verknallt in Schrift und Buchstaben

Kategorie: Antiquitäten (Seite 8 von 10)

Von Vintage über historisch bis antik, in Stein gemeißelt, gemalt, als Relief oder traditionell gedruckt – in dieser Kategorie landet alles, was garantiert schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat.

16.02.2024

Das aktuelle Fundstück der Woche ist tatsächlich schon über 20 Jahre alt und zeigt eine wunderschöne reliefartige Ladenbeschriftung an einer Hausfassade in Eisenach. Fotografiert wurden die Motive Anfang November 2003 und es stellt sich die Frage, ob dieses Kleinod mit seinen zauberhaft ausgearbeiteten, sehr eigenständigen Buchstabenformen (ich schätze, etwa um 1925) heute überhaupt noch existiert. Vermutlich wurden die Schriftzüge seinerzeit eigens für den Laden entworfen und dreidimensional angefertigt (gemeißelt? gegossen?). Ich bin froh, dass ich dieses Kunstwerk damals fotografisch festgehalten und dadurch bewahrt habe.



Update: Das Haus in der Marienstraße 19 steht tatsächlich noch und auch die Inschrift ist noch da. Ich konnte das Architektenbüro ausfindig machen, welches das Gebäude saniert hat, und auch bei Flickr findet sich ein Foto von Ende Mai 2023, auf dem das Haus in neuem (mintgrünen) Glanz zu sehen ist:



➡️ https://plewka-architekten.de/projekt/wohn-und-geschaeftshaus-eisenach



➡️ https://www.flickr.com/photos/monsieuradrien/53027855725/in/album-72157719648312294/

09.02.2024

Das typographische Fundstück der Woche verdient diese Bezeichnung diesmal buchstäblich. Am vergangenen Wochenende besuchte ich in Berlin eine Lesung des wortgewandten Schriftstellers Max Goldt im Kabarett »Die Distel«. Zu Hause nahm ich eins seiner Werke aus meinem Bücherregal zur Hand, um einige der gehörten Texte noch einmal nachzulesen. Den betreffenden Band erstand ich im November 2021 über den Onlineshop eines Antiquariats. Und beim Aufschlagen flatterte mir dieser interessante gedruckte Zettel entgegen, der zwischen Umschlagseite und Vorsatz lag und dem Vorbesitzer wohl als Lesezeichen diente. Die Buchstabenformen wirken eindeutig handgezeichnet. Offensichtlich ist es eine Art historischer Beleg oder Einschubzettel für die Platzreservierung in einem Zug. In welchem Land (DE/AT/CH) oder aus welcher Epoche, bleibt allerdings vorerst ein Geheimnis – es sei denn, einer der Leser hier kann Näheres dazu beisteuern.



Ich habe schon häufiger derlei Einlegezettel in antiquarischen Büchern gefunden, einmal z.B. einen handgeschriebenen Zettel mit Notizen, die wohl als thematische Konversationshilfe bei einem (ersten?) Rendezvous dienen sollten. Ein Grund mehr, warum ich Bücher, die schon einen oder mehrere Vorbesitzer hatten, spannender finde als druckfrische. 🙂

26.01.2024

Das Fundstück der Woche ist diesmal »brandneu«, es wurde am vergangenen Sonntag in der Hamburgischen Staatsoper entdeckt. Ein wunderschön schlichtes Metall-Emblem, das sich im Treppenhaus in jeder Etage auf den Abdeckblenden der Verschläge zur Brandbekämpfung befindet. Da das Gebäude der Staatsoper erst 1955 erbaut wurde, bezieht sich das Datum auf der Metalleinfassung vermutlich auf den Handwerksbetrieb, der die Installation vornahm.

05.01.2024

Das heutige Fundstück ist diesmal ein Link zu einem interessanten (bebilderten) Posting des Historikers und Buch-/Kommunikationswissenschaftlers Daniel Bellingradt auf der Social-Media-Plattform Mastodon. Darin kann man sehen, wie in den Kindertagen des Buchdrucks z.B. bei Kapitelanfängen auf den gedruckten Buchseiten Platz gelassen wurde für die später von Hand eingefügten, kunstvoll gezeichneten großen und oft farbigen Initalen. Damit der Künstler wusste, welchen Buchstaben er jeweils einzufügen hatte, wurde dieser oft als kleine einzelne Letter an der leeren Stelle vorgedruckt. Wieder was gelernt!


Post by @dbellingradt@historians.social
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29.12.2023

Das heutige Fundstück stammt diesmal vom 25. Mai 2017 und soll angesichts des bevorstehenden Jahreswechsels ein wenig freundliche Stimmung verbreiten und zum Nachdenken über den Umgang miteinander in der Gesellschaft anregen. Ich fände es schön, wenn 2024 ein Jahr würde, in dem die Menschen nicht nur nett zu den Pflanzen (und Tieren) wären, sondern auch wieder netter zueinander. Wo Meinungsverschiedenheiten kein Grund sind, Mauern und Gräben zu ziehen oder gar Andersdenkenden mit Gewalt und Mord zu drohen, sondern Verständigung zu suchen. Wo Hilflosigkeit, Krankheit und Armut kein Anlass für Häme und Ausgrenzung sind, sondern für Empathie, Solidarität und Hilfsbereitschaft. Wo Unzufriedenheit mit der Politik nicht zum Verlassen des demokratischen Weges führt, sondern zu positivem, zukunftsorientiertem und nachhaltigem Aktivismus, auch abseits der Parteien. Wo Vielfalt und Teilhabe nicht als Bedrohung gesehen werden, sondern als Chance. 



Es wäre mal wieder Zeit für ein Jahr, an dessen Ende wir gerne zurückblicken.



15.12.2023

Das typographische Fundstück ist heute ein Foto aus der Kategorie »Überlebende«. Wenn eine zeittypische historische Beschriftung an einer Fassade ihren einstigen Urheber überdauert, verbleibt an dieser Stelle nicht nur ein nostalgisches Relikt der vergangenen Blütezeit eines Ortes oder Unternehmens, sondern – durch die inzwischen neue Belegung des Gebäudes mit komplett anderen Unternehmen, Geschäften, Mietern oder Bewohnern – auch ein manchmal surrealer bis amüsanter Widerspruch aus »Titel« und »Inhalt«. In diesem Gebäude in Hildesheim z.B. befindet sich unter dem Dach des einstigen Reformhauses mittlerweile – ein Kiosk.



08.12.2023

Das heutige Fundstück stammt diesmal aus Berlin, wo ich mich häufig aufhalte und bei der An- und Abreise jedes Mal am Treptower Park am Portal des »Sowjetischen Ehrenmals« vorbeikomme. Die deutsche Version der dortigen Inschrift weist – mal völlig abgesehen von den politischen und zeitgeschichtlichen Aspekten des Bauwerks, seiner Errichtung sowie dem Wortlaut und Inhalt der Inschrift – zwei typographische Details auf, die mir jedes Mal auffallen.

Eigentlich gehören in Stein gemeißelte Inschriften mit zu den langlebigsten Arten, die es gibt, um schriftliche Botschaften zu hinterlassen und somit auch, einem Text typographisch Form zu geben. Da ist es im Allgemeinen üblich, dass sich die Urheber und ausführenden Steinmetze besondere Mühe geben, die Schrifttype sorgfältig auswählen, vielleicht sogar eigens eine Schriftart entwerfen, die Zeilen und Buchstaben ästhetisch anordnen, auf Abstände achten und den Zeilenumbruch behutsam takten. Denn das, was dort eingraviert wird, wird meist noch nach Jahrzehnten von nachfolgenden Generationen zu lesen sein.



Hier jedoch wurden die Lettern des Wortes UNABHÄNGIGKEIT, um noch in die Zeile passen zu können, fast brachial zusammengeschoben und in der folgenden Zeile sogar – was bei gemeißelten Texten meines Wissens eigentlich als Fauxpas gilt – das Wort HEI-MAT in der Mitte getrennt und in eine neue Zeile umbrochen.



Ich frage mich, was wohl der Grund dafür war. Hast oder Zeitdruck bei der Anfertigung? Unkenntnis, Unwille, Gleichgültigkeit oder Unvermögen? Eine Order »von oben«, der nicht zu widersprechen war?

Vielleicht kann ja einer der Leser hier noch Details zu diesem vermeintlichen handwerklichen Makel beitragen oder womöglich gibt es ja auch anderswo noch steinerne Inschriften, in denen ohne Bedenken Worte getrennt oder ähnlich grenzwertig spationiert wurden.

01.12.2023

Das typographische Fundstück der Woche begegnete mir diesmal ursprünglich auf dem Social-Media-Portal Mastodon. Es war eine alte Zigarettenreklame der Münchner Marke »Zuban« aus dem Jahr 1950¹ und mein Auge blieb sofort an den famosen Buchstabenformen hängen: das alte Lang-s, das kleine r mit dem schwebenden Punkt und vor allem das wunderschöne verschlungene w. Die Schriftart erinnert frappant an die schmale Type der Konkurrenzmarke Marlboro, deren Siegeszug allerdings erst Mitte der 1950er Jahre begann.



Bei der Recherche nach anderen Werbemotiven der Marke fanden sich dann weitere Varianten der Reklame und des Slogans, zumeist in rot-weißer Farbgebung². Das lange s wurde später offenbar ersetzt durch ein herkömmliches. In der Schreibweise unten im Bild ist es zumindest noch im »gestern« erhalten, dazu ein elegantes Anführungszeichen am Ende.


Um das Jahr 1960 verlieren sich die Spuren der Marke im Internet, vermutlich weil Konzerne wie Reemtsma und Philip Morris begannen, den Tabakwarenmarkt auch in Deutschland zu dominieren.

1 ➡️ https://mastodon.social/@die_reklame/111453697743969485

2 ➡️ https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/LLYK6HQYS3V76D2DMIZNYRIV6VUXEMSL

17.11.2023

Das typographische Fundstück der Woche ist diesmal ein Screenshot aus Staffel 04, Folge 17 der Kultserie »Mit Schirm, Charme und Melone« aus dem Jahr 1966. Die Folge heißt »Mrs. Peel, zum ersten, zum zweiten, zum dritten« (»The Girl From Auntie«) und darin spielen neben Mrs. Peel und Mr. Steed diesmal ein Strickclub, ein dubioser Kunstauktionator und eine mörderische alte Dame eine Hauptrolle. 



Was in dieser Serienfolge mein Interesse geweckt hat, sind die Schilder an der Eingangstür sowohl des Strickclubs als auch des Kunsthändlers. Sie sind in einer Schrift gehalten, die aussieht wie eine »klassizistischen Antiqua« (die bekannteste Schriftart aus dieser Gattung heißt »Bodoni«), aber sie besitzt nicht die typischen feinen Endstriche (»Serifen«) – als ob jemand diese für die Beschriftung nachträglich entfernt hätte. Zusammen mit dem ungewöhlichen gerundeten »A« sorgt dies für einen interessanten und avantgardistischen Look und würde auch heute noch modern wirken (sieht man einmal von den seltsam unregelmäßigen Buchstabenabständen am Ende der Beschriftung ab).



Ich konnte bei meiner Recherche keine aktuell erhältliche Schrift finden, die der auf diesen Schildern exakt entspricht. Es gibt zwar eine Schriftart namens »Bodoni Sans« ohne solche Serifen, aber auch die sieht merklich anders aus und wurde zudem erst 2014 vom Schriftdesigner Jason Vandenberg entworfen.



Der Ursprung und der Name der Schriftart werden daher wohl genauso mysteriös bleiben wie die zahlreichen Fälle der beiden berühmten britischen TV-Agenten … 😎

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