verknallt in Schrift und Buchstaben

Kategorie: Unglücksfälle (Seite 2 von 3)

Auf Englisch sagt man »fail«, aber das klingt für mich etwas zu negativ. In dieser Kategorie wird gesammelt, was durch Unvermögen, Nachlässigkeit, Unwissen oder Missgeschick nicht ganz so schön oder fehlerfrei ist, wie es hätte sein können.

14.08.2024

Kurioses kleines typographisches Fundstück zwischendurch mit einem spiegelverkehrten »Et-Zeichen« – entdeckt in Havelberg (Brandenburg) an der Fassade der »Pension Zur Alten Post«. Leider konnte ich vom Fahrersitz des Autos aus nicht selbst fotografieren, aber bei Wikimedia Commons fand ich ein hochauflösendes Foto unter Creative-Commons-Lizenz, aus dem dieser Ausschnitt stammt. 



Quelle des Originalfotos »Alte Post Havelberg.JPG«:


Urheber: Kvikk | Wikimedia Commons | Lizenziert unter CC BY-SA 4.0


➡️ https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Alte_Post_Havelberg.JPG

07.08.2024

Das amüsante typographische Fundstück dieser Woche habe ich diesmal entdeckt in einem aktuellen Werbespot zum 100-jährigen Jubiläum der S-Bahn Berlin. In einer nachgestellten historischen Szene, die im Jahr 1963 spielen soll, liest ein Fahrgast nämlich offenbar eine Zeitung aus der Zukunft mit der Titelseiten-Schlagzeile »Kennedy besucht Berlin!«, gesetzt in der Schriftart »Impact« (Bild 1 und 2). Diese Schrift erschien nämlich tatsächlich erst im Jahr 1965 – zwei Jahre später. Sie wurde gestaltet vom Schriftdesigner Geoffrey Lee und zunächst von der Schriftgießerei Stephenson Blake in Sheffield veröffentlicht. 



Die Designrechte der »Impact« wurden später von der Firma Monotype erworben, die wiederum dem Softwarekonzern Microsoft seit Windows 98 eine Lizenz für die Nutzung der Schrift in der Standard-Fontbibliothek dieses nahezu allgegenwärtigen PC-Betriebssystems einräumte. In der Popkultur des Internet ist sie – vielleicht auch deshalb – bis heute vor allem als »Meme Font« sehr beliebt.



Es gibt eine ganze Reihe ähnlicher schmal-fetter Groteskschriften, die sich im Design ab etwa Mitte der 60er Jahre großer Beliebtheit erfreuten. Im dritten Bild habe ich einige bekanntere dieser Fonts, mit nachgeschlagenen Daten zu ihrer Entstehung, zusammengestellt. Die meisten davon entstanden demnach ebenfalls erst knapp nach Kennedys Besuch … 😉



Wie immer freue ich mich über Ergänzungen, Korrekturen und Anmerkungen zu diesem Beitrag. 🤓 🔠 🔍



Link zum Jubiläumsvideo »100 Jahre S-Bahn Berlin«:


➡️ https://www.youtube.com/watch?v=-x0RU3djZww

Einige Links zur Schrift »Impact«:


➡️ https://de.m.wikipedia.org/wiki/Impact_(Schriftart)
➡️ https://www.talkpaperscissors.info/post/157-impact-an-incomplete-history-of-type
➡️ https://learn.microsoft.com/de-de/typography/font-list/impact

17.05.2024

Und schon wieder ein typographisches Fundstück der Woche aus meiner Hamburger »Hood«. Ein Sushi-Imbiss hat geschlossen und ein Burger-Imbiss soll demnächst an gleicher Stelle eröffnen. Stylisch und modern soll es wirken, daher wählte der Inhaber (oder sein Grafiker) eine »Techno-Schrift« für das Logo – sehr wahrscheinlich einen der zahllosen kostenlos im Internet auffindbaren und oft von Hobby-Typographen gestalteten Fonts. Die auffallendste Besonderheit dieser Schrift ist, dass sie Teile der Buchstabenformen weglässt, die von Auge und Gehirn intuitiv ergänzt werden sollen. Im Namen, beim B, R und E, funktioniert das recht gut. In der Unterzeile hingegen ist der Schriftgestalter aus meiner Sicht einen Schritt zu weit gegangen, indem er das A bogenförmig verfremdete und zudem dessen Querbalken komplett wegließ. Zumindest ich las hier auf Anhieb »ENT LIKE N BOSS«. Hier erfolgt die formale Vervollständigung im Gehirn offenbar nicht intuitiv und augenblicklich, sondern nachträglich aufgrund der Erkenntnis, dass dieser falsch gelesene, unsinnige Wortlaut so nicht stimmen kann.



Es gibt andere populäre Beispiele, bei denen dieses Weglassen von Formelementen in den Wortmarken praktiziert wird, siehe im Bild MOIA (2) und KONICA MINOLTA (3). Allerdings geschah das hier etwas professioneller, indem z.B. für das vereinfachte A die klassische, oben spitz zulaufende Form gewählt wurde, sodass ein dachförmiges Λ übrig blieb. Da es keinen anderen lateinischen Buchstaben gibt, der dieser Form gleicht, lesen wir trotzdem ein A. Wird aber das Λ zusätzlich oben abgerundet, entsteht eine Form wie ein auf dem Kopf stehendes U, die einem kleinen n viel ähnlicher sieht als einem großen A – und so wird der Buchstabe von den wohl meisten Menschen falsch gelesen.



Auch die Wortmarke des Science-Fiction-Blockbusters DUNE (4) nutzt diese Formspielerei des Weglassens, hier mit einer abgerundeten Buchstabenform für das große E. Allerdings war der Designer hier so schlau, ein Element hinzuzufügen, das den Mittelstrich des E andeutet, sodass niemand fehlgeleitet wird und womöglich DUNC läse statt DUNE. Und auch in diesem Schriftzug findet sich das Zeichen eines kopfstehenden U, das hier jedoch korrekt als N genutzt und gelesen wird.



Die Schrift des Burger-Imbiss’ nutzt im großen O einen zentrierten Punkt als Schmuckelement. Hätte der Schriftdesigner den gleichen Punkt in sein vereinfachtes A eingefügt, würde das Zeichen vermutlich eher als ein A gelesen. In Abb. (5) habe ich das einmal simuliert.

Was kann man daraus lernen? Ich denke, erstens: in der Typographie können oft Kleinigkeiten einen großen Unterschied machen und zweitens: Es lohnt sich eigentlich immer, lieber eine von professionellen Schriftgestaltern entworfene Schrift für das eigene Logo zu lizenzieren. 😉



05.04.2024

Auch das typographische Fundstück dieser Nach-Osterwoche habe ich wieder, wie vergangenen Freitag, auf einem Ausflug in der Moselregion nahe dem Ort Bernkastel-Kues entdeckt. Schaut man genau hin, ist festzustellen, dass das »u« in »Bautechnik« spiegelverkehrt in das Holzschild eingemeißelt wurde. Das ist insofern bemerkenswert, weil solche Seitenverkehrungen sonst eher bei der Anbringung von Beschriftungen vorkommen, bei denen dreidimensional ausgeschnittene Einzelbuchstaben auf eine Trägerplatte aufgeklebt werden. Da kann es schnell passieren, dass achsensymmetrische Lettern wie A, H, M, O, U, V, W oder Y verkehrtherum appliziert werden. Hier jedoch muss ein Fehler bei der Schablone oder Vorzeichnung erfolgt sein, ehe mit dem Meißeln begonnen wurde. Nicht tragisch, alles bleibt ja dennoch lesbar – aber dennoch ein Kuriosum, das mir einen Schnappschuss wert war.



02.02.2024

Das typographische Fundstück der Woche wurde diesmal gesichtet im Schaufenster eines Computerreparatur-Services in Berlin-Kreuzberg.

Schon lange gibt es im Spektrum der auf Papier und Bildschirmen nutzbaren Schriftarten besonders gestaltete Fonts, die bewusst »zerstört« aussehen – etwa historische Schreibmaschinenschriften, Stempelschriften, Schablonenschriften oder gerasterte Schriften – vgl. die verlinkten Beispiele am Ende dieses Postings*. All diesen gemein ist, dass die korrupten Formen der Buchstaben absichtlich vom Schriftgestalter angelegt wurden.



Manchmal findet man aber auch im Alltag defekte, fehlerhafte oder anderweitig erodierte Schriften, die gerade durch diese Fehler besonders auffällig oder interessant werden: verwitterte Wandbeschriftungen, Schilder mit rissiger Farbe, abblätternde Folienbuchstaben usw. Im heutigen Fall ist es ein elektronischer Fehler in Form zahlreicher defekter LEDs, der die Buchstaben »anknabbert« und so fast unleserlich macht – aber eben nur fast.





Beispiel-Schriftarten:



Schreibmaschine:
➡️ https://www.myfonts.com/de/collections/mystery-typewriter-font-ana-s-fonts



Stempel:
➡️ 

https://www.myfonts.com/de/collections/ff-stamp-gothic-font-fontfont

Schablone:
➡️ 

https://www.myfonts.com/de/collections/uxb-font-astrolux

Erosion:
➡️ https://www.myfonts.com/de/collections/mineru-font-linotype

31.01.2025

Den beiden heutigen typographischen Fundstücken der Woche würde ich den Namen »Lese-Challenge« geben. Das erste stammt aus Berlin-Treptow und die en-passant-Qualität des Fotos macht eine eindeutige Identifizierung der Schrift nicht ganz leicht, aber anhand des S würde ich sagen, es ist die »Akzidenz Grotesk Bold« – eine Verwandte der »Helvetica«, aber deutlich älter. Die erste Version der Akzidenz Grotesk der Schriftgießerei H. Berthold AG erschien bereits 1898, während die Helvetica (unter diesem Namen) erst 1961 das Licht der Welt erblickte.



Ein weiteres Bildmotiv aus der gleichen herausfordernden Kategorie sah ich kurz darauf im Vorbeifahren im brandenburgischen Städtchen Stölln, allerdings ohne die Gelegenheit, ein Foto zu machen. Doch tatsächlich ist das erspähte Schild auch bei Google StreetView dokumentiert.



➡️ https://t1p.de/marmeladenschild

Die am Straßenrand so kryptisch feilgebotenen süßen Brotaufstriche werden übrigens beworben mit der Schriftart »ITC Souvenir«. Sie erschien unter diesem Namen Anfang der 1970er Jahre und war die erweiterte Neuauflage einer Schrift, die bereits 1914 von Morris Fuller Benton entworfen wurde. Die neue Version des Designers Ed Benguiat, mit zusätzlichen Stilen und einer Kursivschrift, war mit ihren weichen, nostalgischen Formen in den 1970er Jahren extrem populär. Im MS-Office-Paket findet man sie noch heute im Schriftmenü unter dem Namen »Jasmine UPC«. 🤓 🔠 🙂



Akzidenz Grotesk:


➡️ https://de.wikipedia.org/wiki/Akzidenz-Grotesk

Helvetica:


➡️ https://www.pixartprinting.de/blog/geschichte-schrift-helvetica/



(ITC) Souvenir:


➡️ https://en.wikipedia.org/wiki/Souvenir_(typeface)



Jasmine UPC:


➡️ https://www.myfonts.com/de/collections/jasmine-upc-font-microsoft-corporation

19.01.2024

Das typographische Fundstück der Woche ist diesmal ein vom Bildschirm abfotografiertes Standbild aus dem Vorspann von »Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung« aus dem Jahr 1999. Daran kann man sehr schön sehen, dass Typographie nicht nur bedeutet, wie die Formen der einzelnen Buchstaben aussehen, sondern auch, wie Gruppen von Buchstaben, Wörtern, Zeilen und Absätzen beim Formatieren zu einem besser oder schlechter lesbaren Text angeordnet werden.



Generell ist der sogenannte »Blocksatz« eine anspruchsvollere Art, Texte zu gestalten, denn durch die fixe Zeilenbreite sind erstens häufigere Worttrennungen erforderlich (wenn ein längeres Wort nicht mehr komplett in die Zeile passt) und zweitens müssen oft die Abstände zwischen den Wörtern oder auch zwischen den Buchstaben verkleinert bzw. vergrößert werden, um eine Zeile mit nicht exakt passender Textmenge auf die vorgegebene Breite zu strecken oder zu stauchen. All diese Kunstgriffe bergen ein großes Risiko, dass Texte dadurch unansehnlich und/oder schlechter lesbar werden, da zu viele auffällige Lücken, Stauchungen oder Trennstriche das Auge irritieren. Deshalb ist bei Blocksatz ein gewisses typographisches Feingefühl von Vorteil.



Man sollte meinen, dass bei einem Blockbuster wie diesem, der mit einem Produktionsbudget von 115 Mio. US-Dollar realisiert wurde und bis heute weltweit über eine Milliarde US-Dollar eingespielt hat*, etwas Geld in der Kasse vorgesehen wäre, um für die Umsetzung der deutschen Titel einen visuell hinreichend einfühlsamen Gestalter anzustellen. War aber dann doch wohl entweder zu teuer – oder es musste gewährleistet bleiben, dass Darth Vader auch mit seinem riesigen Imperialen Sternzerstörer-Raumschiff noch bequem durch die Lücken im Text fliegen kann … 😉



Die englische Version ist tatsächlich etwas weniger löchrig gesetzt:


➡️ https://www.youtube.com/watch?v=LZtkDf8VRbw&t=27s



* Quelle der Zahlen:
➡️ https://www.boxofficemojo.com/title/tt0120915/?ref_=bo_cso_table_48

08.12.2023

Das heutige Fundstück stammt diesmal aus Berlin, wo ich mich häufig aufhalte und bei der An- und Abreise jedes Mal am Treptower Park am Portal des »Sowjetischen Ehrenmals« vorbeikomme. Die deutsche Version der dortigen Inschrift weist – mal völlig abgesehen von den politischen und zeitgeschichtlichen Aspekten des Bauwerks, seiner Errichtung sowie dem Wortlaut und Inhalt der Inschrift – zwei typographische Details auf, die mir jedes Mal auffallen.

Eigentlich gehören in Stein gemeißelte Inschriften mit zu den langlebigsten Arten, die es gibt, um schriftliche Botschaften zu hinterlassen und somit auch, einem Text typographisch Form zu geben. Da ist es im Allgemeinen üblich, dass sich die Urheber und ausführenden Steinmetze besondere Mühe geben, die Schrifttype sorgfältig auswählen, vielleicht sogar eigens eine Schriftart entwerfen, die Zeilen und Buchstaben ästhetisch anordnen, auf Abstände achten und den Zeilenumbruch behutsam takten. Denn das, was dort eingraviert wird, wird meist noch nach Jahrzehnten von nachfolgenden Generationen zu lesen sein.



Hier jedoch wurden die Lettern des Wortes UNABHÄNGIGKEIT, um noch in die Zeile passen zu können, fast brachial zusammengeschoben und in der folgenden Zeile sogar – was bei gemeißelten Texten meines Wissens eigentlich als Fauxpas gilt – das Wort HEI-MAT in der Mitte getrennt und in eine neue Zeile umbrochen.



Ich frage mich, was wohl der Grund dafür war. Hast oder Zeitdruck bei der Anfertigung? Unkenntnis, Unwille, Gleichgültigkeit oder Unvermögen? Eine Order »von oben«, der nicht zu widersprechen war?

Vielleicht kann ja einer der Leser hier noch Details zu diesem vermeintlichen handwerklichen Makel beitragen oder womöglich gibt es ja auch anderswo noch steinerne Inschriften, in denen ohne Bedenken Worte getrennt oder ähnlich grenzwertig spationiert wurden.

14.10.2023

Dieses Foto dokumentiert gleich zwei Besonderheiten: 

Zum einen den gut »versteckten« Wechsel zwischen Deutsch und Englisch, denn es handelt sich bei dem so beschrifteten Geschäft nicht – wie man auf den ersten Blick meinen könnte – um einen Hüttendesigner, sondern um ein Hutgeschäft. Die Beschriftung wird somit erst eindeutig, wenn man in die Warenauslage im Schaufenster schaut.



Zum zweiten wurden anscheinend die einzelnen Buchstaben für die Beschriftung lose und ohne vorbereitete Klebeseite angeliefert, denn das U ist spiegelverkehrt angebracht. Die »dicke« Seite des Buchstabens gehört eigentlich nach links: 𝐇𝐔𝐓 𝐒𝐓𝐘𝐋𝐄𝐑. 🤓 


(erspäht im Einkaufszentrum ALEXA in Berlin am Alexanderplatz.)

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