verknallt in Schrift und Buchstaben

Kategorie: Antiquitäten (Seite 7 von 10)

Von Vintage über historisch bis antik, in Stein gemeißelt, gemalt, als Relief oder traditionell gedruckt – in dieser Kategorie landet alles, was garantiert schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat.

10.05.2024

Das Fundstück von heute stammt ebenfalls wieder aus dem direkten Umfeld meines Wohnviertels. Wer noch die Ära der Röhrenfernseher erlebt hat, erinnert sich sicherlich, wie wichtig ein Fernseh-Reparaturdienst damals war, wenn das geliebte und oft genutzte Gerät kurz vor einer sehnsüchtig erwarteten Sport- oder Krimi-Ausstrahlung den Geist aufzugeben drohte. Der Fernsehmechaniker, der nach dem »Notruf« dann schnellstmöglich zum Hausbesuch vorbeikam, war der Superheld der geretteten Abendunterhaltung.



Auch in Berlin sehe ich oft von der südlichen Ringbahnschleife aus am Tempelhofer Feld ein großes Werbemotiv für Jäger, den ehemals größten Fernsehreparaturdienst der Hauptstadt, an einer der Häuserwände neben der Bahntrasse: »Fernsehkummer? Jägernummer!«. Diese Zeiten sind inzwischen vorbei. Die heutigen und günstigeren Geräte haben eine weniger anfällige Technik, aber auch eine insgesamt kürzere Nutzungsdauer. Ist das preiswerte Gerät defekt, wird oft gleich ein neues angeschafft, anstatt es reparieren zu lassen – sofern eine Reparatur der oft fest verklebten Elektronik überhaupt möglich ist.

Das Einsatzfahrzeug im Bild samt seiner Beschriftung stammt wohl ebenfalls noch aus dieser glorreichen Röhrenfernseher-Ära, denn der abgebildete VW Transporter T3 wurde von 1979 bis 1992 produziert. Besonders gefällt mir neben der Farbkombination grün-gelb die dynamische Schreibschriftzeile mit ihrer ungewöhnlichen, oben offenen »e«-Form. Ich habe das Fahrzeug digital ein wenig aufpoliert, um dem früheren Glanz Rechnung zu tragen. 😉 


Das Elektrogeschäft existiert übrigens nach wie vor (Update, 30.08.2025: Es hat Ende August 2024 geschlossen – der Inhaber ist in den Ruhestand gegangen), ein klassischer kleiner Einzelhandelsladen mit reich bestücktem Schaufenster und einem Angebot vom Radio übers Bügeleisen bis zum Gefrierschrank. In Zeiten von Media Markt und Online-Elektronikshops eine kleine Rarität.



VW Transporter T3: 


➡️ https://de.wikipedia.org/wiki/VW_T3

Gedenkseite für den Fernsehdienst Jäger:


➡️ https://www.jaeger-fernsehdienst.de/

03.05.2024

Als Hamburger mit Zugriff auf den gut getakteten ÖPNV besitze ich kein Auto und lege meine Wege innerhalb der Stadt zu Fuß, mit dem Rad oder Bus & Bahn zurück. Meine Erfahrung daraus ist: Ich sehe dadurch mehr von der Stadt, was mir auf Autofahrten entgangen wäre. Fahrten mit dem Auto innerhalb der Stadt sind meiner Meinung nach viel stärker fokussiert auf Start- und Zielpunkt. Auf der Wegstrecke von A nach B muss man sich als Fahrer auf den Verkehr konzentrieren oder beschäftigt sich anderweitig durch Musikhören oder Gespräche mit Beifahrer*innen. Ein Parkplatz wird meist möglichst nah an der Anfangs- und Endposition gesucht, sodass längere Fußwege zwischen Fahrzeug und Destination meist entfallen. Die Fahrstrecke an sich ist oft ein nebensächliches, notwendiges »Übel«.



Beim Radfahren und insbesondere beim zu Fuß gehen habe ich eine ganz andere Wahrnehmung. Ich bewege mich mit gemächlicherem Tempo, habe mehr Gelegenheiten zum Betrachten der Umgebung und mehr Muße, die zurückgelegte Strecke selbst als Teil meines Weges zu erleben. Ich kann auch mal in Sackgassen, auf Schleichwege, schmale Gassen und Seitenstraßen ausweichen und komme an Orten vorbei, die mir mit dem Auto nicht zugänglich wären oder verborgen blieben. Das gefällt mir.



Auf einem kleinen Einkaufsstreifzug in der Mittagspause entdeckte ich so fußläufig die beiden »Typographischen Fundstücke« dieser Woche: die Sockelbeschriftung der Brücke am »Ring 2« über die Fuhlsbüttler Straße (die Graffiti wurden zugunsten des Fokus auf das Hauptmotiv entfärbt) und eine Gebäudebeschriftung oberhalb eines durchfahrbaren Portals in einem Wohnblock.



Auch dafür kann »Entschleunigung« im Alltag gut sein. 🙂 🔠 



19.04.2024

Dieses Fundstück stammt diesmal von einem Ort 24 m unter der Erde: aus dem Alten Elbtunnel (St. Pauli Elbtunnel) in Hamburg, der im Jahr 1911 eröffnet wurde. Neben den zahlreichen wunderschönen Kacheln mit dreidimensionalen Abbildern verschiedener Meerestiere des Keramikers Otto Gottlieb Hermann Perl (1878–1967) finden sich dazwischen auch einige Keramikschilder, die mit einer interessanten kunstvoll-kantigen Schrift ausschließlich in Großbuchstaben über technische Details des Tunnels informieren. Ob Herr Perl auch für die Gestaltung dieser Beschriftungen verantwortlich war, konnte ich leider nicht herausfinden.



Den Stil dieser Schrift würde man aus heutiger Sicht wahrscheinlich als »Art Déco« bezeichnen, es gibt in den Proportionen und bei den Buchstabenformen deutliche Ähnlichkeiten zu vielen kommerziell erhältlichen Fonts aus der betreffenden Epoche (ca. 1910–1930) wie z.B. »ITC Willow« oder »VLNL Melk« (Links zur Ansicht: s.u.). Erstgenannte wurde vor einigen Jahren in einer modifizierten Variante als Titelschrift der TV-Serie »American Horror Story« genutzt, die zweitgenannte basiert auf den Buchstaben einer Wandinschrift am Gebäude der historischen Molkerei »De Sierkan« in Den Haag. 



Als käuflichen Font konnte ich die Elbtunnelschrift zwar nicht ausfindig machen, aber der Schriftgestalter Peter Wiegel aus Wolgast hat sie – wohl ebenfalls nach einem Besucht des Alten Elbtunnels – als komplettes Alphabet umgesetzt, dazu fehlende Lettern ergänzt und stellt sein Werk im TrueType-Format unter einer Creative-Commons-Lizenz zur Verfügung.

Wieder was gelernt! 🙂🔠 



FontITC Willow:
➡️ https://www.myfonts.com/de/collections/willow-font-itc

American Horror Story:
➡️ https://de.wikipedia.org/wiki/American_Horror_Story

VLNL Melk:
➡️ https://www.myfonts.com/de/collections/vlnl-melk-font-vetteletters

Molkerei De Sierkan:
➡️ https://shie.nl/bedrijven/sierkan-de-melkinrichting-1878/

Elb-Tunnel Font:
➡️ https://www.peter-wiegel.de/ElbTunnel.html

12.04.2024

Und noch ein letzter Schnappschuss aus dem inzwischen vergangenen Osterurlaub: Diesmal kommt das typographische Fundstück der Woche aus dem pittoresken Städtchen Saarburg. Diese schöne Retro-Ladenfassade mit dem klassischen Neonschriftzug, vermutlich aus den späten 1950er oder frühen 1960er-Jahren wollte ich meiner LinkedIn-Followerschaft nicht vorenthalten. 🙂

29.03.2024

Aus Feiertagsgründen mache ich heute mal kein neues Themenfass beim typographischen Fundstück der Woche auf, sondern lege einfach noch mal zwei ganz frisch geknipste Motive zum Thema der letzten Woche, Bahnhofsbeschriftungen, nach. Beide Fotos entstanden entlang von Bahnstrecken im Moselland, in der Nähe von Trier und Bitburg.



Das obere Foto zeigt sehr schön, wie es aussieht, wenn Beschriftungen aus mehreren Epochen nebeneinander an Bahngebäuden überdauern. Das untere gefiel mir vor allem aufgrund des einen fehlenden (aber doch noch präsenten) Buchstabens und der schönen gelben Farbpalette.



Ich wünsche allen schöne Ostern!



22.03.2024

Wer kennt sie nicht – die typischen Stationstafeln der Deutschen Bahn in Nachtblau (RAL 5022) mit der weißen Schrift (»Deutsche Bahn WLS«) an nahezu allen deutschen Bahnhöfen? Laut Wikipedia begann ihre Einführung Ende der 1990er Jahre und die ersten so beschilderten Stationen waren Westerland und Aschaffenburg Hbf.



Doch an vielen kleineren Regionalbahnhöfen findet man zusätzlich immer noch Überbleibsel aus den Jahrzehnten vor dieser Vereinheitlichung. Da ich an Wochenenden und im Urlaub oft mit der Bahn Reisen und Ausflüge unternehme, fange ich auch diese Relikte der Eisenbahngeschichte gerne für meine Sammlung typographischer Fundstücke ein. Und so habe ich aus meiner Sammlung für heute mal einige Beispiele zusammengestellt. Gerade das Deutschlandticket bietet ausgiebige Gelegenheit, Strecken zu befahren, an denen man danach Ausschau halten kann – an verfallenen, nicht mehr genutzten Stationsbauwerken, an versteckten Seitenfassaden oder auch, parallel zur aktuellen Beschilderung, an den weiterhin betriebenen Bahnhofsgebäuden.

Es gibt viel zu entdecken!



15.03.2024

Pfingsten 2021, gegen Ende Mai, war das Alltagsleben noch spürbar von den Begleiterscheinungen und Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. Doch offenbar konnte man zumindest schon wieder mit der Bahn fahren, denn am Pfingstmontag (dem Entstehungsdatum des Fotos) entstand während einer Wanderung mit Regionalzug-Anreise im Umland des Städtchens Trebbin südlich von Berlin, das aktuelle typographische Fundstück der Woche. 



Was mir daran gefällt, ist die Sichtbarwerdung eines Teils der Historie des Gebäudes. Hier wurden die hellen Farbschichten, mit denen die aufeinanderfolgenden gewerblichen Beschriftungen zur Übermalung abgedeckt werden sollten, im Laufe der Zeit teilweise wieder abgetragen und die unterschiedlichen dunkleren Schriftzüge reagierten anders auf die Verwitterung und kamen wieder zum Vorschein. Das Gebäude beginnt »zu sprechen« und solche im Wortsinne vielschichtigen Schriftzeugnisse bringen mich immer wieder zum Nachdenken über die Menschen und ihr Alltagsleben, das an diesem Ort einst stattfand.

08.03.2024

Das heutige Fundstück ist diesmal ein fotografisches Mitbringsel aus Galway in der Republik Irland, entdeckt im September 2015 und – abgesehen von den schönen nostalgischen handgemalten Schriftzügen – ein amüsantes Schaustück dafür, wie »Cross-Promotion« vielleicht in der Prä-Internet-Ära funktioniert hat. Der Schildermaler und Schriftkünstler macht Passanten auf den Instrumentenbauer nebenan sowie auf dessen Kursangebot aufmerksam und vice versa. Ob diese interessante gegenseitige Zielgruppenansprache tatsächlich funktioniert hat, die die beiden womöglich befreundeten Ladeninhaber bei einem gemeinsamen Pint Guinness hätten ausgeheckt haben könnten, ist mir jedoch leider nicht bekannt. 😁



01.03.2024

Schon einige der hier geposteten Fotos aus meiner Serie »Typographisches Fundstück der Woche« kamen aus anderen Städten wie Berlin, Eisenach, Kopenhagen oder Trier. Vor ein paar Tagen konnte ich tatsächlich in der direkten Umgebung meines Homeoffice ein kleines Schmuckstück ablichten, angebracht an der Fassade eines der typischen dunkelrotbraunen Hamburger Klinkerhäuser. Und da steht einfach nur »Friseur« – nicht »Haarmonie«, »Föhnix«, »Kamm M. Bert« oder »Lockführer«.



Sollte die Ära der exzentrischen Namenskalauer für Friseursalons irgendwann enden, wäre ich nicht traurig, würde sie einer Phase ästhetischer und ausgefallener Schriftzüge weichen. Wobei – das eine schließt ja das andere nicht aus … 😉 ✂ 🔠 💡



23.02.2024

Das neueste typographische Kleinod stammt diesmal von einem fotografischen Streifzug durch Kopenhagen im November 2022. Ob diese beiden Schriftzüge zu ihrer Zeit gemeinsam für dasselbe Gewerbe warben oder für zwei getrennte Unternehmen, vermag ich nicht zu sagen. Ein »Frøhandel« jedenfalls dürfte ein Samen- oder Saatenhändler gewesen sein. Ich habe schon in einigen Städten Europas solche schönen handgemalten historischen Hinweise auf Geschäfte oder Unternehmen entdeckt, unter anderem in Edinburgh, Meißen und Göttingen und freue mich immer wieder, wenn gerade diese nur dünn auf Putz gepinselten Zeugnisse der Vergangenheit alle Wetterunbill, Renovierungen, Neuanstriche und Änderungen durch nachfolgende Gewerbetreiber bis heute überdauern konnten.

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