Von Vintage über historisch bis antik, in Stein gemeißelt, gemalt, als Relief oder traditionell gedruckt – in dieser Kategorie landet alles, was garantiert schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat.
Heute halte ich Euch beim typographischen Montagsbonbon gleich die ganze Tüte zum Zugreifen hin, denn auf andere Weise wird mein Berg an Freiburg-/Basel-Fundstücken ansonsten niemals kleiner. Infos zu den Geschäften und Betrieben habe ich diesmal nur wenige recherchiert – nehmt es heute einfach als nostalgisches Bilderpotpourri »nur« zum Anschauen. 🤩 🤓 🔠
Links: Ladengeschäft des Berufsbekleidungsgeschäfts Carl-Friedrich Enge, gegründet 1865. Rechts: Schaufenster/Eingangsportals der Metzgerei & Partyservice Kindle, gegründet 1958.Oben: Leuchtreklame des ehemaligen Souterrain-Kinos »Studio Central« in Basel, eröffnet 1956. Das zweitältestes Kino der Stadt wurde 2020 geschlossen. Mitte: Geschäft des Freiburger Schuhhauses Kocher, seit 1956 ansässig an der heutigen Adresse, gegründet bereits 1885 vom Ur-Ur-Großvater des heutigen Inhabers. Unten: Fachgeschäft Isele für Stempel, Schilder und Gravuren in Freiburg, 1926 vom Graveur Franz Isele gegründet und nach der Zerstörung des Ladens 1944 im 2. Weltkrieg an neuer Adresse wiedereröffnet.
Ich finde, das Deutschlandticket (mal abgesehen von der ebenso quälenden wie kontraproduktiven politischen Preisdiskussion) ist eine großartige Sache. An den meisten Orten, an denen ich mich aufhalte, wird Mobilität dadurch für mich quasi zum »No Brainer«. Ich muss nur bei wenigen, spärlicher getakteten Verkehrsmitteln die Abfahrtzeiten kennen, ansonsten genügt es, zu einer passenden Haltestelle zu gehen und los geht’s. Es ist wie Licht anknipsen oder den Wasserhahn aufdrehen. Ich muss mich nicht um Versicherungsprämien, eine Pannenhilfe-Mitgliedschaft, Inspektionen, Reparaturen, Benzinpreise oder mühselige Parkplatzsuche kümmern. Famos!
Somit nutze ich auch an Reisezielen zur Fortbewegung fast nur den ÖPNV. Oft schaue ich in oberirdisch verkehrenden Bahnen oder Bussen während der Fahrt aus dem Fenster. Auch dabei fallen mir gelegentlich typographische Besonderheiten im Straßenland ins Auge, nur meistens reicht die Zeit dann leider nicht, um spontan ein Foto zu schießen. Aus dem Fenster einer Freiburger Tram entdeckte ich auch das Fundstück des heutigen Beitrags. Ich war gerade kurz zuvor erst eingestiegen und somit lag der Ort der Sichtung nah genug an meiner »Homebase«, um am nächsten Tag noch einmal zu Fuß dorthin zu gehen und das Objekt des Interesses in Ruhe fotografieren zu können.
Der dynamische Namenszug im Zentrum der Beschilderung atmet für mich eindeutig den Charme der 1950er Jahre. Die umgebende gelb-orangefarbene »Klammer« hingegen würde ich farblich und stilistisch eher irgendwann in den 1970er Jahren ansiedeln. Dieses Formelement erinnerte mich sofort an das Logo des einstigen Lebensmittel-Discounters »Plus«, welches von 1972 bis zur Übernahme der Filialen durch Tengelmann und Edeka im Jahr 2010 im Einsatz war (auf der Website plus-sammlung.de ist dessen Evolution übrigens sehr schön dokumentiert).
Das zuletzt genutzte Logo der von 1972 bis 2010 existierenden Plus Warenhandelsgesellschaft mbH. Quelle: Wikimedia Commons | Lizenziert unter CC BY-SA 4.0
Die Schriftart, die sich perfekt mit der Kennzeichnung »Chemische Reinigung« links und rechts des Logos in Deckung bringen ließ, ist die »Neue Helvetica Extended Bold«, die allerdings erst 1983 als Mitglied der ausgebauten und neu gestalteten Schriftfamilie »Helvetica Neue« erschien (D. Stempel AG /Linotype).
Damit wären wir für das Entstehungsjahr der Beschilderung in den frühen bis mittleren 1980er Jahren. Diese ungefähre Zeitspanne wird auch untermauert durch öffentlich einsehbare Firmendaten: Bis etwa 1979 firmierte das 1954 gegründete Unternehmen (zeitlich passend zum Stil der Wortmarke) unter dem Namen »Dr. Elisabeth Mohr Chemische Reinigung, Freiburg«, ab dann wurde es zur »Dr. Elisabeth Mohr Chemische Reinigung GmbH, Freiburg« (Quelle: North Data). Womöglich gönnte sich das Unternehmen im Anschluss daran eine neue Ladenbeschilderung.
(Beim ersten Lesen des Doktortitels auf dem Schild hatte ich übrigens intuitiv als Gründer bzw. Inhaber einen älteren Herrn mit graumelierten Haaren, Brille und weißem Kittel vor meinem geistigen Auge. Falsch assoziiert – der Doktor war eine Frau! Mal wieder ein Beweis dafür, wie männlich geprägte Sprache das Denken manipuliert. Aber das nur am Rande.)
Für das Schreibschrift-Logo habe ich erst gar nicht nach einem formal verwandten Font gesucht, dieses wurde mit Sicherheit extra für das Unternehmen entworfen. Am besten gefällt mir daran das freche »Dach« des o. Ein interessantes Detail ist auch, dass beim »Dr« der Punkt weggelassen wurde – eine Schreibweise, die eigentlich dem britischen Englisch entstammt.
Wie ich weiter herausfand, war das Unternehmen in der Region einst überaus erfolgreich. Es bot in seinen besten Zeiten zu Beginn der 80er-Jahre 90 Mitarbeitern in 35 Filialen einen Arbeitsplatz und war laut dem späteren Betreiber Ekkehard Mohr zeitweise »die größte Textilreinigung zwischen Karlsruhe und Basel« – also prinzipiell in der gesamten Schwarzwaldregion. Mit dem Aufkommen pflegeleichter Kleidung, moderner Waschmittel und der fortschreitenden Ausstattung privater Haushalte mit Waschmaschinen und Bügeleisen jedoch ging es mit der Branche stetig bergab. Bis Anfang der 2000er Jahre sank die Anzahl der Filialen auf 12 und die Zahl der Beschäftigten auf 40. Zum 31. Juli 2003 stellte das Unternehmen den Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen ein (Quelle: Badische Zeitung). Die Annahmestelle auf meinem Foto ist nach wie vor in Betrieb und als einer von mehreren Standorten auf der Website der Firma »Plank Textilpflege« gelistet, welche laut ihrer Firmenchronik diese Filiale unmittelbar im Jahr der Geschäftsaufgabe übernahm.
Dass die inzwischen seit 22 Jahren eigentlich nicht mehr aktuelle Ladenbeschilderung bis heute an der Fassade verblieben ist, spricht vielleicht für den guten Ruf sowohl des ehemaligen als auch des heutigen Unternehmens, für das sich unter dem aktuellen Namen »Mohr Plank Reinigung« bis heute im Netz beste Bewertungen finden. 🤓 🔠 👔 🧺
Wie regelmäßige Mitleser vielleicht schon bemerkt haben, sind viele meiner Fundstücke in der Kategorie »Reisefunde« einsortiert. Ich reise gerne und oft. Die Möglichkeit, die Option Homeoffice zu nutzen, gibt mir die Freiheit, auch außerhalb meiner verfügbaren Urlaubstage bisweilen unterwegs oder an Kurzreisezielen zu arbeiten – Hauptsache, der Arbeitsort bietet einen verlässlichen Internetzugang.
Was ich immer wieder feststelle, ist, wie groß der Einfluss der Jahres- und Tageszeit bzw. des Wetters sein kann, wenn ich Ausflüge zu einem bestimmten Ort unternehme. Natürlich ist es immer begrüßenswert, wenn es nicht regnet, solange ich draußen unterwegs bin. Aber z.B. den Prager Friedhof Vyšehrad an einem nebligen Tag im Spätherbst zu besuchen, ist um vieles stimmungsvoller als dies an einem sonnigen Sommertag zu tun. Manchmal wird die Atmosphäre an historischen Orten erst durch Licht, Wind, Wolken und Wetter richtig perfekt.
Genau so ein Erlebnis hatte ich Mitte Oktober, als ich von Freiburg aus einen Tagesausflug anlässlich eines klassischen Konzerts nach Donaueschingen machte. Das Wetter war wolkenverhangen, Herbstlaub wurde vom Wind durch die Parks getrieben, es regnete zwar nicht, aber der dräuende Himmel hielt anscheinend etliche Touristen in den Häusern, sodass die Straßen und Wege während meines längeren Spaziergangs, den ich vor dem abendlichen Musiktermin unternahm, deutlich leerer als erwartet waren.
Eine der Sehenswürdigkeiten auf meiner Erkundungstour war die Donauquelle in Donaueschingen. Sie liegt in Form eines kreisrunden, eingefassten Beckens am Rande des Schlossparks in einem vertieften Rondell, das über eine Treppe zugänglich ist. Normalerweise – das ist auch auf vielen Fotos im Internet zu sehen – drängeln sich an und um diesen Ort Trauben von Menschen. Doch am Tag meines Besuches waren es nur vereinzelte Grüppchen. Der graue Oktoberhimmel und die schon spürbare frühe Abenddämmerung verliehen dem Ort eine Atmosphäre wie in Thomas Manns »Zauberberg«. Auf der Oberfläche des Beckens trieb gelbes und braunes Laub, das kühle Tageslicht tönte das Bassin leuchtend türkis. Alles fügte sich zur perfekten Stimmung zusammen.
Gegenüber dem Treppeneingang, unter einer Skulpturengruppe genau auf der Westseite des 1875 von Fürst Karl Egon III. errichteten Rondells, ist eine steinerne Tafel mit einem gemeißelten Relief des Wortes »DONAUQUELLE« angebracht. Auf der Südseite befindet sich eine Tafel mit der Inschrift »Über dem Meere 678 Meter« und am nördlichsten Punkt eine weitere, auf der »Bis zum Meere 2840 Kilometer« zu lesen ist.
»Über der Donauquelle wacht die ›Mutter Baar‹ in einer 1896 durch Adolf Heer geschaffenen Skulpturengruppe. Sie weist ihrer Tochter, der Jungen Donau, den Weg in Richtung Osten.«
Und eine dieser Steintafeln ist es, die ich von meinem herbstlichen Ausflug heute als typographisches Fundstück mitbringe. Die kantigen, schmalen Lettern erinnern auf den ersten Blick an etliche bis heute populäre Schriftarten, wie etwa die »Compacta« (Fred Lambert, jedoch erst deutlich später [1963] erschienen bei ITC/Letraset) oder »Edel Grotesk«/»Wagner Grotesk« (Johannes Wagner, 1914 bei Wagner & Schmidt), eine Variante letzterer ist die »Aurora«. Bei näherem Hinsehen jedoch fallen einige Details ins Auge, die auf eigens gestaltete Buchstabenformen hindeuten – so etwa bei der hier abgebildeten Tafel die als z gespiegelte Form des s, das u ohne Endstrich unten rechts (abweichend zu m und r oben links) oder der etwas aus dem formalen Rahmen fallende, hakenförmige untere Abschluss des t. Vermutlich war der Bildhauer Franz Xaver Reich, der die dekorativen Ornamente rund um die Quelle schuf, auch verantwortlich für die Anfertigung der Inschriften.
Ich mag auch das – gewiss zur damaligen Zeit übliche – e am Ende des »Meere«. Ich finde, das Wort klingt dadurch irgendwie sehnsuchtsvoller, grenzenloser und abenteuerlicher, als wenn es, wie heute, schon mit dem r endete. Und es weckt in mir gleich schon wieder Lust auf die nächste Reise. 🤓 🔠 ⛲️ 🧳
Nochmal Freiburg. Das typographische Fundstück dieses Freitags, erneut aus der dortigen Innenstadt, lenkte meinen Blick abends im Dunkeln auf sich, da es erstens hell erleuchtet war und zweitens noch ein intakter, echter Neon-Schriftzug ist. Cyanblauer Leuchtkasten, weiße Schrift, klare und schlichte Versalien – die Optik gefiel mir sofort.
Schön fand ich auch, dass man hier in voller Beleuchtung sehr schön sehen kann, welche Kunstgriffe beim Formen und Biegen der gläsernen Leuchtröhren angewendet werden mussten, damit die Buchstaben einerseits lesbar und ästhetisch blieben und andererseits jeweils pro Letter »wie in einem Zug gezeichnet« angefertigt werden konnten. Dies geschieht ja sogar in mehreren Ebenen. Die Neonröhre jedes Zeichens tritt zunächst senkrecht aus dem Leuchtkasten nach vorne heraus und vollzieht dann einen 90-Grad-Knick zur eigentlichen Form des Buchstabens. Bei A, B, E, F, H und T erfordert die Form des Zeichens zusätzlich noch weitere Kniffe, um die Querstriche ohne Unterbrechung realisieren zu können. Das erscheint mir um so herausfordernder, je kleiner die Schriftgröße der Lichtreklame ist.
Am Folgetag ging ich erneut den kurzen Weg zurück zur Fundstelle, um das Schild erneut, aber im Hellen und ohne Beleuchtung zu fotografieren. Nun liegen die kurzen »Zubringer-Abschnitte« der Buchstaben, die nach hinten in den Kasten laufen, im Schatten und die von vorn vom Tageslicht beschienenen Buchstaben stehen optisch klar im Vordergrund.
Welche Schrift mag nun für diese Leuchtwerbung als Vorlage gedient haben? Das innen offene R und das vergleichsweise breite C ließen mich sofort an die »Avant Garde« denken, ein Klassiker der 1970er Jahre, entworfen zwischen 1970 und 1977 von dem berühmten Schriftgestalter Herb Lubalin für den Schriftenhersteller ITC. Aufgrund der vergleichsweise schmalen Buchstaben versuchte ich zunächst, die Schrift in dem ähnlich proportionierten »Condensed«-Schnitt mit dem Schriftzug in Deckung zu bringen, aber bei C und S funktionierte dies nicht. Erst als ich die normal breite Variante nahm und sie auf 79% Breite skalierte (aua aua, macht man nicht, ich weiß), klappte es plötzlich ganz wunderbar.
Es konnte also gut sein, dass die Blütezeit des Erfolges dieser Schrift bis in die späten 1980er Jahre hinein auch in etwa mit der Anbringung des Leuchtkastens zusammenfiel. Das älteste online auffindbare Foto, auf dem die Leuchtkästen zu sehen sind, stammt (geschätzt anhand des darin beworbenen Filmprogramms) aus dem Jahr 2004. Ich recherchierte weiter.
Direkt neben dem Eingang zum Kino befindet sich ein weiterer Leuchtkasten in derselben Ausführung mit dem Neonschriftzug »CAFÉHAUS«. Vielleicht ließ sich ja darüber das Alter der Schriftzüge ergründen. Und siehe da:
»Der Freiburger Friedrichsbau liegt an der Kaiser-Joseph-Straße. Erbaut wurde er in zwei Abschnitten 1906 und 1910. Es waren schon von Beginn an ein Kaffeehaus, Säle, Läden und Wohnungen darin untergebracht. (…) 1987 wurden im Zuge einer umfangreichen Sanierung nach wechselvoller Geschichte die ursprüngliche Funktion und das frühere Aussehen soweit möglich wiederhergestellt. Dabei fanden neben einem Kino auch wieder ein zweigeschossiger Saal, ein Tagungszentrum und ein Kaffeehaus ihren Raum, womit aufs Neue Kaffeekultur in den Neorenaissance-Bau einzog.«
Damit war (sehr wahrscheinlich) auch dieses Rätsel gelöst, denn es liegt nahe, dass im Zuge der Wiedereröffnung des Cafés auch die Beschilderung dafür angebracht worden war. Das Kino selbst hingegen ist noch wesentlich älter.
»Die Friedrichsbau-Lichtspiele wurden am Ostersonntag, dem 16. April 1911 eröffnet und sind mit über 112 Jahren eines der fünf ältesten Kinos Deutschlands noch aus der Gründerzeit.«
Dabei stand die Existenz des Lichtspielhauses vor gerade einmal zwei Jahren kurz vor ihrem Ende. Erst eine Crowdfunding-Kampagne und weitere finanzielle Zuschüsse von Bund und Ländern ermöglichten einen Umbau und den Fortbetrieb.
Im Zeitalter von Heimkinoanlagen, fast leinwandgroßen Flatscreen-Fernsehern, DVDs/Blu-Rays und Streamingplattformen haben Kinos es zunehmend schwer. Wann wart Ihr zuletzt im Kino? Ich musste nachdenken – obwohl ich gern und oft Filme schaue, ist es bei mir auch schon wieder fast ein Jahr her, dass ich in einem Kinosessel saß. 🤓 🔠 📽️ 🍿😔
Kennt Ihr diese alten, traditionsreichen Läden für Schuhe, Spielwaren oder Haushaltswaren, bei denen die Schaufensterdekoration das komplette Gegenteil einer Edelboutique wie Prada oder Louis Vuitton ist? Wo nicht auf 4 Metern Fensterfront auf spartanischen Warensockeln ein, zwei Paar Schuhe oder Handtaschen stehen, sondern das gefühlt komplette Sortiment in die Auslage gepackt wurde? Ich liebe sie, und je diverser das Sortiment ist, desto neugieriger bin ich, so einen Laden zu betreten und in den Regalen zu stöbern.
Genau so einen Laden entdeckte ich am Ankunftstag meiner Reise nach Freiburg, in direkter Nachbarschaft zur bezogenen Unterkunft. »Oh!«, dachte ich, »Die haben bestimmt so ein Pilzmesser, nach dem ich gerade suche!« – und zwar ein kleines, stabiles Klappmesser mit einer leicht gebogegen Klinge, jedoch unter 5 cm Länge, um die (aus meiner Sicht fragwürdigen) jüngst eingeführten Waffenkontrollzonenvorschriften in Großstädten wie Hamburg und Berlin zu umgehen und einer Konfiszierung meines Natur-Ausflugszubehörs vorzubeugen. Und siehe da, sie hatten eins.
Schon vor dem Kauf stand ich längere Zeit vor dem Schaufenster, sah mir das bunt gewürfelte Angebot an und bemerkte natürlich auch die teilweise schon recht verwaschenen Schriftzüge, die mit weißer Farbe von innen auf die Scheiben aufgetragen worden waren und über die Jahre (oder Jahrzehnte?) durch die notwendige Fensterpflege sichtlich gelitten hatten. Da musste natürlich ein Foto für meine Sammlung geknipst werden.
Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1925, hat also in diesem Jahr ein sattes 100jähriges Jubiläum zu feiern. Wann die Schrift auf die Scheiben aufgemalt wurde, war leider per Recherche nicht zu ermitteln.
»Der Eisenwarenladen Luitpold Bauer ist ein unwahrscheinliches Geschäft. Dem Siegeszug der Baumärkte hat er genauso getrotzt wie dem Ladensterben in der Innenstadt. Nun feiert der Traditionsladen 100-Jahr Jubiläum. (…) Übers Jahr seien etwa die Hälfte ihrer Kunden Touristen, die andere Hälfte Freiburger. Die einen wollen Mitbringsel, die anderen kommen wegen eines konkreten Problems. Die Rückmeldungen seien gut, teils sogar hymnisch. Touristen seien begeistert, dass es solch einen Laden gibt, Freiburger freuten sich, dass es den Laden immer noch gibt.«
Trotzdem habe ich natürlich wieder die Herausforderung angenommen, dem Ursprung der Beschriftung durch etwas typographische Detektivarbeit ein wenig näherzukommen. Dazu habe ich die verblassten Buchstaben zunächst vervollständigt, sodass sie besser erkennbar werden.
Der Name des Ladens, der Ende 2022 durch die ehemaligen Landschaftsgärtner Thomas Weisser und Nico Winterhalter übernommen wurde und sich somit aktuell nicht mehr im Familienbesitz befindet, ist in einer fetten Kursive mit teilweise verbundenen Buchstaben gesetzt, die ich gefühlt irgendwo zwischen den 1930er und 1960er Jahren verorten würde. Die auffallendsten Zeichen sind aus meiner Sicht das große und kleine L, sowie das d. Sehr wahrscheinlich wurde die Schrift – gewiss von einem professionellen Schildermaler – seinerzeit von Hand auf die Glasflächen aufgetragen, wie der erodierte Pinselduktus der Farbflächen erahnen lässt. Insofern war ich nicht überrascht, keine 100%ig übereinstimmende kommerzielle Schriftart dafür zu finden. Aber es gibt ein paar Favoriten, die für mein Auge eine recht ähnliche Anmutung (oder »look and feel«) haben.
Meine Auswahl an »Schriftverwandten« umfasst drei Fonts: Die »Splendor« (Ralph M. Unger, 1930 für Schriftguß AG, Dresden), die »Impuls« (Paul Zimmermann, 1954 veröffentlicht durch Johannes Wagner/Ludwig Wagner, VEB Typoart) und – bis auf die Großbuchstaben – die »Cochin Black Italic«. Georges Peignot entwarf die Grundform der Cochin um 1914 auf Basis von Kupferstichen aus dem 18. Jh. für das Pariser Schriftenhaus Deberny & Peignot. Später wurde die Schrift. u.a. von Matthew Carter und Sol Hess überarbeitet und z.T. ausgebaut und der Schriftenhersteller URW erweiterte die Schriftart (1995?) um den extrafetten kursiven Schnitt im nachfolgenden Bild. Die Zeitspanne für die vermuteten stilistischen Wurzeln der Werbeinschrift umfassen dadurch aber noch immer das weite Feld zwischen 1925 (dem Jahr der Geschäftsgründung) und ca. Mitte der 1950er Jahre.
Die zweite Zeile mit ihren kantigen, fast »techno-artig« wirkenden Buchstaben wirkt da schon weitaus moderner. Als optisch sehr ähnliche Schrift fiel mir sofort die »Serpentine« des US-Designers Dick Jensen ein, die er 1972 für die Visual Graphics Corporation entworfen hat. Sie läuft zwar nicht ganz so breit wie die Unterzeile auf dem Fenster, aber auch hier stimmt m.E. die Anmutung.
Ich persönlich neige zu der Annahme, dass der Schriftzug nicht ganz so alt ist wie das Unternehmen selbst, zumal ich auch nicht herausfinden konnte, seit wann das Ladengeschäft an der heutigen Adresse ansässig ist. Meine Hypothese ist, dass der obere Schriftzug bereits etwas nostalgisch wirkte, als die Bemalung des Fensters stattfand, dass die Unterzeile hingegen dem eher moderneren damaligen Zeitgeschmack entsprach – meine Schätzung liegt zwischen 1965 und 1975. Eine bereits im Gründungsjahr mit Farbe aufgetragene Beschriftung hätte zudem 100 Jahre regelmäßige Scheibenreinigung kaum in derart guter Verfassung überstanden.
Wer weitere Indizien hat, um das Alter der Schaufensterzeilen plausibel zu bestimmen oder es auch gänzlich anders einzuordnen, möge sich sehr gerne melden! 🤓 🔠
Update: Nachträglich kam noch ein interessantes Rechercheergebnis hinzu. Als ich noch weiter suchte, um das Eröffnungsdatum des Ladengeschäfts an der heutigen Adresse herauszufinden, fiel mir auf der rudimentären Website des Unternehmens auf, dass dort eine »modernere« Variante des Logos am Seitenkopf eingesetzt wird. Die Unterzeile erkannte ich sofort als die populäre »Science-Fiction-Schrift« mit dem Namen »Bank Gothic« (Morris Fuller Benton für ATF, 1930). Die Schreibschrift hingegen ist unter mehreren Namen in Umlauf: Die Ur-Version wurde offenbar vom deutschen Schriftgestalter Erich Mollowitz entworfen und von der Schriftgießerei J. D. Trennert & Sohn in Hamburg-Altona unter dem Namen »Forelle« herausgebracht. Ein zweiter Name für die gleiche Schrift, jedoch verlegt von der Schriftgießerei C. E. Weber im selben Jahr, ist »Rheingold«. 1954 interpretierte das britische Schrifthaus Stephenson Blake in Sheffield die Schrift und brachte sie in zwei Schnitten als »Mercury« und »Mercury Light« heraus. 2010 wurde die Schrift als »Forelle Pro« digitalisiert und ausgebaut von RMU (Ralph Michael Unger Typedesign) und kurz zuvor im Jahr 2007 hat auch der Designer Nick Curtis (Nick’s Fonts) seine Version davon veröffentlicht und nennt sie »Jaunty Gent«. Es gibt zwar noch einige andere freie und kostenpflichtige Versionen, aber die vorgenannten sind wohl die bedeutsamsten.
Diese neue Website-Version des Logos bestätigt m.E. die Vermutung, dass der Schriftzug nicht mit käuflichen Schriftarten erstellt wurde, so dass sogar die Inhaber mit einem nachempfundenen Entwurf online gehen mussten. Im Vergleich macht die »Forelle« einen guten Job, die unterkühlte Bank Gothic in der Unterzeile jedoch hat deutlich weniger Charme, finde ich.
Der intensivste Teil meiner popkulturellen musikalischen Prägung fand in den spannenden Jahren zwischen 1978 und 1998 statt. Das Aufkommen von elektronischer Musik und Synthiepop, die ungestüme Kreativität der Neuen Deutschen Welle und die treibenden Rhythmen von House Music, Trance und Techno gehörten ebenso zum Soundtrack meiner Zeit als Jugendlicher und Heranwachsender wie lässiger Soul oder melancholische Dark-Wave-Songs.
Und obwohl der Wechsel von Vinyl-Alben zu CDs ab Mitte der 1980er Jahre dazu führte, dass der Großteil meiner physischen Tonträgersammlung aus den digitalen Silberscheiben besteht und ich auch sehr darauf bedacht bin, meine privat angesammelten Besitztümer regelmäßig »auszumisten«, konnte ich mich von einem kleinen Kernbestand analoger Singles, Maxis und LPs bis heute nicht trennen. Als ich neulich in dem betreffenden Schrankfach wieder einmal darauf stieß, dachte ich: Jetzt schaue ich doch mal nach, ob ich darin nicht auch Zeugnisse damals angesagter Covergestaltung finde, die größtenteils nur mit Schrift umgesetzt wurden. Und siehe da – gleich bei den Singles fanden sich drei davon.
Diese drei Fundstücke sollen heute – ehe ich die reichlichen Fundstücke von meiner jüngsten Reise nach Basel und Freiburg verarbeite – die typographischen Montagsbonbons sein. Vielleicht erkennt ja der/die eine oder andere die Songs auf den abgebildeten Platten wieder oder erinnert sich an den Sound (und die Typo?) der eigenen musikalischen Adoleszenz.
Und demnächst schaue ich dann noch Maxis und LPs durch … 🤓 🔠 🎹
Meine »Educated guesses« bei der Identifikation der genutzten Schriftarten: Bild 1: Helvetica Inserat, Impact Bild 2: Torino, Futura Demi Bold, Helvetica Bold (verfremdet) Bild 3: Berling Bold, Americana Bold, Beton Condensed, Futura Demi Bold, Eurostile Bold, Plantin Condensed (ich rätsele noch bei der niederländischen Type und die japanische lasse ich mal aus)
Als typographisches Fundstück möchte ich heute eine Wandmalerei mit einer Textzeile präsentieren, zu der ich zwar inhaltlich keinerlei Affinität habe und die zudem 1990/1991 mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion quasi ihre Bedeutung verlor, die aber zum anderen, ungeachtet der ideologischen Parole, typographisch durchaus interessant ist.
Gefunden habe ich diese sehr verwitterte Textzeile bei einem Besuch des Klosters Jerichow in Sachsen-Anhalt und der dazugehörigen Gartenanlage, und zwar an der Rückseite eines der größeren Gebäudekomplexe. Gegründet wurde es im Jahr 1144, zwischen 1148 und 1250 entstanden auf dem heutigen Gelände die Stiftskirche sowie weitere Anbauten, Flügel und Verwaltungsgebäude.
Anfangs konnte ich den Text gar nicht entziffern, so sehr hatte der Zahn der Zeit bereits an ihm genagt. Die schemenhaften, kantigen Formen der Buchstaben ließen jedoch vermuten, dass die Bemalung keinesfalls so alt wie das Kloster sein konnte. Der vollständig entzifferte Text lautet »Ewige Freundschaft mit den Völkern der Sowjetunion!« und wurde somit während der Zeit des Bestehens der DDR auf die Wand aufgebracht. Ironischerweise bekräftigt die fortgeschrittene (ggf. sogar absichtliche) Abtragung der Farbschicht sehr anschaulich, dass eben nichts wirklich ewig währt, was man ja in diesem Fall auch durchaus positiv sehen kann. Aber warum steht die Parole ausgerechnet hier, auf der Rückseite eines Gebäudes, noch dazu eines Klosters? Ich habe darauf keine Antwort.
Zu Hause machte ich mich daran, den Schriftzug im Bild zu »restaurieren«. Zunächst suchte ich in Online-Schriftbibliotheken nach einer passenden Schrift, die ähnlich schmal proportionierte, rechteckige Zeichenformen aufweist, wie man sie an der Wand noch erahnen kann. Doch alle Font-Kandidaten wichen in maßgeblichen Details von der Vorlage ab. So begann ich, im Netz nach Fotos mit weiteren Beschriftungen aus der Region um das Kloster zu suchen – in der Hoffnung, dass solch eine Schrift noch andernorts auftaucht. Und tatsächlich fand ich ein historisches Emailleschild von einer Jerichower Schule mit einer bemerkenswert ähnlichen Type. Mit Hilfe der Buchstaben darauf baute ich dann die Textzeile auf der Wand annähernd nach. Im nachfolgenden Bild kann ihr Zustand vor und nach meiner Wiederherstellung per Klick/Mouseover verglichen werden.
Einige Reflexionen auf Buchstaben im Foto wurden von mir per Retusche entfernt. Bildquelle: Förder- und Heimatverein Stadt und Kloster Jerichow e.V. / Dieter Schultz, via st.museum-digital.de | Lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0
Auch wie die Schrift auf dem Schild heißt, konnte ich bislang (noch) nicht herausfinden, vielleicht wurde sie auf Beschilderungen in der DDR häufiger verwendet. Sie ähnelt zwar einigen käuflichen Fonts, wie z.B. der »Spaceland Eight« von Oleh Lishchuk (Pepper Type, 2019), der »Corso Bold« von Dominik Krotscheck (2020) oder der »Marteau Bold« von Dennis Scherdt (Little Giant, 2018), aber alle sind wiederum zu neu, um als Vorlage gedient zu haben und ebenso stimmen wieder etliche charakteristische Details z.B. bei J, r, s, t oder y nicht überein. Auch hier freue ich mich also wieder über Leser*innen, die helfen können, Licht ins Dunkel zu bringen. 🤓 🔠 🔎
Wohl jeder hat im Hinblick auf zeitgenössische Konsumgepflogenheiten und Produktlebenszyklen schon mal die Begriffe »Upcycling« und »geplante Obsoleszenz« gehört. Letzteres bezieht sich zwar meist auf technische Geräte und bezeichnet deren vorprogrammierten Verschleiß, aber auch in der Modewelt ist dieses Prinzip schon länger anzutreffen:
»Ein weiteres frühes Beispiel für eine künstliche Veralterung ist die hauchdünne und extrem reißfeste Feinstrumpfhose aus dem damaligen Wundergewebe Nylon. DuPont brachte im Jahre 1940 die ersten Nylonstrümpfe auf den Markt. Als schließlich jede Frau Nylonstrümpfe ihr eigen nennen durfte, brachen die Umsätze rapide ein. Daher mussten die Entwickler eine noch dünnere Strumpfhose mit begrenzter Haltbarkeit konzipieren.«
Es stellt sich ohnehin die Frage, ob nicht Mode an sich ein Konzept ist, das die vorzeitige »Entsorgung« an sich noch tadelloser Kleidungsstücke forciert – denn wer, der es sich leisten kann, läuft schon gerne in einem einst trendgerechten Outfit aus dem letzten oder vorletzten Jahr umher, das inzwischen als überholt oder unmodern gilt? Nicht ohne Grund türmen sich auf katastrophal schadstoffbelasteten Müllhalden rund um den Globus groteske Mengen aus Fabrikationsresten und zu Müll deklarierten Klamotten unserer mehr als fragwürdigen Fast-Fashion-Kultur.
Das typographische Montagsbonbon von heute belegt, dass es schon vor Jahrzehnten Gewerbetreibende gab, die sich zur Aufgabe gemacht hatten, die Lebenszeit von Kleidungsstücken zu verlängern und damit quasi »Upcycling« zu betreiben, noch ehe dieses Wort geboren wurde. Entdeckt habe ich es im November 2018 auf einer Städtereise nach Göttingen. Zur Gründung und dem geschäftlichen Schicksal des beworbenen Betriebes – von dem nur noch diese Beschilderung verblieben ist – konnte ich leider keine näheren Details ermitteln.
Das Schild ist definitiv von Hand gefertigt, was man aus seinem zu vermutenden Alter sowie den Abweichungen bei mehrfach vorkommenden Buchstaben schlussfolgern kann. Die oberen vier Zeilen mit dem Dienstleistungsangebot passen für mein Auge stimmig zu den letzten beiden Zeilen mit Name und Stockwerk des Ladenbesitzers. Wie so oft habe ich im Spektrum der aktuell käuflichen Schriften nach möglichst ähnlichen Vertretern gesucht. Meine Favoriten für die Schreibschrift sind die »Koozie Script« von Dathan Boardman und Conrad Garner (Good Gravy Type Co.) und die »Brillian Greek Condensed Light« von Dusko Joksimovic (Fontex). Bei der ersten sind z.B. das U, r und F ähnlicher, bei der zweiten das b und das e. Erste Wahl für die gebrochene Schrift unten ist die »Thannhaeuser Fraktur«, die bis auf das T ziemlich nah an die Vorlage herankommt (siehe unteres Bild). Insbesondere der Querbalken im M und das konkave rechte »Bein« des M sind hier besondere Formmerkmale.
Und während ich diesen Beitrag verfasse, bin ich noch einmal in den schönen und geschichtsträchtigen Städten Freiburg und Basel zu Gast und bin sicher, dass ich auch von dort wieder reichlich Motive zu meinem Herzensthema mitbringen werde. 🤓 🔠 🎩 👒
Auch beim typographischen Fundstück von heute bleiben wir noch in Sachsen-Anhalt. Im kleinen Dorf Klietznick, das die Auszeichnung „Lebenswertestes Dorf Deutschlands« trägt, unternahm ich an einem der vergangenen Wochenenden eine Wanderung durch die dortige schöne Landschaft. Ausgangs- und Endpunkt war ein Parkplatz am Fuße des sage und schreibe 48 m hohen »Weinbergs«. Dieser heißt nicht nur so, sondern tatsächlich wachsen an seinem Südhang einige Rebstöcke. Auf der Kuppe befindet sich ein hölzerner Aussichtsturm, von dessen Spitze sich ein wunderbarer Ausblick über die Elblandschaft genießen lässt.
Am Rande des Parkplatzes steht eine handbeschriebene Tafel, auf der interessierte Touristen einige Informationen über das Dorf und seine Bewohner nachlesen können. Ich habe im ländlichen Raum schon oft solche Tafeln entdeckt und liebe die Fantasie und die kalligraphischen Ambitionen der Urheber und sehe sie als ein sympathisches Gegengewicht zu Digitaldrucken, Folienschriftzügen und oftmals liebloser PowerPoint-Ästhetik an touristischen Info-Touchpoints.
Dennoch fiel mir auf der Tafel sofort ein kleiner typographischer Lapsus auf: die beiden M in der ersten Zeile stehen »verkehrt herum«. Eine sehr ähnliche Schrift wie die dort genutzte ist die »Optima« – eine serifenlose Antiqua-Variante, deren Proportionen und Buchstabenformen (der Versalien) sich an historische, gemeißelte Inschriften anlehnen. Der berühmte Schriftdesigner Hermann Zapf entwarf die Schrift in den Jahren 1952–1958 für die Schriftgießerei Stempel in Frankfurt. Erste Skizzen dazu erstellte Zapf bereits im Jahr 1950 nach Inschriften am Konstantinsbogen in Rom und auf Grabplatten in der Basilika Santa Croce in Florenz während einer Italienreise. Das Interessante an dieser Schrift ist, dass sie gekonnt ein Charakteristikum solcher antiken Serifenschriften – die wechselnden Strichstärken innerhalb der einzelnen Buchstaben – mit der klaren Anmutung moderner geometrisch konstruierter, serifenloser Groteskschriften ähnlicher Proportionen vereint (siehe unteres Bild).
Wenn ich nun die erste Zeile von der Tafel in der Schriftart »Optima« setze, ist zu sehen, dass die Abstriche des M zur rechten Seite des Buchstabens hin fett sind, auf der Tafel hingegen zur linken Seite. Wie diese kleine Anomalie zustande kam, lässt sich nur vermuten. Vielleicht hat die schreibende Person das W vom Wortanfang als Vorlage genutzt und es an einer horizontalen Achse gespiegelt. Hätte sie das W hingegen um 180° gedreht, entstünde ein M-ähnliches Zeichen mit der korrekten Strichstärkenanordnung.
Die meisten Betrachter der Tafel werden diesen kleinen Schönheitsfehler vermutlich kaum bemerkt haben. Mir geht es oft so, dass mein Auge an derlei Details hängenbleibt, noch bevor mein Kopf erfasst hat, was mir da eigentlich aufgefallen ist.
Aber genau aus diesem Grund gibt es ja dieses Blog. 🤓 🔠 😉
Hier kann man sehr schön sehen, welche Formmerkmale klassischer Serifenschriften (oben »Trajan«) und moderner Groteskschriften (unten »Futura Book«) in der »Optima« (Mitte) zusammenkommen.
Um das typographische Montagsbonbon von heute aus der Nähe fotografieren zu können, hielt ich auf einem Wochenendausflug mit dem Auto bei der Durchfahrt des Ortes Jerichow in Sachsen-Anhalt extra kurz am Straßenrand an. Brötchen oder Brot gab es leider nicht zu kaufen, der Betrieb und das Ladengeschäft der benannten Bäckerei sind offenbar schon seit langem geschlossen. Es findet sich ein historisches Foto im Netz, das Mitarbeiter der gleichnamigen Bäckerei vor der Tür eines Bäckerladens zeigt. Allerdings weichen dort sowohl die Fassade des Hauses als auch die Adressangabe vom Fundort des schmuckvollen Reliefs auf meinem Schnappschuss ab.
Interessant ist hier auch das Detail, dass die letzte Zeile aus der Zentrierung fällt. Es wirkt fast so, als hätte anfangs – womöglich versehentlich – ein weiterer Buchstabe am Ende des Namens gestanden (»Schulze«), der nachträglich wieder abgetragen wurde.
Um so erfreulicher aber, dass dieses Werk die Jahrzehnte seit dem Ende der Geschäftstätigkeit des Betriebes in einem so guten Zustand überdauert hat. Sind die Ligaturen von ck und ch nicht grandios? 🤓 🔠 🥨