verknallt in Schrift und Buchstaben

Monat: Januar 2025

24.01.2025

So, heute wird’s mal richtig nerdig beim typographischen Fundstück der Woche. Denn wie kann eine Schriftart, die erst 1952 entstand, trotzdem schon über einen Zeitraum von 450 Jahren populär sein?



Anstoß eins für dieses Posting: Ich liebe Science-Fiction-Filme und -Serien. Anstoß zwei: Nicht nur mir fiel nach und nach auf, dass sich eine bestimmte Schriftart (bzw. ihr Vorfahre) seit Jahrzehnten in diesem Genre ungebrochen großer Beliebtheit erfreut. Es gibt Websites mit langen Listen der Filme, in denen diese Schriftart vorkommt¹.



Im Jahr 1952 entwarfen die italienischen Designer Alessandro Butti und Aldo Novarese eine futuristisch anmutende Schrift mit dem Namen »Microgramma«, deren Buchstabenformen an die abgerundete rechteckige Kontur eines Fernsehbildschirms erinnern². Die Schrift war ursprünglich nur als »Display Font« für kurze Beschriftungen und Überschriften gedacht und besaß daher weniger Schriftzeichen als eine vollständige Schrift für den Satz längerer Texte. 10 Jahre später erweiterte Novarese die Schrift dahingehend, verfeinerte das Design minimal und gab der Schrift den Namen »Eurostile«³. Schon kurz darauf, ab etwa Mitte der 1960er Jahre, waren beide überall dort ausgesprochen beliebt, wo Typographie modern, wissenschaftlich, minimalistisch, technisch oder fortschrittlich wirken sollte. Der erste Blockbuster, in dem die Schrift auftaucht, war vermutlich Stanley Kubricks »2001« aus dem Jahr 1968. Und die Liste der weiteren Filme seither ist lang – hier nur ein Auszug:



  • 2001 – Odyssee im Weltraum (1968)
  • 

THX 1138 (1971)


  • Dark Star (1973)
  • 

Star Trek – Der Film (1979)
  • 

Zurück in die Zukunft (1985)


  • Die Fliege (1986)


  • Alien 3 (1992)


  • Starship Troopers (1997)


  • WALL·E (2008)
  • 

Total Recall (2012)


  • Star Trek Discovery (2017)


  • Star Trek Picard (2023)



Mich interessierte nun: Bis zu welchem Jahr in der Zukunft reichen die fiktiven Handlungen der Filme, in denen diese Schriftart auftaucht? Nach meinen Recherchen aktuell bis ins Jahr 2402 – genau 450 Jahre nach ihrem Entstehungsjahr: In Staffel 3 der Serie »Star Trek Picard« trägt das Raumschiff U.S.S. Titan (NCC-80102-A) am Heck seinen Namen in dieser Schrift.



In meiner kleinen Bildergalerie habe ich einmal einige der Werke sowohl mit dem Jahr ihrer Entstehung als auch ihrer Handlung aufgelistet. Mr. Spock würde angesichts der Langlebigkeit der Eurostile vermutlich sagen: »faszinierend!«.
🤓 🔠 🖖



Fontspots Eurostile:
1 ➡️ https://typesetinthefuture.com/2014/11/29/fontspots-eurostile/



Microgramma:
2 ➡️ https://de.wikipedia.org/wiki/Microgramma_(Schriftart)

Eurostile:
3 ➡️ https://de.wikipedia.org/wiki/Eurostile

Credits:
»2001 – Odyssee im Weltraum« · Foto: Screenshot (© Metro-Goldwyn-Mayer)
»Dark Star« · Foto: Screenshot (© John Carpenter)
»Mondbasis Alpha 1« · Foto: Screenshot (© Group Three Productions/Gerry Anderson Productions | ITV)
»Star Trek – Der Film« · Foto: Screenshot (© Paramount)
»Alien 3« · Foto: Screenshot (© 20th Century Fox)
»Star Trek Discovery« · Foto: Screenshot (© Paramount | CBS Television Studios)
»Star Trek Picard« · Foto: Screenshot (© CBS Television Studios)

17.01.2025

Und noch ein typographisches Fundstück aus der letzten Woche – entdeckt in Hamburg in der Nähe des Heiligengeistfeldes. In einer »Carolinen-Passage« benannten Seitengasse finden sich einander gegenüber, zwei dieser alten Friese an den dortigen historischen Wohngebäuden aus dem späten 19. Jahrhundert. Interessant ist auch die alte Schreibweise mit C, denn das dahinterliegende Stadtviertel, das »Karolinenviertel« oder »Karoviertel« wird mittlerweile mit K geschrieben.



Im Internet lernte ich, dass eine »Passage« damals einen kleinen (ggf. auch befahrbaren) Weg benannte, der zwei größere Straßen miteinander verbindet. In Hamburg gibt es dafür andernorts auch noch das Wort »Twiete«. Ferner heißt es: »… Solche Durchgänge nannte man früher auch ›Schietbüdelsgang‹.« Wörtlich ins Hochdeutsche übersetzt bedeutet Schietbüd(d)el »Scheißbeutel« – also Windel –, der Begriff wurde aber auch als rustikales Kosewort für kleine Kinder verwendet. Ob Schietbüdelsgang nun aber einen Weg bezeichnet, in dem kleine Kinder spielen, einen, in dem die Müllbehälter der Anwohner standen oder einen engen Durchgang, der einfach nur ein bisschen dunkel und schmuddelig ist, konnte ich nicht ergründen.



Doch zurück zur Typographie. Fotografiert habe ich den Schriftzug eigentlich, weil mich die abgerundeten erhabenen Buchstabenformen des Schrift-Reliefs spontan an Lebensmittelbuchstaben, etwa bei »Russisch Brot« oder Buchstaben-Suppennudeln erinnerten … 🙂

Fazit aber auf jeden Fall: Ich sollte öfter mal wieder in Hamburger Straßenzügen außerhalb meines üblichen Alltagsradius herumstreifen. Spannend, was man da alles entdecken kann … 🤓 🔠

10.01.2025

Das typographische Fundstück der Woche entdeckte ich diesmal in der Nähe der Hamburger Grindelallee, auf dem Weg zu einem Termin. Ich war bewusst eine Bushaltestelle früher ausgestiegen, um den restlichen Weg zu Fuß zurückzulegen, weil ich in diesem Viertel selten umherstreife und darauf gehofft hatte, vielleicht neue Motive für diese Rubrik zu finden. 🙂



Natürlich erkennen wohl die Meisten sofort, dass die Buchstaben die Wortmarke einer bekannten deutschen Spirituose repräsentieren, aber interessant ist, dass dies überhaupt so gut funktioniert, obwohl ganze 5 der 12 Buchstaben (> 40%) der kompletten Wortmarke fehlen. Die Buchstabenabstände sind komplett »Freestyle«, die Grundlinie tanzt und die oft über dem Schriftzug platzierte Bildmarke mit dem Hirsch fehlt hier. Trotzdem erkennen wir: »Jägermeister«.



Die Wiedererkennung funktioniert auch ungeachtet dessen, dass von der Wortmarke verschiedenste offizielle und inoffizielle Farbvarianten in Umlauf sind: Auf den bekannten Likörflaschen steht sie in der aktuellen Version in einem dunklen Braun auf orangefarbenem Hintergrund und ist zudem mit einem ecrufarbenen und einem terracottabraunen Schatten versehen. Auf der Website ist sie im Header weiß auf dunkelgrün, woanders steht Terracottabraun auf Orange. Es gibt, von der Marke selbst, Produktvarianten mit weißem Schriftzug auf Schwarz, Braun auf Gold oder Weiß auf Rotbraun. Im Netz kursieren veraltete oder user-generierte Varianten in Schwarz, dunkelgrün, mit Buchstabenkontur oder Schatten ebenso wie ohne all dies. Man findet die Wortmarke in Dunkelgrün auf Orange, in Ecru auf Dunkelbraun, in Grau, Hellgrün und sogar Pink. Der Wiedererkennbarkeit der Marke tun diese »Remixe« jedoch keinen Abbruch.



Für mich ist das ein Indiz für eine starke Marke und eine unverwechselbare, eigenständige Gestaltung. Die auf den ersten Blick etwas aus der Zeit gefallene Typographie mit ihrer kantigen, gebrochenen Schrift ist sicherlich hauptverantwortlich für die Robustheit dieser Marke. 



Ich meine, die Auswahl einer passenden, markanten Schriftart (oder sogar eine eigens gezeichnete Wortmarke wie hier) kann immer maßgeblich zum Fundament einer starken Marke beitragen. Selbst wenn Kunden oder Fans den Schriftzug mal so malträtieren sollten wie auf dem Foto. 😉 🤓 🔠 



Jägermeister Logo-Historie:


➡️ https://1000logos.net/jagermeister-logo/

03.01.2025

Nach den feiertagsbedingten, bewussten Unregelmäßigkeiten meines ansonsten freitäglichen Posting-Taktes für das »typographische Fundstück der Woche« möchte ich mit dem Schnappschuss eines Bahnhofsgebäudes (aus dem Zugfenster geknipst) hiermit wieder zum gewohnten Rhythmus zurückkehren. Ich finde, wieder mal ein schönes Beispiel für eine halbwegs gut erhaltene, alte Stationsbeschriftung außerhalb der DB-Standards (bzw. vor deren Einführung).

Schönes Wochenende! 🤓 🔠 🛤️