Das typographische Bonbon – wiederum aus meinem Urlaub im Moselland – zeigt einen »handgemalten« Wegweiser mit einer tatsächlichen Ortsangabe, die aber auch gleichzeitig als Aufforderung gelesen werden kann, bewusst einmal innezuhalten, sich dem täglichen Stakkato aus To-do-Listen, Doomscrolling, Social-Media-Beiträgen, Straßenlärm, Mediengewitter und anderen Stressfaktoren einfach mal für eine Weile zu entziehen. Raus an die frische Luft, in den Wald, über die Hügel, auf die Wiesen, bewusst auf-, ein- und auszuatmen, gemächlich zu flanieren oder forsch zu wandern, vielleicht Rad zu fahren – und an nichts zu denken, außer dem gerade präsenten Moment. Für eine Weile den Blick von Monitor und Display zu heben und weit »ins Land«, in die Landschaft zu schauen.
Hilft ungemein und entspannt kolossal. Ich hab’s ausprobiert. 🤓 🔠 ⛰️
Mit dem heutigen typographischen Fundstück der Woche begeben wir uns in die Region meines diesjährigen Kurzurlaubs über die Ostertage – in die Region um die alte Römerstandt Trier an der Mosel. Aus familiären Gründen habe ich eine Verbindung zu dieser Region und liebe sie sehr aufgrund der wunderschönen Landschaft und den vielfältigen Möglichkeiten, auf Wanderungen über die (Wein-)Berge und durch die Natur zu entspannen und meine Kondition zu stärken. 😉
Auf einer Besorgungstour kam ich etwas abseits der Innenstadt an einem Eck-Geschäft vorbei, in dem einst diese Bäckerei ansässig war. Wie im Netz zu erfahren ist, wurde der Betrieb bereits im November 2012 aufgegeben. Das Schild gehört damit zu der mit etwas Melancholie behafteten Kategorie »Beschriftungen, die ihre einstigen Urheber überlebt haben«, aus der ich hier schon das eine oder andere Mal Fundstücke präsentierte.
Mir gefällt der gewagte, dynamische und eindeutig individuell gestaltete Schriftzug mit seinen »Pfosten« links und rechts, zwischen denen sich die Kopfzeile aufspannt, und der kessen r-Schlaufe in der Mitte sehr. Ich finde die Wortmarke keineswegs verstaubt oder antiquiert, ihr leichter Retro-Charme wird durch die trapezförmige Komposition gekonnt an die Gegenwart angedockt.
Hätte die Bäckerei dem Abstieg der Handwerksbäckereien Anfang der 2000er-Jahre noch etwas länger widerstehen können, hätte sie womöglich von der Renaissance guten Brotes profitiert, die sich seit der Corona-Pandemie abzeichnet und wäre vielleicht heute noch geöffnet. Auch ich pflege seit den damaligen Lockdowns einen Sauerteig in meiner Küche und schätze gute Brote aus alten (und neuen!) Manufakturen wie z.B. »Backgeschwister«, »Sironi« oder »Sören Korte Brotmanufaktur« in Berlin und Hamburg – auch, wenn mir deren Logos nicht ganz so gut gefallen wie dieses hier … 😉 🤓 🔠 🍞
Mit dem heutigen typographischen Montagsbonbon ist mein Vorrat an Fundstücken aus Kopenhagen vorerst erschöpft. Ich hoffe, ich habe damit niemandem eine Überdosis der dänischen Hauptstadt zugemutet. 😉
Am Wegesrand entdeckte ich bei einem Stadtstreifzug auf einer von zwei Säulen links und rechts des Zugangstores diesen »knuffigen« Schriftzug. Ich finde, schon anhand des Namens (Friedenshaus) und der Schriftart, aber auch aufgrund der Blumenornamente erahnt man, dass es sich um etwas Gutes, dem Allgemeinwohl Dienendes, handelt. Und in der Tat ergibt die Netzrecherche Folgendes:
»›Fredenshus‹ ist eine Stiftung des »Foreningen til Lærlinges Uddannelse« (Verein für Lehrlingsausbildung). Der Name des Hauses stammt aus dem Jahr 1894, als es sich im Kopenhagener Straßenzug Fredensbro befand. Ein größeres und moderneres Gebäude wurde 1914/15 am heutigen Standort in der Øster Alle erbaut. Es bot zunächst Unterkunft in Form kostenloser oder sehr günstiger Wohnungen mit 1–2 Zimmern für ältere Arbeiter, ihre Witwen oder unverheirateten Töchter. Seit den 1970er Jahren werden die kleineren Einzimmerwohnungen vorrangig an junge Menschen vermietet, die nachweislich eine mehrjährige staatlich geförderte (Berufs-)Ausbildung absolvieren. Die größeren Zweizimmerwohnungen stehen primär für Personen über 55 Jahren zur Verfügung.«
Wenn ich so etwas lese, freue ich mich einerseits, dass es solche Angebote (noch) gibt, andererseits betrübt es mich, zu sehen, dass die Motivation und Gesinnung, in einem Staat oder einer Gesellschaft für günstige oder kostenlose Wohlfahrt, Solidarität, Unterstützung, Förderung und Hilfe zu sorgen, zunehmend zu erodieren scheint. Gestrauchelte, hilflose, gesundheitlich beeinträchtigte oder arbeitslose Menschen werden pauschal als »Schmarotzer« oder »Faulenzer« abgewertet, Finanzleistungen gekürzt, Sanktionen z.T. unmenschlich verschärft. Dass man damit nur an Symptomen herumdoktert, statt an den Ursachen, dass Menschen drangsaliert werden statt sie zu unterstützen und zu begleiten, damit sie wieder auf die Beine kommen, wird billigend in Kauf genommen. Dabei gibt es – z.B. in Finnland, in Form der erfolgversprechenden »Housing First«-Initiative gegen Obdachlosigkeit – durchaus Ansätze, die versuchen, soziale Probleme an ihren Wurzeln zu bekämpfen und – trotz anfänglich womöglich höherer sozialer Aufwendungen für Betroffene – am Ende dennoch gesamtgesellschaftlich eine (auch finanziell) positive Bilanz zu erzielen.
Ich bin fest überzeugt: Empathie ist keine Schwäche.
Zwei hab’ ich noch, dann ist meine Ausbeute an typographischen Fundstücken aus Kopenhagen aufgebraucht. Da trifft es sich gut, dass ich nun über Ostern wieder eine Reise antrete und ich hoffe währenddessen natürlich auf neue Schnappschüsse. 😉
Während meines letzten Städtetrips stand auch ein Besuch des berühmten Friedhofs »Assistens Kirkegård« im Stadtteil Nørrebro auf dem Programm¹. U.a. prominente Wissenschaftler, Denker und Kulturschaffende haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden, etwa der Dichter Hans Christian Andersen, der Philosoph Søren Kierkegaard und der Physiker und Nobelpreisträger Niels Bohr. Deren Grabstätten waren zwar beeindruckend und schön anzusehen, typographisch aber eher unauffällig.
Was meinen Blick jedoch auf sich zog, war ein größeres Familiengrab. Hinter dem schmiedeeisern umzäunten Areal mit den Grabtafeln der Verstorbenen befanden sich, erhöht angebracht, zwei ebenfalls eiserne, rautenförmige Tafeln mit den goldenen Schriftzügen »N:C:HVIIDs̳« und »Familie=Begravelse.« (dän.: Familiengrab), von denen ich die zweite, ihrer Besonderheiten wegen, fotografiert habe. Die erste Inschrift verweist auf den Familiennamen Niels Christian Hviid, der und dessen Angehörige hier begraben sind. Die meisten Verstorbenen tragen ein Todesdatum zwischen 1852 und 1892, nur wenige etwas später bis ca. 1936.
Vier Dinge machten die Tafel im Bild aus meiner Sicht knipswürdig:
Das offenbar absichtliche Fehlen der i-Punkte
Die ungewöhnlich breiten, fast schon unpassenden Initialen
Der Punkt am Ende der Inschrift
Das auf der Grundlinie platzierte = als Trennstrich
Die Inschrift stammt vermutlich aus dem späteren 19. Jahrhundert, ich sehe eine sehr entfernte Ähnlichkeit der Kleinbuchstaben zur Schrift »Bernhard Antique«² (entstanden um 1910). Warum allerdings die o.g. Eigenheiten auf der Tafel auftreten, ist mir bis jetzt unklar. Hat jemand Hinweise oder Vermutungen? 🤔 🤓 🔠
Einen guten Start in die Woche wünsche ich mit dem typographischen Montagsbonbon, natürlich wieder mitgebracht aus der dänischen Hauptstadt. Am Eingang eines historischen Kesselhauses (1899 erbaut) im Kopenhagener Freihafen blieb mein Blick an dieser Buchstabenkombination hängen. Sie steht vermutlich für »Kjøbenhavns Frihavns-Aktieselskab« und die Besonderheit, die mich zu dem Schnappschuss veranlasste, war die ungewöhnliche Form des A, dessen Winkel im Querstrich mich an die 1907 entstandene Schrift »Algerian« erinnerte:
Deren Buchstabenformen lassen noch ein wenig den Stil des Viktorianischen Zeitalters erkennen, spiegeln aber auch den Einfluss spanischer und nordafrikanisch-arabischer Kalligraphen und Schildermacher wider. Die Schriftart war ab 1993 Bestandteil der Microsoft-Windows-Systemschriften-Bibliothek und wurde wohl zeitweise ziemlich inflationär genutzt, sodass es sogar Hass-Seiten mit Schmähfotos zu ihrem Einsatz gibt. Bis heute wird sie besonders gern genutzt im Umfeld von Pubs, Tavernen und Kneipen oder Antikmärkten. Die drei Initialen an diesem Gebäude sind jedoch sehr wahrscheinlich »Unikat-Buchstaben« und keinem vollständigen Zeichensatz einer bestimmten Schrift entnommen. 🤓 🔠
Beim typographischen Fundstück der Woche bleiben wir weiterhin in Kopenhagen und wieder geht es auf eine wilde Reise durch die Vergangenheit. Über der Eingangstür eines Wohnhauses an der Nørrebrogade fiel mir die eigenwillige Hausnummer ins Auge und wurde natürlich sofort fotografiert. Die formfolgende Verzerrung der Ziffern erinnerte mich an irgendwas … ich kam nicht drauf und überlegte lange – und nun kam die Erleuchtung!
Einen ähnlichen »Trend« mit auffälligen Häufungen dieses Stilmittels – dem Anpassen von Zeichenformen an eine vorgegebene Kontur – gab es meines Wissens bislang in zwei Zeiträumen: Der erste lag um 1890–1910 und vollzog sich im Rahmen des Jugendstils. Damals fanden sich ähnliche Umsetzungen bei Logos von Unternehmen, insbesondere in der noch jungen Autoindustrie. Als dreidimensionale Metallembleme prangten sie an den Kühlern vieler Fahrzeugmodelle. Ein paar Beispiele habe ich nachfolgend verlinkt
Die zweite Ära, in der eine Häufung solcher verformten Schriftzüge zu beobachten ist, war die Flower-Power-Zeit der späten 1960er-Jahre – nur nutzten die Grafiker für ihre oft als »psychedelisch« bezeichneten Werke eine deutlich grellere Farbpalette. Ein schönes Beispiel ist etwa das nachfolgend verlinkte Poster für The Byrds, aber auch andere berühmte Künstler*innen und Bands wie Led Zeppelin, Janis Joplin, Jefferson Airplane, Jimi Hendrix u.a. nutzten solche Designs für Plattencover oder Poster:
Das Spannende daran ist, dass die Verwandtschaft dieser beiden gut 70 Jahre auseinanderliegenden Stile anscheinend kein Zufall ist, sondern ein plausibel herleitbares und bewusst initiiertes »Revival«, nachvollziehbar erläutert im nachfolgenden Video. Der Designer Wes Wilson wird darin als ein stilprägender Protagonist benannt:
Ein drittes Anwendungsfeld, über alle Jahrzehnte hinweg, sind – Fußballclubs. Bis heute nutzen viele Vereine weltweit (grafisch mehr oder weniger gelungen) solche typographischen Embleme als Logo.
Faszinierend, dass Typographie einen Bogen spannen kann von einer Jugendstil-Hausnummer über die Kindertage des Automobils und die knallbunten Konzertplakate der Hippie-Ära bis hin zu Fußball, oder? Ich jedenfalls war mal wieder begeistert. 🤓 🔠 ☮️ ✌ 🌸 ⚽
Es ist wieder Montag und ich habe ein typographisches Bonbon aus meiner Sammlung aufbereitet. Das Geschäft, das hier mit appetitlichen roten Lettern auf weißem Banner wunderbar »küchig« für sein kulinarisches Angebot wirbt, war zwar schon geschlossen, als ich dort vorbeikam, aber ich habe während meines Aufenthaltes in Kopenhagen anderswo mehrfach vortreffliche Smørrebrød-Mahlzeiten verzehrt.
»Smørrebrød« heißt eigentlich übersetzt »Butterbrot«, aber inzwischen ist diese einst rustikale Art der dänischen (Mittags)mahlzeit längst in die Kategorie »Fine Dining« aufgestiegen. Hausgebackenes, mit Butter in der Pfanne geröstetes dunkles Roggenbrot wird belegt mit einem Türmchen feinster Zutaten: marinierter Fisch, eingelegtes Gemüse, fein gewürzte Dips oder Saucen, Kräuter, aromatische gegarte Fleischscheiben, Radieschen. Kräuter – das Angebot ist grenzenlos und jedem, der Kopenhagen (oder Dänemark) besucht, klar zu empfehlen. In der dänischen Hauptstadt war ich bisher u.a. sehr angetan vom Angebot bei »Hallernes Smørrebrød« (to go) und »Aamanns 1921« (Restaurant).
Jetzt hab ich beim Schreiben Hunger bekommen … 🤓 🔠 🤤
Bei der Recherche zum heutigen typographischen Fundstück der Woche – es stammt ebenfalls aus Kopenhagen – bin ich in ein regelrechtes »rabbit hole« gefallen. Auf einem Besorgungsweg kam ich im Stadtteil Nørrebro nahe einem großen Verkehrskreisel (Nørrebros Ronddel) an einer Apotheke in einem Eckhaus vorbei. Die ungewöhnlichen »Fähnchen« an der Spitze der drei A veranlassten mich gleich zu einem Schnappschuss. Das schon reichlich verwitterte Schild und die an Stilelemente des Art Deco erinnernden Buchstaben regten mich zur Vermutung an, dass die Apotheke schon sehr lange an diesem Ort ansässig ist und die Beschriftung des Schildes vielleicht sogar aus dieser Epoche stammt. Und so begann ich zu recherchieren.
Die erste Vermutung erwies sich als korrekt. Die Apotheke wurde 1882 gegründet und es gibt sogar noch Fotos aus den Gründungszeiten, hier zwei Links zu Fotos um die Jahrhundertwende (das Eckhaus mit den markanten Fugen zwischen den Steinplatten der Fassade):
Anderswo kann man »RezeptKuverts« der Apotheke aus der gesamten Zeit des Bestehens anschauen. Interessant ist, dass die Apotheke ihren Namen in den Anfangsjahren über der Eingangstür mit »ph«, aber auf diesen Kuverts und später dann auch an der Fassade seit jeher mit »f« schrieb:
Meine zweite Vermutung, dass die Beschriftung irgendwann zwischen 1920 und 1940 angebracht wurde, wurde durch ein Foto um 1965/66 aus einer Facebook-Gruppe entkräftet. Ganz links im Bild ist die Apotheke zu sehen, man erkennt bereits die Schreibweise mit »f«, aber die Beschilderung ist noch eine andere:
Damit war das kleine Rätsel gelöst. Was bleibt, ist die Frage, ob dieser Schriftzug mit seinen markanten Buchstabenformen speziell für die Apotheke angefertigt wurde oder eine vollständige (käufliche) Schrift davon existiert(e). Auf diese Frage konnte ich bislang noch keine Antwort finden. Ich habe auf der Suche noch viele schöne weitere typographische Entdeckungen (auch wieder zum »dänischen g« 😅) gemacht, das Internet quillt förmlich über vor alten Fotos zur Historie der Stadt. Aber für heute soll es das erstmal gewesen sein. 🤓 🔠