Das Typographische Fundstück

verknallt in Schrift und Buchstaben

Seite 15 von 19

02.02.2024

Das typographische Fundstück der Woche wurde diesmal gesichtet im Schaufenster eines Computerreparatur-Services in Berlin-Kreuzberg.

Schon lange gibt es im Spektrum der auf Papier und Bildschirmen nutzbaren Schriftarten besonders gestaltete Fonts, die bewusst »zerstört« aussehen – etwa historische Schreibmaschinenschriften, Stempelschriften, Schablonenschriften oder gerasterte Schriften – vgl. die verlinkten Beispiele am Ende dieses Postings*. All diesen gemein ist, dass die korrupten Formen der Buchstaben absichtlich vom Schriftgestalter angelegt wurden.



Manchmal findet man aber auch im Alltag defekte, fehlerhafte oder anderweitig erodierte Schriften, die gerade durch diese Fehler besonders auffällig oder interessant werden: verwitterte Wandbeschriftungen, Schilder mit rissiger Farbe, abblätternde Folienbuchstaben usw. Im heutigen Fall ist es ein elektronischer Fehler in Form zahlreicher defekter LEDs, der die Buchstaben »anknabbert« und so fast unleserlich macht – aber eben nur fast.





Beispiel-Schriftarten:



Schreibmaschine:
➡️ https://www.myfonts.com/de/collections/mystery-typewriter-font-ana-s-fonts



Stempel:
➡️ 

https://www.myfonts.com/de/collections/ff-stamp-gothic-font-fontfont

Schablone:
➡️ 

https://www.myfonts.com/de/collections/uxb-font-astrolux

Erosion:
➡️ https://www.myfonts.com/de/collections/mineru-font-linotype

31.01.2025

Den beiden heutigen typographischen Fundstücken der Woche würde ich den Namen »Lese-Challenge« geben. Das erste stammt aus Berlin-Treptow und die en-passant-Qualität des Fotos macht eine eindeutige Identifizierung der Schrift nicht ganz leicht, aber anhand des S würde ich sagen, es ist die »Akzidenz Grotesk Bold« – eine Verwandte der »Helvetica«, aber deutlich älter. Die erste Version der Akzidenz Grotesk der Schriftgießerei H. Berthold AG erschien bereits 1898, während die Helvetica (unter diesem Namen) erst 1961 das Licht der Welt erblickte.



Ein weiteres Bildmotiv aus der gleichen herausfordernden Kategorie sah ich kurz darauf im Vorbeifahren im brandenburgischen Städtchen Stölln, allerdings ohne die Gelegenheit, ein Foto zu machen. Doch tatsächlich ist das erspähte Schild auch bei Google StreetView dokumentiert.



➡️ https://t1p.de/marmeladenschild

Die am Straßenrand so kryptisch feilgebotenen süßen Brotaufstriche werden übrigens beworben mit der Schriftart »ITC Souvenir«. Sie erschien unter diesem Namen Anfang der 1970er Jahre und war die erweiterte Neuauflage einer Schrift, die bereits 1914 von Morris Fuller Benton entworfen wurde. Die neue Version des Designers Ed Benguiat, mit zusätzlichen Stilen und einer Kursivschrift, war mit ihren weichen, nostalgischen Formen in den 1970er Jahren extrem populär. Im MS-Office-Paket findet man sie noch heute im Schriftmenü unter dem Namen »Jasmine UPC«. 🤓 🔠 🙂



Akzidenz Grotesk:


➡️ https://de.wikipedia.org/wiki/Akzidenz-Grotesk

Helvetica:


➡️ https://www.pixartprinting.de/blog/geschichte-schrift-helvetica/



(ITC) Souvenir:


➡️ https://en.wikipedia.org/wiki/Souvenir_(typeface)



Jasmine UPC:


➡️ https://www.myfonts.com/de/collections/jasmine-upc-font-microsoft-corporation

26.01.2024

Das Fundstück der Woche ist diesmal »brandneu«, es wurde am vergangenen Sonntag in der Hamburgischen Staatsoper entdeckt. Ein wunderschön schlichtes Metall-Emblem, das sich im Treppenhaus in jeder Etage auf den Abdeckblenden der Verschläge zur Brandbekämpfung befindet. Da das Gebäude der Staatsoper erst 1955 erbaut wurde, bezieht sich das Datum auf der Metalleinfassung vermutlich auf den Handwerksbetrieb, der die Installation vornahm.

19.01.2024

Das typographische Fundstück der Woche ist diesmal ein vom Bildschirm abfotografiertes Standbild aus dem Vorspann von »Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung« aus dem Jahr 1999. Daran kann man sehr schön sehen, dass Typographie nicht nur bedeutet, wie die Formen der einzelnen Buchstaben aussehen, sondern auch, wie Gruppen von Buchstaben, Wörtern, Zeilen und Absätzen beim Formatieren zu einem besser oder schlechter lesbaren Text angeordnet werden.



Generell ist der sogenannte »Blocksatz« eine anspruchsvollere Art, Texte zu gestalten, denn durch die fixe Zeilenbreite sind erstens häufigere Worttrennungen erforderlich (wenn ein längeres Wort nicht mehr komplett in die Zeile passt) und zweitens müssen oft die Abstände zwischen den Wörtern oder auch zwischen den Buchstaben verkleinert bzw. vergrößert werden, um eine Zeile mit nicht exakt passender Textmenge auf die vorgegebene Breite zu strecken oder zu stauchen. All diese Kunstgriffe bergen ein großes Risiko, dass Texte dadurch unansehnlich und/oder schlechter lesbar werden, da zu viele auffällige Lücken, Stauchungen oder Trennstriche das Auge irritieren. Deshalb ist bei Blocksatz ein gewisses typographisches Feingefühl von Vorteil.



Man sollte meinen, dass bei einem Blockbuster wie diesem, der mit einem Produktionsbudget von 115 Mio. US-Dollar realisiert wurde und bis heute weltweit über eine Milliarde US-Dollar eingespielt hat*, etwas Geld in der Kasse vorgesehen wäre, um für die Umsetzung der deutschen Titel einen visuell hinreichend einfühlsamen Gestalter anzustellen. War aber dann doch wohl entweder zu teuer – oder es musste gewährleistet bleiben, dass Darth Vader auch mit seinem riesigen Imperialen Sternzerstörer-Raumschiff noch bequem durch die Lücken im Text fliegen kann … 😉



Die englische Version ist tatsächlich etwas weniger löchrig gesetzt:


➡️ https://www.youtube.com/watch?v=LZtkDf8VRbw&t=27s



* Quelle der Zahlen:
➡️ https://www.boxofficemojo.com/title/tt0120915/?ref_=bo_cso_table_48

12.01.2024

Das Motiv heute kommt, wie der aktuelle Blick aus dem Fenster, fast ohne jegliche Farben aus.



Nur noch 49 Tage, bis zu dem Monat, in dem wieder der Frühling beginnt!


🙂 🌼 🌱 ☀️

05.01.2024

Das heutige Fundstück ist diesmal ein Link zu einem interessanten (bebilderten) Posting des Historikers und Buch-/Kommunikationswissenschaftlers Daniel Bellingradt auf der Social-Media-Plattform Mastodon. Darin kann man sehen, wie in den Kindertagen des Buchdrucks z.B. bei Kapitelanfängen auf den gedruckten Buchseiten Platz gelassen wurde für die später von Hand eingefügten, kunstvoll gezeichneten großen und oft farbigen Initalen. Damit der Künstler wusste, welchen Buchstaben er jeweils einzufügen hatte, wurde dieser oft als kleine einzelne Letter an der leeren Stelle vorgedruckt. Wieder was gelernt!


Post by @dbellingradt@historians.social
View on Mastodon

29.12.2023

Das heutige Fundstück stammt diesmal vom 25. Mai 2017 und soll angesichts des bevorstehenden Jahreswechsels ein wenig freundliche Stimmung verbreiten und zum Nachdenken über den Umgang miteinander in der Gesellschaft anregen. Ich fände es schön, wenn 2024 ein Jahr würde, in dem die Menschen nicht nur nett zu den Pflanzen (und Tieren) wären, sondern auch wieder netter zueinander. Wo Meinungsverschiedenheiten kein Grund sind, Mauern und Gräben zu ziehen oder gar Andersdenkenden mit Gewalt und Mord zu drohen, sondern Verständigung zu suchen. Wo Hilflosigkeit, Krankheit und Armut kein Anlass für Häme und Ausgrenzung sind, sondern für Empathie, Solidarität und Hilfsbereitschaft. Wo Unzufriedenheit mit der Politik nicht zum Verlassen des demokratischen Weges führt, sondern zu positivem, zukunftsorientiertem und nachhaltigem Aktivismus, auch abseits der Parteien. Wo Vielfalt und Teilhabe nicht als Bedrohung gesehen werden, sondern als Chance. 



Es wäre mal wieder Zeit für ein Jahr, an dessen Ende wir gerne zurückblicken.



22.12.2023

Das Motiv zum Weihnachtsfest ist diesmal kein Zufallsfund, sondern eine Serie von 10 »Architektur-Schnappschüssen«, die ich während einer kleinen Fotosafari durch Hamburg gesammelt und zu einem Festgruß kombiniert habe. Ich wünsche allen Mitlesern meiner kleinen Rubrik hier schöne Weihnachtstage und ein paar erholsame Tage abseits von Office, Business und Terminen! 🎅🎄🎁👼🍽🍷🍀

15.12.2023

Das typographische Fundstück ist heute ein Foto aus der Kategorie »Überlebende«. Wenn eine zeittypische historische Beschriftung an einer Fassade ihren einstigen Urheber überdauert, verbleibt an dieser Stelle nicht nur ein nostalgisches Relikt der vergangenen Blütezeit eines Ortes oder Unternehmens, sondern – durch die inzwischen neue Belegung des Gebäudes mit komplett anderen Unternehmen, Geschäften, Mietern oder Bewohnern – auch ein manchmal surrealer bis amüsanter Widerspruch aus »Titel« und »Inhalt«. In diesem Gebäude in Hildesheim z.B. befindet sich unter dem Dach des einstigen Reformhauses mittlerweile – ein Kiosk.



08.12.2023

Das heutige Fundstück stammt diesmal aus Berlin, wo ich mich häufig aufhalte und bei der An- und Abreise jedes Mal am Treptower Park am Portal des »Sowjetischen Ehrenmals« vorbeikomme. Die deutsche Version der dortigen Inschrift weist – mal völlig abgesehen von den politischen und zeitgeschichtlichen Aspekten des Bauwerks, seiner Errichtung sowie dem Wortlaut und Inhalt der Inschrift – zwei typographische Details auf, die mir jedes Mal auffallen.

Eigentlich gehören in Stein gemeißelte Inschriften mit zu den langlebigsten Arten, die es gibt, um schriftliche Botschaften zu hinterlassen und somit auch, einem Text typographisch Form zu geben. Da ist es im Allgemeinen üblich, dass sich die Urheber und ausführenden Steinmetze besondere Mühe geben, die Schrifttype sorgfältig auswählen, vielleicht sogar eigens eine Schriftart entwerfen, die Zeilen und Buchstaben ästhetisch anordnen, auf Abstände achten und den Zeilenumbruch behutsam takten. Denn das, was dort eingraviert wird, wird meist noch nach Jahrzehnten von nachfolgenden Generationen zu lesen sein.



Hier jedoch wurden die Lettern des Wortes UNABHÄNGIGKEIT, um noch in die Zeile passen zu können, fast brachial zusammengeschoben und in der folgenden Zeile sogar – was bei gemeißelten Texten meines Wissens eigentlich als Fauxpas gilt – das Wort HEI-MAT in der Mitte getrennt und in eine neue Zeile umbrochen.



Ich frage mich, was wohl der Grund dafür war. Hast oder Zeitdruck bei der Anfertigung? Unkenntnis, Unwille, Gleichgültigkeit oder Unvermögen? Eine Order »von oben«, der nicht zu widersprechen war?

Vielleicht kann ja einer der Leser hier noch Details zu diesem vermeintlichen handwerklichen Makel beitragen oder womöglich gibt es ja auch anderswo noch steinerne Inschriften, in denen ohne Bedenken Worte getrennt oder ähnlich grenzwertig spationiert wurden.

« Ältere Beiträge Neuere Beiträge »