verknallt in Schrift und Buchstaben

Kategorie: Netzfundstücke

Natürlich ist auch das Internet selbst eine reichhaltige Quelle typographischer Fundstücke. Man begegnet ihnen auf Websites, in Blogs, in Online-Werbebannern, Influencer-Videos oder Social-Media-Postings. Hier sind sie zu finden.

18.07.2025

Das typographische Fundstück der Woche ist diesmal kein selbst geknipstes Foto, sondern ein Screenshot. 



Schon seit meiner Jugend bin ich begeisterter Konsument von Grusel- und Horrorfilmen. Oft habe ich schon mit 10, 12 Jahren meine Eltern bekniet, ausnahmsweise »länger aufbleiben« zu dürfen, um Filmklassiker wie »Dracula« mit Christopher Lee oder »Bis das Blut gefriert« schauen zu dürfen. Und wenn ich das durfte, konnte ich – natürlich – hinterher nicht wirklich gut schlafen. Doch, um Stephen King zu zititeren: »I 𝗸𝗻𝗼𝘄 that the thing under my bed doesn’t exist. But I also know that if I keep my feet under the blanket, it won’t grab my ankle.«



Diese Vorliebe hält bis heute an – und zum Glück fiel mit den Jahren auch das Einschlafen leichter. Und so war ich erfreut, als mir kürzlich im Netz ein Filmtrailer zugespielt wurde zu einer Neuverfilmung des »Dracula«-Stoffes unter der Regie von Luc Besson, u.a. besetzt mit Oscar-Preisträger Christoph Waltz. »Noch eine?«, mag da mancher stöhnen, denn die vorhandenen, eng an Bram Stokers Literaturvorlage angelehnten Verfilmungen machen allein schon ein gutes Dutzend aus, von den zahlreichen Varianten, Ablegern und neu verfassten Geschichten mit dieser legendären Figur mal ganz zu schweigen. Vielleicht fügt die neue Verfilmung der Geschichte des »Vaters aller Vampire« neue Facetten hinzu, wie der volle Titel »Dracula: A Love Tale« andeutet – vielleicht aber auch nicht. Ansehen jedoch werde ich mir den Film auf jeden Fall.



Der Grund, weshalb ich aber hier und heute diesen Film erwähne, ist das Logo, das am Ende des Trailers eingeblendet wurde, denn es gefiel mir sofort ausgesprochen gut: Der Titel bzw. Name des Protagonisten, gesetzt in einer modernen, sehr klaren Interpretation einer gebrochenen Schrift, in Verbindung mit den aus den Buchstaben r und l herausgearbeiteten beiden »Fangzähnen«, ganz schlicht in zahnweiß auf nachtschwarz platziert, stellt aus meiner Sicht eine perfekte, minimalistische, zeitgemäße und wunderbar stimmig an die (pop)kulturelle Historie der Horrorfigur angelehnte Wortmarke dar. Mehr braucht es nicht, der Rest passiert im Kopf.

Leider konnte ich bislang nicht ermitteln, ob der Schriftzug von den verantwortlichen Designer*innen komplett neu gezeichnet wurde oder eine modifizierte vorhandene Schrift genutzt wurde. Ich recherchiere aber weiter und habe zudem diesbezüglich eine Mail an ein namentlich ermittelbares Mitglied des Produktionsteams verfasst. Sollte sich der Informationsstand somit ändern, trage ich das gerne hier nach. 🤓 🔠



Kinostart in Deutschland ist der 30. Oktober.  🧛🦇🩸😱 



Link zum Trailer:
➡️ https://www.youtube.com/watch?v=hgpF9Na0lzM

31.03.2025

Als typografisches Montagsbonbon heute etwas zum Schmunzeln, erneut aus der Rubrik »beim Aufruf automatisiert übersetzte Websites«. Bei der Recherche zu einem meiner folgenden Freitagsbeiträge stieß ich auf diese Stilblüte der Übertragung eines typographischen Begriffs vom Englischen ins Deutsche. Wie sagt man auf Englisch »I kid you not!«

(Update, 01.09.2025: Inzwischen wurde der Übersetzungsfehler behoben, er ist somit nicht mehr »live« zu begutachten.)

[Für die Nicht-Typographen unter den Lesern: Der englische Begriff »Small Caps« (= Small Capitals) bezeichnet Schriften, die anstatt der üblich genutzten Kleinbuchstaben kleinere Großbuchstaben nutzen. Korrekt übersetzt müsste der Begriff auf Deutsch »Kapitälchen« lauten. Diese Zeichen sind im Idealfall eigens für den Zeichensatz passend gestaltete Buchstabenvarianten (»echte Kapitälchen«). Es existiert zwar auch die Option, die normalen Großbuchstaben in der Softwareanwendung mittels der Textformatierung kleiner zu skalieren – für professionelle Gestalter aber sind solche »falschen Kapitälchen« ein Graus.]

03.02.2025

Kleines typographisches Bonbon zwischendurch: Die Lieblingsfigur aus der »Sesamstraße«, die ich als Kind hatte, war Graf Zahl. Und die Muppets insgesamt waren sowieso grandios. Deshalb folge ich auf einem meiner privaten Social-Media-Kanäle dem Account »Muppet GIF of the Day«. Das GIF vom vergangenen Freitag zeigte eben jenen Grafen und im Hintergrund eine Zahlenreihe mit einer ziemlich extravaganten 4.

Ich konnte zwar nicht herausfinden, welche Schriftart das ist, aber das minderte mein Entzücken nicht im Mindesten. 🙂 🤓 🔠

28.10.2024

Aus der beliebten Serie »Hat da eigentlich vor Veröffentlichung nochmal jemand draufgeschaut?« sehen Sie heute die Folge »Trennungsschmerz ganz ohne Liebeskummer«. 🤨

Alle Abbildungen sind Screenshots von Online-Werbebannern.

  • Bild 1: Parkster
    (Parkgebühren-App)
  • Bild 2: FITTASTE
    (High-Protein-Fertignahrung)
  • Bild 3: BougeRV JuiceGo
    (Tragbare Solar-Powerstation)

07.08.2024

Das amüsante typographische Fundstück dieser Woche habe ich diesmal entdeckt in einem aktuellen Werbespot zum 100-jährigen Jubiläum der S-Bahn Berlin. In einer nachgestellten historischen Szene, die im Jahr 1963 spielen soll, liest ein Fahrgast nämlich offenbar eine Zeitung aus der Zukunft mit der Titelseiten-Schlagzeile »Kennedy besucht Berlin!«, gesetzt in der Schriftart »Impact« (Bild 1 und 2). Diese Schrift erschien nämlich tatsächlich erst im Jahr 1965 – zwei Jahre später. Sie wurde gestaltet vom Schriftdesigner Geoffrey Lee und zunächst von der Schriftgießerei Stephenson Blake in Sheffield veröffentlicht. 



Die Designrechte der »Impact« wurden später von der Firma Monotype erworben, die wiederum dem Softwarekonzern Microsoft seit Windows 98 eine Lizenz für die Nutzung der Schrift in der Standard-Fontbibliothek dieses nahezu allgegenwärtigen PC-Betriebssystems einräumte. In der Popkultur des Internet ist sie – vielleicht auch deshalb – bis heute vor allem als »Meme Font« sehr beliebt.



Es gibt eine ganze Reihe ähnlicher schmal-fetter Groteskschriften, die sich im Design ab etwa Mitte der 60er Jahre großer Beliebtheit erfreuten. Im dritten Bild habe ich einige bekanntere dieser Fonts, mit nachgeschlagenen Daten zu ihrer Entstehung, zusammengestellt. Die meisten davon entstanden demnach ebenfalls erst knapp nach Kennedys Besuch … 😉



Wie immer freue ich mich über Ergänzungen, Korrekturen und Anmerkungen zu diesem Beitrag. 🤓 🔠 🔍



Link zum Jubiläumsvideo »100 Jahre S-Bahn Berlin«:


➡️ https://www.youtube.com/watch?v=-x0RU3djZww

Einige Links zur Schrift »Impact«:


➡️ https://de.m.wikipedia.org/wiki/Impact_(Schriftart)
➡️ https://www.talkpaperscissors.info/post/157-impact-an-incomplete-history-of-type
➡️ https://learn.microsoft.com/de-de/typography/font-list/impact

26.04.2024

Das neueste Typo-Fundstück ist heute mal etwas »nerdiger«. Durch ein Werbebanner wurde ich auf die aktuelle Kommunikation des Energiekonzerns E.ON aufmerksam. Dessen Logo aus dem Jahr 2000 ist für mich eins mehrerer typographisch besonderer Logos der 2000er, die mit ihren »ungelenken« Buchstabenformen in der Masse üblicher Wortmarken sofort auffallen und auch gestalterisch polarisieren. Ein weiteres ist das Logo des Healthcare-Konzerns MERCK, das seit 2015 genutzt wird.



In dem besagten Banner fiel mir sofort auf, dass E.ON die Buchstaben der Wortmarke als Ausgangspunkt für die Gestaltung einer kompletten Schrift genutzt hat und diese nun, zusätzlich zum Corporate Font »E.ON Brix Sans« einsetzt.



Ich finde es immer interessant, zu sehen, ob ein Unternehmen die Schrift aus seinem Logo auch in der Kommunikation einsetzt. Meist vollzieht sich diese Entscheidung »vorwärts«, d.h. die Wortmarke wird mit Hilfe einer bestimmten Schrift gestaltet, die es schon gibt und diese dann auch in weiteren Medien genutzt. So verfährt z.B. die Drogeriekette BUDNI mit ihrem Logo- und Corporate Font »Ubuntu«. Manchmal lassen sich Firmen auch für ihr Corporate Design eigens exklusive Schriften entwerfen, die dann von Anfang an durchgängig genutzt werden. So machen es z.B. der Fahrdienst UBER oder die Deutsche Bahn. Hier bei E.ON wurde hingegen offenbar »rückwärts« gearbeitet und 24 Jahre nach Einführung des nur drei Buchstaben enthaltenden Logos eine komplette Schrift daraus extrapoliert.



Um mir einen Überblick über die interessanten, aus dem Logo abgeleiteten Buchstabenformen zu verschaffen, obgleich mir die Schrift nicht lizenziert zur Verfügung steht, habe ich im Bild versucht, mit Photoshop ein populäres »Pangram« (= einen Satz mit allen Buchstaben des Alphabets) aus den enthaltenen Lettern in dem mit dieser Schrift gestalteten E.ON-Geschäftsbericht zusammenzufügen. Es fehlen zwar zwei Zeichen, aber der Gesamteindruck ist recht repräsentativ.



Anschließend habe ich der Schrift noch etwas hinterherrecherchiert. Sie stammt in der Tat aus dem Jahr 2024, trägt den Namen »EON Display« und enthält neben Kleinbuchstaben auch stilistisch passende Versalien, Zahlen und Satzzeichen, die ich jedoch hier leider nicht zeigen kann. Gestaltet wurde sie von Sven Fuchs and Stefan Huebsch vom Fontbüro »Typocalypse«. Mir gefällt die Schrift sehr gut, sie wirkt modern, technisch und trotz ihrer gewissen Eigenheiten in sich stimmig und visuell ansprechend.



Ich hoffe, meine Detektivarbeit war heute thematisch nicht zu speziell, nächste Woche wird es wieder etwas leichter verdaulich … 🔍 😉 🔠



Update, 30.08.2025: Seit dem Datum meines Beitrags hat das neue E.ON-»Brand Design« unter Federführung der Agentur Peter Schmidt Group einige Preise erhalten, u.a. den German Brand Award, Bronze beim ADC Wettbewerb und den Red Dot Design Award 2025.

MERCK-Logo:
➡️ https://www.merckgroup.com/de/publications/media-gallery-logos-blue.html

E.ON-Geschäftsbericht:
➡️ https://annualreport.eon.com/en.html

Fontbüro Typocalypse:
➡️ http://www.typocalypse.com/

05.01.2024

Das heutige Fundstück ist diesmal ein Link zu einem interessanten (bebilderten) Posting des Historikers und Buch-/Kommunikationswissenschaftlers Daniel Bellingradt auf der Social-Media-Plattform Mastodon. Darin kann man sehen, wie in den Kindertagen des Buchdrucks z.B. bei Kapitelanfängen auf den gedruckten Buchseiten Platz gelassen wurde für die später von Hand eingefügten, kunstvoll gezeichneten großen und oft farbigen Initalen. Damit der Künstler wusste, welchen Buchstaben er jeweils einzufügen hatte, wurde dieser oft als kleine einzelne Letter an der leeren Stelle vorgedruckt. Wieder was gelernt!


Post by @dbellingradt@historians.social
View on Mastodon

01.12.2023

Das typographische Fundstück der Woche begegnete mir diesmal ursprünglich auf dem Social-Media-Portal Mastodon. Es war eine alte Zigarettenreklame der Münchner Marke »Zuban« aus dem Jahr 1950¹ und mein Auge blieb sofort an den famosen Buchstabenformen hängen: das alte Lang-s, das kleine r mit dem schwebenden Punkt und vor allem das wunderschöne verschlungene w. Die Schriftart erinnert frappant an die schmale Type der Konkurrenzmarke Marlboro, deren Siegeszug allerdings erst Mitte der 1950er Jahre begann.



Bei der Recherche nach anderen Werbemotiven der Marke fanden sich dann weitere Varianten der Reklame und des Slogans, zumeist in rot-weißer Farbgebung². Das lange s wurde später offenbar ersetzt durch ein herkömmliches. In der Schreibweise unten im Bild ist es zumindest noch im »gestern« erhalten, dazu ein elegantes Anführungszeichen am Ende.


Um das Jahr 1960 verlieren sich die Spuren der Marke im Internet, vermutlich weil Konzerne wie Reemtsma und Philip Morris begannen, den Tabakwarenmarkt auch in Deutschland zu dominieren.

1 ➡️ https://mastodon.social/@die_reklame/111453697743969485

2 ➡️ https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/LLYK6HQYS3V76D2DMIZNYRIV6VUXEMSL