verknallt in Schrift und Buchstaben

Monat: Februar 2024

23.02.2024

Das neueste typographische Kleinod stammt diesmal von einem fotografischen Streifzug durch Kopenhagen im November 2022. Ob diese beiden Schriftzüge zu ihrer Zeit gemeinsam für dasselbe Gewerbe warben oder für zwei getrennte Unternehmen, vermag ich nicht zu sagen. Ein »Frøhandel« jedenfalls dürfte ein Samen- oder Saatenhändler gewesen sein. Ich habe schon in einigen Städten Europas solche schönen handgemalten historischen Hinweise auf Geschäfte oder Unternehmen entdeckt, unter anderem in Edinburgh, Meißen und Göttingen und freue mich immer wieder, wenn gerade diese nur dünn auf Putz gepinselten Zeugnisse der Vergangenheit alle Wetterunbill, Renovierungen, Neuanstriche und Änderungen durch nachfolgende Gewerbetreiber bis heute überdauern konnten.

16.02.2024

Das aktuelle Fundstück der Woche ist tatsächlich schon über 20 Jahre alt und zeigt eine wunderschöne reliefartige Ladenbeschriftung an einer Hausfassade in Eisenach. Fotografiert wurden die Motive Anfang November 2003 und es stellt sich die Frage, ob dieses Kleinod mit seinen zauberhaft ausgearbeiteten, sehr eigenständigen Buchstabenformen (ich schätze, etwa um 1925) heute überhaupt noch existiert. Vermutlich wurden die Schriftzüge seinerzeit eigens für den Laden entworfen und dreidimensional angefertigt (gemeißelt? gegossen?). Ich bin froh, dass ich dieses Kunstwerk damals fotografisch festgehalten und dadurch bewahrt habe.



Update: Das Haus in der Marienstraße 19 steht tatsächlich noch und auch die Inschrift ist noch da. Ich konnte das Architektenbüro ausfindig machen, welches das Gebäude saniert hat, und auch bei Flickr findet sich ein Foto von Ende Mai 2023, auf dem das Haus in neuem (mintgrünen) Glanz zu sehen ist:



➡️ https://plewka-architekten.de/projekt/wohn-und-geschaeftshaus-eisenach



➡️ https://www.flickr.com/photos/monsieuradrien/53027855725/in/album-72157719648312294/

09.02.2024

Das typographische Fundstück der Woche verdient diese Bezeichnung diesmal buchstäblich. Am vergangenen Wochenende besuchte ich in Berlin eine Lesung des wortgewandten Schriftstellers Max Goldt im Kabarett »Die Distel«. Zu Hause nahm ich eins seiner Werke aus meinem Bücherregal zur Hand, um einige der gehörten Texte noch einmal nachzulesen. Den betreffenden Band erstand ich im November 2021 über den Onlineshop eines Antiquariats. Und beim Aufschlagen flatterte mir dieser interessante gedruckte Zettel entgegen, der zwischen Umschlagseite und Vorsatz lag und dem Vorbesitzer wohl als Lesezeichen diente. Die Buchstabenformen wirken eindeutig handgezeichnet. Offensichtlich ist es eine Art historischer Beleg oder Einschubzettel für die Platzreservierung in einem Zug. In welchem Land (DE/AT/CH) oder aus welcher Epoche, bleibt allerdings vorerst ein Geheimnis – es sei denn, einer der Leser hier kann Näheres dazu beisteuern.



Ich habe schon häufiger derlei Einlegezettel in antiquarischen Büchern gefunden, einmal z.B. einen handgeschriebenen Zettel mit Notizen, die wohl als thematische Konversationshilfe bei einem (ersten?) Rendezvous dienen sollten. Ein Grund mehr, warum ich Bücher, die schon einen oder mehrere Vorbesitzer hatten, spannender finde als druckfrische. 🙂

02.02.2024

Das typographische Fundstück der Woche wurde diesmal gesichtet im Schaufenster eines Computerreparatur-Services in Berlin-Kreuzberg.

Schon lange gibt es im Spektrum der auf Papier und Bildschirmen nutzbaren Schriftarten besonders gestaltete Fonts, die bewusst »zerstört« aussehen – etwa historische Schreibmaschinenschriften, Stempelschriften, Schablonenschriften oder gerasterte Schriften – vgl. die verlinkten Beispiele am Ende dieses Postings*. All diesen gemein ist, dass die korrupten Formen der Buchstaben absichtlich vom Schriftgestalter angelegt wurden.



Manchmal findet man aber auch im Alltag defekte, fehlerhafte oder anderweitig erodierte Schriften, die gerade durch diese Fehler besonders auffällig oder interessant werden: verwitterte Wandbeschriftungen, Schilder mit rissiger Farbe, abblätternde Folienbuchstaben usw. Im heutigen Fall ist es ein elektronischer Fehler in Form zahlreicher defekter LEDs, der die Buchstaben »anknabbert« und so fast unleserlich macht – aber eben nur fast.





Beispiel-Schriftarten:



Schreibmaschine:
➡️ https://www.myfonts.com/de/collections/mystery-typewriter-font-ana-s-fonts



Stempel:
➡️ 

https://www.myfonts.com/de/collections/ff-stamp-gothic-font-fontfont

Schablone:
➡️ 

https://www.myfonts.com/de/collections/uxb-font-astrolux

Erosion:
➡️ https://www.myfonts.com/de/collections/mineru-font-linotype