Manchmal fällt (mir) ein einzelnes Zeichen innerhalb eines typographischen Fundstücks ganz besonders auf. Oder ich begegne einer Schrift bzw. einem Schriftzug mit übergreifend (schönen oder sonderbaren) Details.
Das typographische Fundstück der Woche stammt ganz aktuell von gestern und wurde entdeckt in den historischen Räumlichkeiten eines Veranstaltungszentrums in Neubrandenburg, wo unsere Agentur im Kundenauftrag einen Workshop druchführte.
Es war nicht die einzige antike Uhr, die sich in diesem Ambiente befand, aber mit Sicherheit diejenige, deren Ziffern durch ganz besonders individuelle Formen überraschen: So sind z.B. alle vier Vorkommen der 1 unterschiedlich gestaltet, die 4 macht oben Platz für den Bauch der 3, die 5 gönnt sich ein geschwungenes Dach, der Mittelstrich der 7 winkt ausschließlich nach rechts, die 8 lässt deutlich die Überlagerung zweier Kreise erkennen, die 0 in der 10 wartet mit einer gewagten vertikalen Asymmetrie auf und die 11 ist sogar eine »Ligatur« zweier Ziffern.
Zumeist widmeten sich meine Beiträge bisher eher Buchstaben, aber man sieht: auch Ziffern können typographisch begeistern.
Das typographische Fundstück ist diesmal ein großes kleines g auf einem Plakat des Ernst-Deutsch-Theaters in Hamburg, entdeckt am Bahnsteig der Station U Gänsemarkt.
Einfach nur, weil es so schön aussieht. 🙂🤩
Über das Forum des Portals typographie.info konnte die Schrift sogar nachträglich identifiziert werden: Es ist die »Multima« des Schriftgestalters Rene Bieder.
Jeden Tag wird es millionenfach benutzt oder gelesen, aber viele wissen nicht, wo es seinen Ursprung hat – das »und-Zeichen«: & (engl. »ampersand«). Auf modernen Tastaturen findet es sich oben auf der Zifferntaste 6, bei älteren Tastaturen hatte es lange keinen festen Platz und stand mal über der 4, 5, 6, 7 oder 9 oder bekam sogar eine eigene Taste zugewiesen.
Die Herkunft seiner verschnörkelten Formgebung kann sehr schön nachvollzogen werden, wenn man das Zeichen eintippt, es in einer »klassischen« Serifenschrift formatiert und dann zwischen den Schriftschnitten »Regular« und »Italic« wechselt. In der »Italic«-Variante ist dann oft mit etwas Fantasie das lateinische Wort »et« (= »und«) in dem Zeichen zu lesen – und das ist gleichzeitig seine Herkunft. Das häufig verwendete Wort »et« wurde in lateinischen Handschriften im Laufe der Zeit zu einer sog. »Ligatur« (= Verschmelzung mehrerer einzelner Zeichen zu einer neuen Form) verbunden. Solche Ligaturen halfen den Schreibern, schneller und effizienter zu schreiben. Im weiteren Verlauf der Schriftentwicklung und insbesondere nach Erfindung der Drucktechniken und des Schriftsatzes mit beweglichen Lettern entstand dann später allmählich das Symbol »&«, das heute am bekanntesten ist und ein bisschen wie eine doppelt geschweifte Acht aussieht.
Weiterführende Links (englisch) mit zusätzlichen Informationen und anschaulichen Beispielen:
Typographisches Fundstück der Woche (entdeckt am Stralsunder Bootshafen).
Ein famoses Beispiel für »die Schönheit der Lücke«. Die besondere Form des »ß«, die das Gesamtzeichen aus zwei nicht miteinander verbundenen Elementen zusammenfügt, führt zu einem sehr merkfähigen und ästhetischen Buchstaben, der dem Logo Exklusivität und Hochwertigkeit verleiht.
(Ich habe nicht recherchiert, ob diese Buchstabenform exklusiv für dieses Logo »von Hand« gestaltet wurde, oder ob eine Schriftart genutzt wurde, bei welcher das »ß« bereits im Zeichensatz so angelegt ist.)
Zwei der meistverwendeten Schriftarten bei Textdokumenten und in Präsentationen auf dem Computer sind die serifenlosen Fonts »Arial« und »Helvetica«. Da sie sowohl zur Systemausstattung von Windows- und MacOS-Rechnern gehören als auch im Produktbundle »Microsoft Office« enthalten sind, kann die Mehrheit der User darauf zugreifen und diese Schriften nutzen.
Auf den ersten Blick sehen sich beide Fonts überaus ähnlich. Man könnte fast meinen, es sei »egal«, welche der beiden Schriftarten man verwendet. Aber wie bei Fingerabdrücken gibt es charakteristische Unterscheidungsmerkmale: einige Buchstaben eignen sich ganz besonders gut dafür, die beiden Fonts auseinanderzuhalten (siehe Bild). Bei anderen, einander sehr ähnlichen Schriften, können es auch andere Zeichen sein, welche zur Unterscheidung prädestiniert sind.
Trotz der oberflächlichen Gemeinsamkeiten gibt es doch deutliche historisch bedingte Unterschiede, denn die Helvetica wurde – zunächst noch unter einem anderen Namen – bereits Ende der 1950er Jahre für traditionelle Druckverfahren entworfen, während die Arial erst Anfang der 1980er Jahre speziell für (pixelbasiert druckende) Laserdrucker konzipiert und später für die Verwendung auf Computern angepasst wurde. Dies führt zu einigen Designdetails, die auch in den technischen Anforderungen bei Darstellung und Ausdruck begründet liegen.
Helvetica besitzt ein klareres Design mit eleganteren Details und einem etwas rechteckigeren (oder weniger abgerundeten) Aussehen. Arial ist die rundere der beiden Schriften, mit weicheren Kurven und offeneren Ziffern. Sie hat insgesamt ein weniger elegantes, unauffälligeres Erscheinungsbild.
Nicht wenige Unternehmen nutzen die beiden Schriften »gemischt« in ihrer Korrespondenz und in Präsentationen, weil die Unterschiede von den Anwendern oft nicht wahrgenommen werden. Doch treffen die beiden Fonts über »Copy & Paste« dann auf derselben Dokumentseite zusammen, entsteht eine subtile, ungelenk wirkende Unstimmigkeit. Es lohnt sich also, die eingestellte(n) Schriftart(en) ab und zu im Schriftmenü zu prüfen und bei einer gemischten Nutzung künftig zu vereinheitlichen.
MOIA ist ein Ridepooling-Unternehmen des Volkswagen-Konzerns, das in Hamburg und Hannover mit auffälligen goldfarbenen Elektro-Vans das Mobilitätsangebot ergänzt.
Gestern in der Mittagspause ist mir zum ersten Mal – beim Passieren eines MOIA-Stellplatzes – aufgefallen, dass durch die besonderen Buchstabenformen in der Wortmarke die Lettern V und W (= VW) am Anfang und am Ende sichtbar werden, wenn das Logo auf dem Kopf steht. 🙃😯🔄
Wie letztes Jahr bin ich auch bei meinem Besuch in diesem Jahr sehr angetan von dem visuellen Konzept der re:publica, das sich durch alle Medien, die Website, Bühnenveranstaltungen, Präsentationen und Postings zieht. Passend zum Leitthema »CASH« wurden grelle »Supermarkt-Plakatfarben« gewählt, dazu passend ein fetter serifenloser Display-Font und ein saftiger, dynamischer Marker-Font. Auf der Bühne stehen Warenkörbe, Palettenwagen und Kunststoffcontainer als Dekoration, die Visuals arbeiten mit Wiederholungen, auffälligen Störern und dem ultimativen Kontrast zwischen »Neonbunt« und »Schwarz«. Sehr gelungen!
Inzwischen weiß ich auch (durch die Fragestunde mit den Organisatoren), dass das Design von re:publica-Mitgründerin Tanja Haeusler / republica GmbH in Zusammenarbeit mit der Berliner Agentur fertig design konzipiert und umgesetzt wird (und bin ein bisschen neidisch). 😉
Wie der Marker-Font heißt, habe ich inzwischen schon herausgefunden: er nennt sich »Walmer Marker« und stammt von der finnischen Type Foundry »Typolar« des Designers Jarno Lukkarila (Link s.u.). Auf der Website des Büros kann man mehr zur Entstehung dieser interessanten Schrift erfahren. Wie die fette Plakatschrift (im Bild rechts, über den Störern) heißt, habe ich noch nicht herausgefunden, aber ich editiere das hier nach, falls es mir noch gelingt – oder vielleicht kennt ja ein Mitleser den Font?
Bis gestern befand ich mich für einige Tage im Urlaub auf der schönen dänischen Insel Bornholm und das brachte mich auf den Gedanken zu diesem Posting.
Denn seit ich Ende der 1990er-Jahre erstmals während eines Urlaubs in Dänemark mit dem Zug fuhr, bin ich verliebt in das »Danish g«. Diese ganz besondere Formgebung des kleinen ›g‹ ist nämlich Bestandteil der exklusiven Hausschrift »Via« der dänischen Eisenbahngesellschaft DSB (Bild 1) und damit präsent auf sämtlichen Beschilderungen und Anzeigetafeln an dänischen Bahnhöfen. Die in Kopenhagen ansässige Agentur Kontrapunkt schrieb zu ihrer damaligen Schriftgestaltung:
»The open loop of the ›g‹ is derived from the Danish signage tradition. The feature arose from the simple need to use the available space on a sign the best possible way.« 🇩🇰☝️
Und tatsächlich ist dieses spezielle ›g‹ auf etlichen lokalen Straßenschildern zu finden, wenn man ein wenig danach sucht, aber auch in aktuellen Logos erfreut sich dieser charakteristische Kleinbuchstabe nach wie vor großer Beliebtheit (Bild 2). Ein Vorkommen begegnete mir sogar weitab des dänischen Ursprungs in der Inschrift eines historischen Grabmals auf dem Friedhof St. Sebastian in Salzburg (Bild 3)! 😲🇦🇹
In jüngster Zeit kamen nun (endlich!) auch einige Computerfonts auf den Markt, die das »Danish g« in ihren Zeichensatz aufgenommen haben. Die Schriftarten heißen z.B. Dane, Syne, Gingar, Regave, Lufga, Batory oder Egon und ich finde es großartig, dass diese famose Form nun über Dänemark hinaus größere Verbreitung findet. 🤩🔠
Inzwischen hat sogar ein Kunde unserer Agentur biike – die Renneberg Wirtschaftskanzlei – unseren Designvorschlag angenommen, die eigene Wortmarke mit diesem besonderen ›g‹ gestalten zu lassen, was mich ganz besonders freut. Denn es sieht nicht nur gut aus und passt perfekt zu dem auf ›g‹ endenden Namen des Unternehmens, sondern sorgt auch für eine wunderbar unterschwellige Weise für eine hohe Wiedererkennbarkeit. Win-win! 👍😀