verknallt in Schrift und Buchstaben

Kategorie: Film und Fernsehen

Hier sortiere ich Fundstücke ein, die mir in Spielfilmen, Serien, Dokus, Nachrichtensendungen oder anderen Bewegtbildinhalten auffallen – etwa aus Vor- und Abspannen, bei den Requisiten oder andernorts.

19.05.2025

Das heutige typographische Bonbon ist vielleicht eher etwas für die älteren unter den Lesern. Nämlich die, die sich noch daran erinnern, dass zwischen 1970 und 1973 immer freitags um 18.35 Uhr im Vorabendprogramm des ZDF eine Sendereihe unter dem (heute kritischer zu betrachtenden) Titel »Dick & Doof« mit Stan Laurel und Oliver Hardy zu sehen war – und bis zu 16 Mio. Zuschauer pro Woche verzeichnen konnte! 



Das Besondere an der Aufbereitung des Filmmaterials war – neben dem teils abenteuerlichen Zusammenschnitt mehrerer unabhängig entstandener Filme zu einer neuen 25-minütigen »Story« und der schwungvollen Musikuntermalung von  Fred Strittmatter und Quirin Amper jr. – oft die »Ein-Mann-Synchronisation« durch den Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch, der mit großer Stimmenvielfalt und seinen eloquent-verschrobenen Off-Kommentartexten den Sketchen der beiden Komödianten eine ganz neue, sehr deutsche, aber auch höchst amüsante Facette verlieh.



Im Vorspann der Serie (die hier im Haushalt kürzlich auf DVD erstanden wurde) fiel mir gleich der kuriose Titelschriftzug auf, der mit seinen comic-artigen massiven Lettern und den schrägen Formideen (das »k«!) schon fast etwas Logo-artiges hat und dem man die frühen 1970er, wie ich finde, auch formal sehr schön ansieht. 



Mehr Infos zur Serie:


➡️ https://www.wunschliste.de/serie/dick-und-doof#lexikon_inhalt

24.01.2025

So, heute wird’s mal richtig nerdig beim typographischen Fundstück der Woche. Denn wie kann eine Schriftart, die erst 1952 entstand, trotzdem schon über einen Zeitraum von 450 Jahren populär sein?



Anstoß eins für dieses Posting: Ich liebe Science-Fiction-Filme und -Serien. Anstoß zwei: Nicht nur mir fiel nach und nach auf, dass sich eine bestimmte Schriftart (bzw. ihr Vorfahre) seit Jahrzehnten in diesem Genre ungebrochen großer Beliebtheit erfreut. Es gibt Websites mit langen Listen der Filme, in denen diese Schriftart vorkommt¹.



Im Jahr 1952 entwarfen die italienischen Designer Alessandro Butti und Aldo Novarese eine futuristisch anmutende Schrift mit dem Namen »Microgramma«, deren Buchstabenformen an die abgerundete rechteckige Kontur eines Fernsehbildschirms erinnern². Die Schrift war ursprünglich nur als »Display Font« für kurze Beschriftungen und Überschriften gedacht und besaß daher weniger Schriftzeichen als eine vollständige Schrift für den Satz längerer Texte. 10 Jahre später erweiterte Novarese die Schrift dahingehend, verfeinerte das Design minimal und gab der Schrift den Namen »Eurostile«³. Schon kurz darauf, ab etwa Mitte der 1960er Jahre, waren beide überall dort ausgesprochen beliebt, wo Typographie modern, wissenschaftlich, minimalistisch, technisch oder fortschrittlich wirken sollte. Der erste Blockbuster, in dem die Schrift auftaucht, war vermutlich Stanley Kubricks »2001« aus dem Jahr 1968. Und die Liste der weiteren Filme seither ist lang – hier nur ein Auszug:



  • 2001 – Odyssee im Weltraum (1968)
  • 

THX 1138 (1971)


  • Dark Star (1973)
  • 

Star Trek – Der Film (1979)
  • 

Zurück in die Zukunft (1985)


  • Die Fliege (1986)


  • Alien 3 (1992)


  • Starship Troopers (1997)


  • WALL·E (2008)
  • 

Total Recall (2012)


  • Star Trek Discovery (2017)


  • Star Trek Picard (2023)



Mich interessierte nun: Bis zu welchem Jahr in der Zukunft reichen die fiktiven Handlungen der Filme, in denen diese Schriftart auftaucht? Nach meinen Recherchen aktuell bis ins Jahr 2402 – genau 450 Jahre nach ihrem Entstehungsjahr: In Staffel 3 der Serie »Star Trek Picard« trägt das Raumschiff U.S.S. Titan (NCC-80102-A) am Heck seinen Namen in dieser Schrift.



In meiner kleinen Bildergalerie habe ich einmal einige der Werke sowohl mit dem Jahr ihrer Entstehung als auch ihrer Handlung aufgelistet. Mr. Spock würde angesichts der Langlebigkeit der Eurostile vermutlich sagen: »faszinierend!«.
🤓 🔠 🖖



Fontspots Eurostile:
1 ➡️ https://typesetinthefuture.com/2014/11/29/fontspots-eurostile/



Microgramma:
2 ➡️ https://de.wikipedia.org/wiki/Microgramma_(Schriftart)

Eurostile:
3 ➡️ https://de.wikipedia.org/wiki/Eurostile

Credits:
»2001 – Odyssee im Weltraum« · Foto: Screenshot (© Metro-Goldwyn-Mayer)
»Dark Star« · Foto: Screenshot (© John Carpenter)
»Mondbasis Alpha 1« · Foto: Screenshot (© Group Three Productions/Gerry Anderson Productions | ITV)
»Star Trek – Der Film« · Foto: Screenshot (© Paramount)
»Alien 3« · Foto: Screenshot (© 20th Century Fox)
»Star Trek Discovery« · Foto: Screenshot (© Paramount | CBS Television Studios)
»Star Trek Picard« · Foto: Screenshot (© CBS Television Studios)

25.10.2024

Das heutige typographische Fundstück der Woche entstammt mal wieder einem Film. In der Titelsequenz der schwarzen Krimikomödie »Die Schlemmerorgie« (»Who Is Killing the Great Chefs of Europe?«) aus dem Jahr 1978 werden die Zuschauer*innen von Anfang an optisch auf das Umfeld eingestimmt, in dem die Handlung spielt – die Welt der Gourmettempel und Sternerestaurants, der Spitzenköche und der Gastronomiekritiker. Auffallend in dem Vorspann (siehe Screenshot) ist auch die Wahl der luxuriös wirkenden, eigenwillig ornamentierten Schrift, welche die Epoche des Jugendstils assoziiert. Sie lässt an Pferdekutschen denken, an Grand Hotels und den legendären Orient-Express – und tatsächlich ist sie nicht erst nachträglich entstanden, um den Stil dieser Zeit zu zitieren, sondern sie ist, wie ich herausfinden konnte, ein authentisches Relikt.



Der ursprüngliche Name der Schrift, gestaltet vom Schriftgestalter John F. Cumming für die Dickinson Type Foundry, lautete wohl »Typothetae«¹, zunächst enthielt sie ausschließlich Großbuchstaben, aber wenig später wurde sie unter dem Namen »Skjald«² um Kleinbuchstaben erweitert. Die Angaben zum Entstehungsjahr schwanken in verschiedenen Quellen zwischen 1884 und 1891. Es existieren wunderbare Scans historischer Kataloge mit Schriften jener Zeit im Netz, einige davon erstaunlich modern; die zwei beeindruckendste Werke darunter, als PDFs einsehbar, habe ich nachfolgend verlinkt. 





Infos zum Film, Handlung und Besetzung:


➡️ https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Schlemmer-Orgie

Typothetae:
1 ➡️ https://t1p.de/typothetae



Skjald:
2 ➡️ https://t1p.de/skjald



»Catalogue And Price List of Type and Material« 

(Cleveland Type Foundry, 1893):
➡️ https://t1p.de/CTF1893



»Desk Book of TYPE and Printing Material« 

(American Type Founders Co., 1899):
➡️ https://t1p.de/ATFC1899

26.07.2024

Die zwei typographischen Fundstücke der Woche führen uns heute in die Frühzeit der Fernsehunterhaltung. Das erste Fundstück aus dem Jahr 1957 entstammt der unglaublichen Fernsehshow des Bayerischen Rundfunks mit dem Titel »Die ideale Frau«. Unter den Augen einer Jury müssen sich die Kandidatinnen bei allerlei hausfraulichen Tätigkeiten beweisen, um zu bewerten, welche wohl die »beste« in Heim und Küche sei. Zitat aus der ARD-Mediathek (Link zur Sendung unten):

»Die Fragen an die Frauen sind so gewählt, dass man meinen könnte, diese wären komplett doof. Während der gesamten Sendung kommen die Frauen nicht einmal selbst zu Wort. Es reden nur die Männer.«



Während ich dieses TV-Relikt teils ungläubig, teils entsetzt und teils amüsiert verfolgte, fiel mir auf dem Tisch der Jury die wie aus Papier ausgeschnitten wirkende Beschriftung mit ihrem kess angeschrägten R auf. Und dieses Detail musste ich natürlich gleich einmal festhalten.



Das zweite Fundstück ist die – auch inhaltlich – originelle Beschriftung des Ateliers eines Parfumeurs, der in Episode 25 »Fit für Mord« (»How to succeed … at murder«) der vierten Staffel der Kultserie »Mit Schirm, Charme und Melone« (1966) eine Nebenrolle spielte. Bemerkenswert ist neben dem kreativ verballhornten »lateinischen« Motto des Duftkünstlers vor allem der aus tropfenförmigen Elementen erstellte Firmenschriftzug »Perfumier Extraordinary«, dessen Schriftart ein wenig an den Font »Croissant« (1978) erinnert. Auch dieses typographische Requisit war mir einen spontanen Screenshot wert. 🤓 🔠 📺 



ARD-Mediathek:
➡️ https://www.ardmediathek.de/video/alpha-retro/wir-suchen-die-ideale-frau/ard-alpha/Y3JpZDovL2JyLmRlL2Jyb2FkY2FzdC9GMjAyMFdPMDAzODM4QTA

Font »Croissant«:
➡️ http://www.identifont.com/show?4SD

19.01.2024

Das typographische Fundstück der Woche ist diesmal ein vom Bildschirm abfotografiertes Standbild aus dem Vorspann von »Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung« aus dem Jahr 1999. Daran kann man sehr schön sehen, dass Typographie nicht nur bedeutet, wie die Formen der einzelnen Buchstaben aussehen, sondern auch, wie Gruppen von Buchstaben, Wörtern, Zeilen und Absätzen beim Formatieren zu einem besser oder schlechter lesbaren Text angeordnet werden.



Generell ist der sogenannte »Blocksatz« eine anspruchsvollere Art, Texte zu gestalten, denn durch die fixe Zeilenbreite sind erstens häufigere Worttrennungen erforderlich (wenn ein längeres Wort nicht mehr komplett in die Zeile passt) und zweitens müssen oft die Abstände zwischen den Wörtern oder auch zwischen den Buchstaben verkleinert bzw. vergrößert werden, um eine Zeile mit nicht exakt passender Textmenge auf die vorgegebene Breite zu strecken oder zu stauchen. All diese Kunstgriffe bergen ein großes Risiko, dass Texte dadurch unansehnlich und/oder schlechter lesbar werden, da zu viele auffällige Lücken, Stauchungen oder Trennstriche das Auge irritieren. Deshalb ist bei Blocksatz ein gewisses typographisches Feingefühl von Vorteil.



Man sollte meinen, dass bei einem Blockbuster wie diesem, der mit einem Produktionsbudget von 115 Mio. US-Dollar realisiert wurde und bis heute weltweit über eine Milliarde US-Dollar eingespielt hat*, etwas Geld in der Kasse vorgesehen wäre, um für die Umsetzung der deutschen Titel einen visuell hinreichend einfühlsamen Gestalter anzustellen. War aber dann doch wohl entweder zu teuer – oder es musste gewährleistet bleiben, dass Darth Vader auch mit seinem riesigen Imperialen Sternzerstörer-Raumschiff noch bequem durch die Lücken im Text fliegen kann … 😉



Die englische Version ist tatsächlich etwas weniger löchrig gesetzt:


➡️ https://www.youtube.com/watch?v=LZtkDf8VRbw&t=27s



* Quelle der Zahlen:
➡️ https://www.boxofficemojo.com/title/tt0120915/?ref_=bo_cso_table_48

17.11.2023

Das typographische Fundstück der Woche ist diesmal ein Screenshot aus Staffel 04, Folge 17 der Kultserie »Mit Schirm, Charme und Melone« aus dem Jahr 1966. Die Folge heißt »Mrs. Peel, zum ersten, zum zweiten, zum dritten« (»The Girl From Auntie«) und darin spielen neben Mrs. Peel und Mr. Steed diesmal ein Strickclub, ein dubioser Kunstauktionator und eine mörderische alte Dame eine Hauptrolle. 



Was in dieser Serienfolge mein Interesse geweckt hat, sind die Schilder an der Eingangstür sowohl des Strickclubs als auch des Kunsthändlers. Sie sind in einer Schrift gehalten, die aussieht wie eine »klassizistischen Antiqua« (die bekannteste Schriftart aus dieser Gattung heißt »Bodoni«), aber sie besitzt nicht die typischen feinen Endstriche (»Serifen«) – als ob jemand diese für die Beschriftung nachträglich entfernt hätte. Zusammen mit dem ungewöhlichen gerundeten »A« sorgt dies für einen interessanten und avantgardistischen Look und würde auch heute noch modern wirken (sieht man einmal von den seltsam unregelmäßigen Buchstabenabständen am Ende der Beschriftung ab).



Ich konnte bei meiner Recherche keine aktuell erhältliche Schrift finden, die der auf diesen Schildern exakt entspricht. Es gibt zwar eine Schriftart namens »Bodoni Sans« ohne solche Serifen, aber auch die sieht merklich anders aus und wurde zudem erst 2014 vom Schriftdesigner Jason Vandenberg entworfen.



Der Ursprung und der Name der Schriftart werden daher wohl genauso mysteriös bleiben wie die zahlreichen Fälle der beiden berühmten britischen TV-Agenten … 😎