden Schriftunternehmen Monotype gehört. In einer Melange aus schlecht automatisierter deutscher Übersetzung, mangelhaft (algorithmisch?) kuratierten Informationen und dem mir schon geläufigen, leicht umnachteten, breiig-beliebigen Formulierungsstil K.I.-generierter Texte heißt es dort:



»Windsor ist ein ungewöhnliches Design, das 1905 von Stephenson Blake entworfen wurde. Windsor ist eine kühne Schrift mit schweren, abgerundeten Serifen und starker diagonaler Betonung. Die Großbuchstaben M und W sind weit gespreizt, P und R haben sehr große obere Schalen. Die Kleinbuchstaben a h m und n der Windsor Font haben abgewinkelte rechte Stiele, e hat einen abgewinkelten Querstrich. Der Gesamteindruck ist freundlich und warmherzig. Verwenden Sie die Windsor Font in der Werbung, auf Plakaten und für allgemeine Displayarbeiten.«



MyFonts

Das ist zum einen falsch bzw. unvollständig, denn lt. Wikipedia und anderen Quellen heißt der Designer Elisha [Eleisha] Pechey – Stephenson Blake ist lediglich die Schriftgießerei, welche die Windsor 1905 (andere Quellen sagen 1903) nach dem Tode Pecheys auf den Markt brachte. Und auch der Rest des Textes (»allgemeine Displayarbeiten«) und der Übersetzung (»Stiele«) macht mich schaudern. Hier kann man sie besichtigen, die Zukunft maschinengenerierten, unverifizierten Contents, präsentiert von einem weltweiten Marktführer. Vielleicht ein Grund mehr, für den Schutz und die Finanzierung der Wikipedia angesichts allzu unkritischer K.I.-Propheten und Tech-Oligarchen einzutreten, z.B. mit einer Spende.



Und jetzt hör’ ich auch schon auf mit Krückstockfuchteln, denn eigentlich will ich ja in dieser Rubrik schöne und amüsante Dinge präsentieren. Der Fisch war übrigens vortrefflich – es war feines Seelachsfilet.



Ein sehr gut recherchierter, gut geschriebener und ausführlicher Beitrag zur Windsor mit vielen alten und neueren Designbeispielen findet sich hier:



➡️ https://fontreviewjournal.com/windsor/

Die Schriftart Windsor bei Wikipedia:
➡️ https://en.wikipedia.org/wiki/Windsor_(typeface)

20.06.2024

Hier mal wieder ein schönes Verpackungsdesign, das mir gestern im Supermarkt positiv aufgefallen ist. Eine für meinen Geschmack ziemlich gelungene Mischung aus Typographie und Illustration. Auffällig, aber nicht aufdringlich. »Retro«, aber nicht angestaubt. Trendy, aber nicht prätentiös. Gefällt mir! 👍🙂