verknallt in Schrift und Buchstaben

Autor: Thomas (Seite 2 von 21)

19.09.2025

2021 präsentierte der Satiriker Jan Böhmermann in seinem Magazin »ZDF Magazin Royale« ein Musikvideo ⬇️ mit dem Titel »Wieso hört der Fahrradweg einfach hier auf?«. Genau dieser Songtitel kam mir in den Sinn, als ich vor einigen Tagen in Hamburg die Fußgängertreppe zwischen der Straße »Palmaille« und dem Altonaer Fischmarkt hinabging und an der Fassade des am Weg liegenden Gasthauses »Zum Elbblick« eine Gedenktafel mit einer für mich sonderbar formulierten Inschrift las. »BAUSTEINE WURDEN AUS SPARGROSCHEN DER HAMBURGER SPARCASSE VON 1827« stand dort – und ich dachte: »Und – was wurden die? Gekauft? Gesponsort? Eingeschmolzen? Finanziert?« Der Satz klang für mich merkwürdig abgeschnitten bzw. unvollständig. Daraufhin fotografierte ich diese Tafel – das heutige typographische Fundstück – und recherchierte dem eigentümlichen Text hinterher.

Die benannte »Hamburger Sparcasse von 1827«, so fand ich heraus, wurde im benannten Jahr und auf Initiative einem Hamburger Senators mit dem hinreißenden Namen Dr. Amandus Augustus Abendroth (1767–1842) von Hamburger Bürgern gegründet. Sie betätigte sich, wie ebenfalls zu lesen ist, unter anderem an der Bereitstellung von Geldern und Krediten zur Finanzierung von Wohnungsbauprojekten in der Hansestadt. Dieses Kapital wurden offenbar auch – zumindest teilweise – über durch den Verkauf sogenannter »Bausteine« sowie aus Lotterie-Erlösen erwirtschaftet. Wann das Gebäude des Gasthofes errichtet wurde, konnte ich zwar nicht herausfinden, wohl aber, dass sich in Hamburg und anderen Städten seit etwa Ende des 19. Jahrhunderts und bis weit in die 1980er-Jahre hinein sogenannte »(Kneipen-)Sparklubs« großer Beliebtheit erfreuten. An vielen Orten der Zusammenkunft, teils in Wirtshäusern, manchmal auch an Arbeitsstätten, brachten die Mitglieder sogenannte »Sparkästen« an, die von den Geldinstituten bereitgestellt wurden und in die jeder Einzelne – mehr oder weniger beschwipst und/oder großzügig – Geldbeträge in den Schlitz seines persönlichen Spar-Faches einwerfen konnte. Sparklubs vereinbarten einen wöchentlichen Mindest-Sparbetrag, viele Klubs verhängten sogar Strafen über säumige Sparer. Auf einem historischen Foto von 1962 ist zufällig ein solcher Sparkasten genau der obengenannten »Hamburger Sparcasse von 1827« in einer Kneipe zu sehen.

Die Sparkästen wurden gewissenhaft wöchentlich geleert, die Beträge jedes einzelnen Sparers sowie die Strafzahlungen auf einer offiziellen »Sparkarte« notiert und die Gelder anschließend bei der jeweiligen Bank eingezahlt. Diese Beträge – und hier führen meine Schlussfolgerungen wieder zurück zu der Tafel des heutigen typographischen Fundstücks – wurden üblicherweise als »Spargroschen« bezeichnet. Ich nehme also an*, dass ein Teil der aus den Gewinnen der Bank bereitgestellten Baukosten für das Gasthof-Gebäude (auch) durch das ersparte Kapital solcher Sparklubs zusammengekommen sein könnte und die Hinweistafel dies bekunden und daran erinnern sollte.

(* Sollte eine[r] der hier Mitlesenden tiefere oder anderweitige Kenntnisse zu dem Sachverhalt haben, freue ich mich natürlich über Ergänzungen und/oder Korrekturen!)

»… von den Anfängen an waren die Sparkassen in gleich zweifacher Hinsicht dem Gemeinwohl verpflichtet. Zum einen konnten sie auf lokaler Ebene Kredite für wirtschaftliche und öffentliche Unternehmungen bereitstellen, zum anderen waren sie laut Satzung gehalten, ihre Gewinne zum Wohle der Allgemeinheit in Wohltätigkeit und Kulturförderung zu investieren.«

stern.de

Doch zurück zu der sonderbaren Formulierung. An einem ganz anderen Ort, auf einer schwedischen (!) Website, fand ich dann noch ein zweites, emailliertes Schild derselben Sparkasse – und auf diesem wurde der sinngleiche Satz in einer abweichenden Wortfolge formuliert. Dort steht (übrigens ebenfalls in einer sehr schönen Schriftart): »Spargroschen bei der Hamburger Sparcasse von 1827 wurden Bausteine«.

Aha! Am Ende der aus heutiger Sicht etwas yodahaft klingenden Inschrift »meiner« Gedenktafel fehlte also gar nichts! Statt »BAUSTEINE WURDEN AUS SPARGROSCHEN DER HAMBURGER SPARCASSE VON 1827« könnte man ihn auch lesen als »Aus Spargroschen der Hamburger Sparcasse von 1827 wurden (die) Bausteine (dieses Gebäudes)«. Nun wurde mir die Bedeutung klar.

Die Schriftart auf der Tafel konnte ich leider nicht bestimmen, sie lehnt sich mit ihrem S, das wie ein gespiegeltes Z aussieht, an manche Art-déco-Schriften wie etwa »Koloss« an, die hier kürzlich bereits an einer Apothekenfassade identifiziert wurde, aber die unregelmäßigen Lettern auf der Tafel lassen vermuten, dass der Text darauf eigens und von Hand gestaltet wurde.

Ich liebe die spannenden Zeitreisen, auf die mich meine typographischen Fundstücke oft mitnehmen! 😅 🤓 🔠

Link zu einem Artikel inkl. ausführlicher Bilderstrecke bei spiegel.de über (Hamburger Kneipen-)Sparklubs:
➡️ https://www.spiegel.de/geschichte/kneipen-sparclub-fuenf-ins-toepfchen-50-ins-kroepfchen-a-1065189.html

Artikel bei stern.de zur Geschichte der Sparkassen in Hamburg:
➡️ https://www.stern.de/lokal/hamburg/1778-wurde-in-hamburg-die-erste-sparkasse-der-welt-gegruendet-8543120.html

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15.09.2025

Zum heutigen typographischen Montagsbonbon – einem sympathischen Wunsch aus Regensburg, dem ich mich nur anschließen kann – hätte ich eigentlich nur eine einzige, kurze Anmerkung:

Ich lese hinter »schönen Tag« definitiv ein unsichtbares Komma und das F muss natürlich klein sein! 😉 🤓 🔠 🥨

12.09.2025

Das typographische Fundstück am Freitag kommt heute aus meinem Bestand an über das Pfingstwochenende geknipsten Bildern aus Regensburg. Als passionierter Genuss-Biertrinker wollte ich natürlich wissen, ob es 1. die Brauerei dieses Namens aktuell noch gibt und 2. falls nicht, wer aus welchem Grund diese schöne Inschrift bis heute so liebevoll erhalten hat – und begann zu recherchieren.

Antwort 1: »Jein«. Die Brauereilandschaft – vermutlich nicht nur in Regensburg – war zur Zeit der Geschäftstätigkeit dieses Betriebes (gegründet 1800) offenbar in regem Umbruch. Es wurde aufgekauft, veräußert, fusioniert, vergrößert, ausgebaut und umfirmiert, dass einem regelrecht schwindlig werden kann. Hier ein Auszug aus einer von mir rekonstruierten Chronik der Ereignisse*:

  • 1800 Gründung der Bierbrauerei
  • 1889 noch aktiv als »Brauerei Mathias Bolland«
  • 1890~1893 Aufkauf durch die Jesuiten Brauerei AG (gegr. 1813). Die Gär- und Schenkbierkellereien der Bolland’schen Bierbrauerei werden anschließend zur Mälzerei umgebaut.
  • 1922 Übernahme der Jesuiten Brauerei AG durch Brauhaus Regensburg AG (gegr. 1897)
  • Nach 1958 Übernahme durch die Fürstliche Brauerei Thurn und Taxis
  • 1996 Übernahme durch die Paulaner Brauerei Gruppe

Insofern kann man sagen, die Brauerei ging zwar in anderen Betrieben auf, die bis heute existieren, wurde jedoch nie aktiv aufgrund von Insolvenz o.ä. »geschlossen«. Es gibt zudem Indizien dafür, dass in dem Gebäude von 1973 bis 1976 unter dem Namen »Bollandbräu« eine Gaststätte oder Schankwirtschaft betrieben wurde.

Antwort 2: Das Haus in der Ostengasse 26 in Regensburg-Ostnerwacht wurde im 17./18. Jahrhundert erbaut und ab 1846 mehrfach umgestaltet, aufgestockt und um Anbauten erweitert. Unter der Aktennummer D-3-62-000-893 wird es beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege offiziell als Baudenkmal geführt. Vermutlich ist das der Grund dafür, dass die Inschrift bis heute so gepflegt erhalten geblieben ist (wann sie ursprünglich an dem Gebäude angebracht wurde und ob ihr heutiges Aussehen dem Urzustand entspricht, konnte ich leider nicht herausfinden).

Und obwohl die Schriftzeile auf der Fassade eindeutig handgemalt ist, wollte ich natürlich prüfen, ob ich im Netz vergleichbare oder ähnliche digitalisierte Schriften ausfindig machen kann. Die Verzierungen und Formmerkmale der Buchstaben deuten darauf hin, dass kalligraphische, also mit einer Breitfeder von Hand geschriebene Lettern als Vorlage gedient haben. Drei gebrochene Schriftarten habe ich nach meiner Recherche – und auch nur für die Kleinbuchstaben, für die B-Initialen konnte ich keinerlei Vorlage finden – als »Best Matches« in die engere Wahl genommen, obwohl keine von ihnen exakt gleich aussieht: 1. Die »Royal Bavarian« von Gert Wiescher, 2. die »Straßburg Fraktur« von Peter Wiegel und 3. die »(Neue) Theuerdank Fraktur«, ebenfalls von Peter Wiegel, in Kollaboration mit Dieter Steffmann.

Zum Wohl! 🤓 🔠 🍻

* Quellen:
➡️ https://www.klausehm.de/BuchstabeR/Pag16960.html
➡️ https://www.klausehm.de/BuchstabeR/R0119.html
➡️ http://www.albert-gieseler.de/dampf_de/firmen4/firmadet46538.shtml
➡️ http://www.albert-gieseler.de/dampf_de/firmen4/firmadet46537.shtml
➡️ https://www.sammleraktien-online.de/brauhaus-regensburg-ag/item-1-3997.html

08.09.2025

Das typographische Montagsbonbon zeigt heute eine Gedenktafel aus der Universitäts- und Hansestadt Greifswald, angebracht am Geburtshaus des berühmten Künstlers Caspar David Friedrich (1774–1840). Das denkmalgeschützte Haus steht mitten in der Fußgängerzone der Innenstadt und beherbergt seit 2004 das Caspar-David-Friedrich-Zentrum – das als Museum, Dokumentations- und Forschungsstätte zu Leben und Werk des Künstlers sowie der Geschichte seiner Familie dient und der Öffentlichkeit zugänglich ist.

Bei der Schriftart auf der steinernen Tafel handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine Variante der »Koch-Schrift« (auch »Koch-Fraktur« oder »Deutsche Schrift« genannt), die 1910 mit ihren kräftigen, fetten Lettern das Debüt des Schriftgestalters Rudolf Koch war und in der Schriftgießerei Gebr. Klingspor erschien. Warum für ein Gebäude aus dem 18. Jahrhundert und einen in jener Zeit geborenen Künstler der Romantik diese über 100 Jahre später entstandene Schriftart gewählt wurde, kann nur vermutet werden. Vielleicht wollten die Verantwortlichen einerseits zwar eine gebrochene Schrift nutzen, da diese in Deutschland zu Lebzeiten der Friedrichs weithin gebräuchlich waren, aber andererseits eine Variante, die mit ihren klareren Formen und alternativen Buchstaben (z.B. A vs. 𝔄) für heutige Leser ein bisschen besser entzifferbarer ist.

Rudolf Koch jedenfalls entwarf neben seiner populären Koch-Fraktur auch noch weitere, »modernere« – und bis heute genutzte – Schriften, wie z.B. die geometrische sog. Groteskschrift »Kabel«. 🤓 🔠

Website der Caspar-David-Friedrich-Gesellschaft und des Museums:
➡️ https://www.caspar-david-friedrich-gesellschaft.de/

Mehr zur Koch-Schrift:
➡️ https://www.typografie.info/3/Schriften/fonts.html/deutsche-schrift-koch-schrift-r341/

05.09.2025

Auch beim heutigen typographischen Fundstück der Woche bleiben wir noch in Skandinavien, denn des Gestalters Auge (und Kamera) konnte natürlich auch im Urlaub nicht ruhen. 😉

Wie in fast jedem Sommer wechselte ich nach der Hälfte des Zeitraums den Ort und die Unterkunft. Die Reise von A nach B wurde dabei als möglichst erholsame Etappe geplant und durchgeführt, sie führte aus der westschwedischen Provinz Värmlands Län zum Fährhafen Ystad und von dort aus auf die schöne dänische Insel Bornholm. Auf der Fahrt wurden ein Frühstückshalt in einem Naturpark, mehrere Rastplatzpausen sowie ein Einkaufsstopp in der kleinen Stadt Säffle nahe dem Vänernsee gemacht.

An der Drehtür des dortigen Einkaufszentrums fiel mir sofort die plakative Wortmarke der Stadt bzw. Region auf. Die Stadt Säffle hat nach meiner Recherche ca. 8.800 Einwohner, die Gemeinde rund 15.000 und trotzdem »gönnt« sich die Verwaltung dieses vergleichsweise kleinen Bezirks zur Selbstvermarktung gegenüber Touristen, Unternehmen und Investoren ein – aus meiner Sicht ästhetisches und plakatives – professionell gestaltetes typographisches Logo inklusive variabler Claims¹, einer zum Logo passenden Hausschrift² und einem ausführlichen und fundiert ausgearbeiteten Corporate-Design-Leitfaden³.

Mein Fazit: Gekonnt skandinavisches Design – zur Nachahmung empfohlen!
🤓 🔠 🌲 🇸🇪

Website der Regionalmarke:
➡️ https://saffle.se/arbete-och-foretagande/saffles-platsvarumarke.html

Projektseite der betreuenden Agentur »Happy Republic« (Schweden):
➡️ https://www.happyrepublic.se/cases/saffle-kommun-platsvarumarke


¹ Es gibt fünf variable Claims, die bei Bedarf halbkreisförmig oberhalb des Basislogos eingefügt werden können. Unterhalb des Logos sind die Geokoordinaten des Stadtzentrums in gleicher Weise symmetrisch arrangiert. Alle Varianten werden auf der Website in mehreren Dateiformaten und Farbsystemen zur Verfügung gestellt:

  • »Inte en dag utan framsteg« (Kein Tag ohne Fortschritt)
  • »Med rötterna i skogen« (Mit den Wurzeln im Wald)
  • »Scenen är din« (Die Bühne gehört dir)
  • »Med blicken på vattnet« (Mit Blick aufs Wasser)
  • »Let’s go local«

² Als Hausschrift wählte Säffle die serifenlose »Neulis«/»Neulis Alt« von Adam Ladd, die mit ihrem geometrischen, klaren Formenkanon einerseits und verspielten alternativen Schriftzeichen andererseits eine schöne Bandbreite für alle Anwendungen zwischen Headlines und Copytexten zulässt und die m.E. sehr stimmig zur Wortmarke des Logos passt:

➡️ https://ladd-design.com/family/neulis

³ Das über 60 Seiten umfassende Design-Handbuch (PDF, 49 MB) macht bereits Spaß beim Anschauen und liefert in sechs Kapiteln mit ansprechenden, professionellen Fotos und Abbildungen verständliche und hilfreiche Leitlinien für die Mediengestaltung mit Logo, Farben, Schrift und begleitenden grafischen Elementen:

➡️ https://t1p.de/saeffleguidelines

01.09.2025

Das Motto der beiden Motive des heutigen typographischen Montagsbonbons lautet »Metall«. Die meisten (längeren) dreidimensionalen Schriftzüge an Geschäften, Gebäuden oder anderswo im öffentlichen Raum sind wohl aus Kunststoff angefertigt, wenige aus Holz, einige ältere Neonbeschriftungen aus Glas – und dort, wo Metall zum Einsatz kommt, sind die Zeichen mittlerweile ausgelasert oder maschinell gefräst/gestanzt. Wesentlich aufwendigere, von Hand gefertigte Metall-Schriftzüge findet man meiner Erfahrung nach relativ selten.

Hier habe ich zwei Exemplare aus meiner Sammlung herausgesucht, die ich für besonders gelungen halte: Das erste aus Barcelona, das zweite aus Lemgo. Stahl vs. Eisen, modern vs. traditionell, schlicht vs. verziert.

Mal was anderes! 🤓 🔠 ⚒️

29.08.2025

Das typographische Fundstück der Woche stammt aus dem Kopenhagener Stadtteil Ordrup und begann mit einem y. Dieses y fiel mir als erstes auf einem Straßenschild in der Nähe meiner dortigen Ferienunterkunft auf. Und nach und nach entdeckte ich auf weiteren Schildern in der Gegend mehr und mehr Details: Das rote Herzchen auf dem j, den kleinen Dorn am r, die kantigen Schrägen von A, X, Y, R und V, das rustikale M, die konischen Querstriche bei H und E usw. 😍 Drei der Schilder habe ich fotografiert und begann, dieser Beschilderung, die mir in Kopenhagen nie zuvor aufgefallen war, nachzuspüren.



Die Schilder sind tatsächlich begrenzt auf die Gemeinde Gentofte im Norden der Stadt. Ihre Geschichte begann 1923, als der Architekt und Buchdrucker Knud V. Engelhardt (1882–1931)¹ den Auftrag erhielt, neue Straßenschilder für die Gemeinde zu entwerfen². Er war überzeugt, dass Staat und Kommunen die Pflicht hätten, Wert auf gutes Design im öffentlichen Raum zu legen und gestaltete ein komplett neues Alphabet, das sich auf Standardisierung, Ästhetik und Lesbarkeit fokussierte. Die anfangs emaillierten Schilder wurden 1954 durch langlebigere, aus Aluminium gegossene ersetzt. Schon von Anfang an war das kleine Herz, das Engelhardt oft als Signatur nutzte, in weiß auf dem j vorhanden, es wurde später einheitlich rot und ist mittlerweile eine Art Markenzeichen der Gemeinde geworden. Manche Anwohner überkleben oder übermalen auf privat angebrachten Schildern mit Straßennamen sogar die »normalen« j-Punkte mit roten Herzchen und bessern so als Guerilla-Designer die Fehlstellen im Look des Viertels aus.



Die senkrechten Kappungen der diagonalen Auf- und Abstriche sollen bei längeren Namen einen geringeren Zeichenabstand und eine höhere Anzahl Buchstaben pro Schild ermöglichen. Einige der Formelemente erinnerten mich an die Schrift »Ovink« von Sofie Beier, die ich unserem damaligen biike GmbH Agenturkunden maresystems 2018 als Logo- und Hausschrift empfahl. Und der schwedische Schriftdesigner Mårten Thavenius veröffentlichte 2016 mit der »Skilt Gothic« eine auf dem Alphabet Engelhardts basierende Schriftfamilie, die noch mehr der markanten Formelemente übernimmt³. Einige der auffälligsten Buchstaben habe ich im zweiten Bild auf Basis einer im Netz gefundenen Originalskizze Engelhardts nachgezeichnet. Von Juni bis Oktober 2023 wurde ihm die Ausstellung »URBAN HEARTBEATS – celebrating 100 years of public design by Knud V. Engelhardt«⁴ gewidmet, die ich leider verpasst habe. 🤓 🔠

Ich könnte noch seitenweise über dieses wunderbare Beispiel dänischen Designs schreiben, aber ach 😅 … ein paar Links hänge ich dennoch an.



PDF zu Engelhardt:


1 ➡️ https://arkitekturpolitik.gentofte.dk/media/rzoof2c1/knud-v-engelhardt-webtilgaengelig.pdf

Weitere Originalschilder:


2 ➡️ http://vwnettet.dk/bb-media/pictures/1/6/127161/skilte.jpg

Font »Skilt Gothic«:


3 ➡️ https://fontcaster.com/


Website der Ausstellung:


4 ➡️ https://designmuseum.dk/udstilling/urban-heartbeats/

22.08.2025

Vor gut einem Jahr postete ich hier das Foto einer Infotafel zur Fahrgastinformation und -Lenkung an einem Hamburger S-Bahnsteig. Mir war aufgefallen, dass Schrift und Layout sich geändert hatten und ich stellte die »alte« und »neue« Version einander gegenüber. Die Änderung wurde auf LinkedIn und anderswo angeregt diskutiert und auch kritisiert; mittlerweile wurden etliche der Hamburger S-Bahnstationen und die Fernbahnhöfe Hamburg Hbf und Hamburg Dammtor mit den neuen Schildern versehen. Auch außerhalb Hamburgs – laut Wikipedia am Erfurter Hbf – findet sich inzwischen das neue Design, ebenso wie auf der Website bahnhof.de, wo die Schriftart mit dem Namen »Arrow« bezeichnet ist. Zu ihren gestalterischen Urheber*innen konnte ich bisher leider nichts herausfinden.



Bei der kürzlichen Fahrt durch die Station Jungfernstieg fiel mir nun auf, dass nun auch Hamburger U-Bahnstationen auf das neue Design umgestellt werden, wenngleich die gewohnte Farbigkeit mit schwarzer Schrift auf weißem Grund beibehalten wird. Vermutlich liegt die Umstellung ebenfalls schon etwas länger zurück, erste Berichte im Netz sind auf Anfang 2025 datiert. Im Foto ist oben das frühere und unten das neue Schild zu sehen (die Inhalte der Schilder auf den beiden Fotos sind nicht 100% identisch, aber m.E. dennoch für einen Vergleich tauglich).



Die neue Schriftart zumindest gefällt mir recht gut, ich begrüße es auch, dass – im Sinne der Fahrgäste und ihrer Reisekette – künftig S-Bahn und U-Bahn nur noch farblich ihr »eigenes Süppchen« kochen, sich ihr Schilder-Design insgesamt aber deutlich aneinander anzunähern scheint.



Doch ist auch alles besser geworden? Manche Elemente (Liniensignets U2/U4 nahe dem Stationsnamen) sind größer, manche anderen (die quadratischen grünen Ausgangspfeile) kleiner geworden, im Fahrstuhl-Icon steht nun bloß noch eine Figur statt zwei, ein neues weißes, etwas kryptisches Icon auf schwarzem Kreis verweist offenbar auf die Alsterfontaine (muss man wissen!) und es findet sich nun ein etwas konkurrierendes Nebeneinander zweier »Pfeilsorten« auf den Schildern wieder.



Es ist ja oft so, dass man sich an Neues erst gewöhnen muss und nach einer anfänglichen Zeit des Stutzens, Zweifelns und Zeterns das Neue dann doch angenommen (und vielleicht sogar dem früher Gewohnten vorgezogen) wird. Ich werde, wenn ich aus dem Urlaub zurück in Hamburg bin, mal die Augen an anderen Stationen offenhalten und mir dann in Ruhe ein persönliches Urteil bilden. 🤓 🔠 



18.08.2025

Das typographische Montagsbonbon besteht heute aus einem Vierer-Potpourri mit Bildmotiven, die ich vor wenigen Tagen in Kopenhagen aufgespürt habe. Ich finde es immer wieder spannend, wie fantasievoll Schriftgestalter*innen und/oder Grafikdesigner*innen sind, wenn es darum geht, für ein und dasselbe Schriftzeichen ganz individuelle Formlösungen zu finden, die dennoch eindeutig, erkennbar und gut lesbar sind – hier beim dänischen Ø. 

Einfach schøn! 🤓 🔠



(Urlaubsbedingt halte ich meine begleitenden textlichen Ausführungen vorübergehend ein wenig kürzer als üblich. 😉)

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