verknallt in Schrift und Buchstaben

Kategorie: Handschriftlich (Seite 2 von 3)

Dies ist die Kategorie für alle manuell mit Stift, Kreide, Feder oder Pinsel erzeugten Schriftzüge – egal, ob ungelenke handschriftliche Notizen, gekonnte Werke vom Profi-Schildermaler oder kunstvolle Kalligraphie.

14.10.2024

Ich hoffe, es wird noch nicht langweilig oder thematisch zu eintönig, aber ein paar typographische Fundstücke aus Kopenhagen habe ich noch in meinem frisch aufgefüllten Vorrat. Eins davon begegnete mir beim Aufstieg über die ca. 400 sowohl innen wie außen verlaufenden Treppenstufen zur Spitze des Turms der ev.-luth. »Vor Frelsers Kirke« (Erlöserkirche). Der 90 m hohe Turm, 1752 fertiggestellt, ist ein nachträglicher Anbau der zuvor schon an dieser Stelle (wieder)errichteten Kirche (1689–1695). Der Andrang schwindelfreier Touristen ist groß, es empfiehlt sich, online ein Eintrittsticket für einen festen Zeitpunkt zu reservieren, spontane Besucher müssen oft über 1 Stunde warten, bis sie an der Reihe sind.



Der Innenteil des Treppenhauses, in dem seinerzeit viel Holz verbaut wurde, wird von mehreren kleinen Zwischengeschossen unterbrochen, von wo aus es dann immer über eine nächste Treppe weiter nach oben geht. Auf einem dieser Zwischengeschosse entdeckte ich an einer alten Metalltür die von Hand aufgebrachte schöne Frakturinschrift »Taarnet – Tobaksrygning forbudt« (Turm – Tabakrauchen verboten). Der gute Zustand der Lettern lässt vermuten, dass der Schriftzug zwischenzeitlich erneuert wurde, zudem sind z.T. unleserliche Fragmente einer früheren Beschriftung erkennbar und die Fläche der Tür wurde offenbar schon öfter neu gestrichen. Die Schreibweise »Taarnet« scheint eine veraltete zu sein, die aktuell gebräuchliche lautet »Tårnet«. 



Auch die sehr spezifische (ggf. auch historisch begründete) Formulierung regt zum Nachdenken an. Wieso steht dort nicht einfach »Rauchen verboten«? Und haben sich Besucher, die etwas anderes als Tabak zu rauchen pflegen, bereits vereinzelt über den Verbotshinweis hinweggesetzt?



Es bleiben Fragen offen … 🤔😉



27.09.2024

Das typographische Fundstück der Woche ist heute eine von Hand beschriftete Hinweistafel in der Nähe des Ortes Stölln im Brandenburger Havelland. Sie steht am Fuß des Gollenbergs, von dem der Flugpionier Otto Lilienthal (*1848) nach seinen gut 2.000 Flugversuchen auch seinen letzten Gleitflug startete – diesmal aber nach nur 140 Metern Flugstrecke von einer thermischen Turbulenz am 9. August 1896 zum Absturz gebracht wurde.

Lilienthal gilt als erster erfolgreicher Flugpionier der Geschichte. Bei seinen Flugversuchen mit selbst konstruierten Gleitern, die sich größtenteils den Gleitflug von Vögeln zum Vorbild nahmen, verbrachte er bis zu seinem Tode am Tag nach dem schweren Unfall insgesamt rund 5 Stunden in der Luft.



Im Jahr 2024, nur 128 Jahre nach Lilienthals tragischem Tod, finden nach Angaben der OAG (Official Airline Guide) mittlerweile durchschnittlich an jedem einzelnen Tag (!) über 102.000 kommerzielle Flüge statt.



Mehr zu Otto Lilienthal:
➡️ https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Lilienthal
➡️ https://ardalpha.de/s/dbkdhk

Flugverkehrsstatistiken der OAG Aviation Worldwide Limited:
➡️ https://www.oag.com/airline-frequency-and-capacity-statistics

26.07.2024

Die zwei typographischen Fundstücke der Woche führen uns heute in die Frühzeit der Fernsehunterhaltung. Das erste Fundstück aus dem Jahr 1957 entstammt der unglaublichen Fernsehshow des Bayerischen Rundfunks mit dem Titel »Die ideale Frau«. Unter den Augen einer Jury müssen sich die Kandidatinnen bei allerlei hausfraulichen Tätigkeiten beweisen, um zu bewerten, welche wohl die »beste« in Heim und Küche sei. Zitat aus der ARD-Mediathek (Link zur Sendung unten):

»Die Fragen an die Frauen sind so gewählt, dass man meinen könnte, diese wären komplett doof. Während der gesamten Sendung kommen die Frauen nicht einmal selbst zu Wort. Es reden nur die Männer.«



Während ich dieses TV-Relikt teils ungläubig, teils entsetzt und teils amüsiert verfolgte, fiel mir auf dem Tisch der Jury die wie aus Papier ausgeschnitten wirkende Beschriftung mit ihrem kess angeschrägten R auf. Und dieses Detail musste ich natürlich gleich einmal festhalten.



Das zweite Fundstück ist die – auch inhaltlich – originelle Beschriftung des Ateliers eines Parfumeurs, der in Episode 25 »Fit für Mord« (»How to succeed … at murder«) der vierten Staffel der Kultserie »Mit Schirm, Charme und Melone« (1966) eine Nebenrolle spielte. Bemerkenswert ist neben dem kreativ verballhornten »lateinischen« Motto des Duftkünstlers vor allem der aus tropfenförmigen Elementen erstellte Firmenschriftzug »Perfumier Extraordinary«, dessen Schriftart ein wenig an den Font »Croissant« (1978) erinnert. Auch dieses typographische Requisit war mir einen spontanen Screenshot wert. 🤓 🔠 📺 



ARD-Mediathek:
➡️ https://www.ardmediathek.de/video/alpha-retro/wir-suchen-die-ideale-frau/ard-alpha/Y3JpZDovL2JyLmRlL2Jyb2FkY2FzdC9GMjAyMFdPMDAzODM4QTA

Font »Croissant«:
➡️ http://www.identifont.com/show?4SD

14.06.2024

Das typographische Fundstück der Woche verdient diese Bezeichnung diesmal im wahrsten Sinne des Wortes. Im Zuge der schon länger peu à peu ablaufenden Sichtung des Nachlasses im Wohnhaus der vor einiger Zeit verstorbenen Schwiegereltern tauchten diese Woche die dazu gehörenden Bauzeichnungen von Anfang der 1980er Jahre auf. Es sind definitiv Unterlagen aus der »Prä-Computer-Ära«, alles manuell erstellt, analog vervielfältigt und von Hand beschriftet.

Ich war sofort fasziniert davon, dass der verantwortliche Architekt offenbar nicht nur ein Händchen für die präzise Darstellung von Grundrissen und technischen Details hatte, sondern auch ein Talent für kalligraphisches Schreiben. Zwei Beispiele davon habe ich für meine dieswöchige Galerie einmal (anonymisiert und mit freundlicher Genehmigung aller Beteiligten) abfotografiert. 

Beeindruckend!

08.03.2024

Das heutige Fundstück ist diesmal ein fotografisches Mitbringsel aus Galway in der Republik Irland, entdeckt im September 2015 und – abgesehen von den schönen nostalgischen handgemalten Schriftzügen – ein amüsantes Schaustück dafür, wie »Cross-Promotion« vielleicht in der Prä-Internet-Ära funktioniert hat. Der Schildermaler und Schriftkünstler macht Passanten auf den Instrumentenbauer nebenan sowie auf dessen Kursangebot aufmerksam und vice versa. Ob diese interessante gegenseitige Zielgruppenansprache tatsächlich funktioniert hat, die die beiden womöglich befreundeten Ladeninhaber bei einem gemeinsamen Pint Guinness hätten ausgeheckt haben könnten, ist mir jedoch leider nicht bekannt. 😁



09.02.2024

Das typographische Fundstück der Woche verdient diese Bezeichnung diesmal buchstäblich. Am vergangenen Wochenende besuchte ich in Berlin eine Lesung des wortgewandten Schriftstellers Max Goldt im Kabarett »Die Distel«. Zu Hause nahm ich eins seiner Werke aus meinem Bücherregal zur Hand, um einige der gehörten Texte noch einmal nachzulesen. Den betreffenden Band erstand ich im November 2021 über den Onlineshop eines Antiquariats. Und beim Aufschlagen flatterte mir dieser interessante gedruckte Zettel entgegen, der zwischen Umschlagseite und Vorsatz lag und dem Vorbesitzer wohl als Lesezeichen diente. Die Buchstabenformen wirken eindeutig handgezeichnet. Offensichtlich ist es eine Art historischer Beleg oder Einschubzettel für die Platzreservierung in einem Zug. In welchem Land (DE/AT/CH) oder aus welcher Epoche, bleibt allerdings vorerst ein Geheimnis – es sei denn, einer der Leser hier kann Näheres dazu beisteuern.



Ich habe schon häufiger derlei Einlegezettel in antiquarischen Büchern gefunden, einmal z.B. einen handgeschriebenen Zettel mit Notizen, die wohl als thematische Konversationshilfe bei einem (ersten?) Rendezvous dienen sollten. Ein Grund mehr, warum ich Bücher, die schon einen oder mehrere Vorbesitzer hatten, spannender finde als druckfrische. 🙂

05.01.2024

Das heutige Fundstück ist diesmal ein Link zu einem interessanten (bebilderten) Posting des Historikers und Buch-/Kommunikationswissenschaftlers Daniel Bellingradt auf der Social-Media-Plattform Mastodon. Darin kann man sehen, wie in den Kindertagen des Buchdrucks z.B. bei Kapitelanfängen auf den gedruckten Buchseiten Platz gelassen wurde für die später von Hand eingefügten, kunstvoll gezeichneten großen und oft farbigen Initalen. Damit der Künstler wusste, welchen Buchstaben er jeweils einzufügen hatte, wurde dieser oft als kleine einzelne Letter an der leeren Stelle vorgedruckt. Wieder was gelernt!


Post by @dbellingradt@historians.social
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