verknallt in Schrift und Buchstaben

Kategorie: Zeichenformen (Seite 2 von 6)

Manchmal fällt (mir) ein einzelnes Zeichen innerhalb eines typographischen Fundstücks ganz besonders auf. Oder ich begegne einer Schrift bzw. einem Schriftzug mit übergreifend (schönen oder sonderbaren) Details.

06.06.2025

Weiter geht es am heutigen Freitag vor dem langen Pfingstwochenende mit der gebündelten »Abarbeitung« meiner kürzlich in Barcelona erbeuteten typographischen Fundstücke. Die Überschrift diesmal lautet »Schreibschriften«.

Für Ladenbauer und Werbetechniker sind – insbesondere dreidimensionale – Beschriftungen solcher Art in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung, denn die Schreibschriftwörter an der Ladenfassade sollten ja den Eindruck machen, als seien sie flüssig und in einem Zug geschrieben worden. Bei solchen (beleuchteten wie unbeleuchteten) Objekten muss daher entweder das Gesamtgebilde wortweise aus einem Stück gefertigt werden oder es muss sorgfältig so konzipiert und hergestellt werden, dass nach einer Montage aus einzelnen Modulen möglichst kaum oder keine Nahtstellen sichtbar sind. 



Bei gedruckten oder aus Klebefolie erstellten Objekten sind diese Herausforderungen deutlich geringer, da gedruckte oder geplottete Schreibschrift-Objekte, je nach verfügbarer Bahnbreite oder den Bogenmaßen des Trägermediums, oft tatsächlich in einem Stück gefertigt werden können. Im Falle einer modularen Fertigung können Nahtstellen merklich unauffälliger sein und sich bei sorgfältiger Montage sogar inmitten einzelner Buchstaben befinden. Fehltritte bei der Produktion sind hier zwar immer noch ärgerlich, aber weitaus weniger kostspielig, da der Material-und Arbeitsaufwand nur einen Bruchteil dessen ausmacht, was ein voluminöser und ggf. beleuchteter Schriftzug aus Holz, Metall oder Kunststoff kostet.



Die drei Beispiele hier nutzen meiner Einschätzung nach allesamt keine kommerziellen Schriftarten, sondern wurden individuell für die Auftraggeber gestaltet: Ein Objekt (»Baixos 36«) wurde wohl aus Eisen gebogen und verschweißt, eins (»Hispanos«) erweckt aufgrund der leicht unebenen Oberfläche den Eindruck, als sei es aus einem form-/knetbaren Material gefertigt worden und das dritte (»Moliné«) besteht vermutlich aus einer Metalleinfassung mit illuminierter Plexiglas-Front. Hier kann man noch einzelne Module erkennen – zwischen den einzelnen Buchstaben sind die feinen Nahtstellen zu erkennen, an denen sie ineinander übergehen.



Mit diesem Posting wünsche ich allen Lesern meiner Rubrik schöne Pfingsttage. Am Montag wird das »typographische Bonbon« feiertagsbedingt entfallen. Wir lesen uns wieder in einer Woche! 🤓 🔠

30.05.2025

Ein Bilderstau muss abgetragen werden, ich habe in letzter Zeit einfach zu viele Buchstabenfotos geknipst, um sie hier alle wöchentlich einzeln abzuhandeln. Deshalb habe ich entschieden, meine typographischen Fundstücke (zunächst aus Barcelona) gruppenweise zu posten, und zwar jeweils mit 2–4 Motiven, die eine gewisse inhaltliche Verwandtschaft haben.



Ich beginne heute mit »Lädchen«. Selten zuvor sind mir auf einer Städtereise so viele kleine Geschäfte oder Betriebe aufgefallen, bei denen die außen an der Fassade oder über den Schaufenstern angebrachten Schriftzüge so individuell, detailverliebt, außergewöhnlich und abseits abgenutzter Einheitsschriften gestaltet waren. Insbesondere das Viertel, in dem meine Unterkunft lag, erwies sich als eine wahre Fundgrube. Gewiss sind nicht alle dokumentierten Werke »hübsch«, gefällig oder handwerklich perfekt – aber für mich allemal interessanter als eine weitere Darbietung visueller Ödnis.



Ein Lob der Typo-Anarchie! 🤓 🔠 🇪🇸 👊

23.05.2025

Schon über eine Woche bin ich wieder zurück aus Barcelona und heute möchte ich von dort die ersten beiden typographischen Fundstücke präsentieren, die beide etwas gemein haben – und zwar eine ungewöhnliche Formgebung bei der Ziffer 1. Beim Vorbeigehen an dem Haus, dessen Hausnummer ich auf dem ersten Bild fotografiert habe, musste ich tatsächlich die Nummern der beiden benachbarten Häuser checken, um zu begreifen, dass es sich um die Zahl »11« handeln soll. Eine solch eigenwillige Form bei Einsen hatte ich bewusst bisher noch nie gesehen. Einige hundert Meter weiter begegnete mir dann vor einem Fenster ein schmiedeeisernes Gitter, in dem die 1 der eingearbeitete Jahreszahl »1862« genau dieselbe, an ein Schreibschrift-𝓘 oder -𝓙 erinnernde Gestalt hatte.

(LinkedIn-Kommentator und Schriftgestalter Albert-Jan Pool brachte auch noch die Ähnlichkeit mit einem 𝓼 ins Spiel.)



Vielleicht kann ja eine(r) der hier Mitlesenden etwas dazu beitragen zu der Frage, ob diese Form eine typisch spanische Eigenheit ist oder woher sie sonst stammen könnte. Ich bin gespannt!

19.05.2025

Das heutige typographische Bonbon ist vielleicht eher etwas für die älteren unter den Lesern. Nämlich die, die sich noch daran erinnern, dass zwischen 1970 und 1973 immer freitags um 18.35 Uhr im Vorabendprogramm des ZDF eine Sendereihe unter dem (heute kritischer zu betrachtenden) Titel »Dick & Doof« mit Stan Laurel und Oliver Hardy zu sehen war – und bis zu 16 Mio. Zuschauer pro Woche verzeichnen konnte! 



Das Besondere an der Aufbereitung des Filmmaterials war – neben dem teils abenteuerlichen Zusammenschnitt mehrerer unabhängig entstandener Filme zu einer neuen 25-minütigen »Story« und der schwungvollen Musikuntermalung von  Fred Strittmatter und Quirin Amper jr. – oft die »Ein-Mann-Synchronisation« durch den Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch, der mit großer Stimmenvielfalt und seinen eloquent-verschrobenen Off-Kommentartexten den Sketchen der beiden Komödianten eine ganz neue, sehr deutsche, aber auch höchst amüsante Facette verlieh.



Im Vorspann der Serie (die hier im Haushalt kürzlich auf DVD erstanden wurde) fiel mir gleich der kuriose Titelschriftzug auf, der mit seinen comic-artigen massiven Lettern und den schrägen Formideen (das »k«!) schon fast etwas Logo-artiges hat und dem man die frühen 1970er, wie ich finde, auch formal sehr schön ansieht. 



Mehr Infos zur Serie:


➡️ https://www.wunschliste.de/serie/dick-und-doof#lexikon_inhalt

16.05.2025

Wie vorgenommen, habe ich alle Bildmotive zeigenswerter typographischer Fundstücke von meinen letzten Städtereisen ausgewählt und vorbereitet und kann sie gemütlich Woche für Woche »abarbeiten«. 🙂 



Den Anfang macht heute ein (auch farblich) sehr schönes altes Fassaden-Reklamemotiv aus Trier. Ich liebe ja auch den aus heutiger Sicht etwas gestelzt klingenden Duktus der alten Formulierungen, und genau deshalb habe ich eben auch bewusst »Reklame« geschrieben statt »Werbung«. 



Die Schrift ist mit Sicherheit keine kommerzielle Type, sondern besteht aus individuell gestalteten Buchstaben. Der schmal laufende Slogan am Kopf des Motivs erinnert mich am ehesten an die »DIN Condensed«, die breiter laufenden Zeilen darunter eher an »Avenir« oder »Futura«. Interessant sind die verschiedenen Formen des G im Claim über dem blauen Logo-Feld und in der Unterzeile unter dem Unternehmensnamen. Zu meinen spontanen Ähnlichkeits-Assoziationen habe ich ein zweites Bild angefügt. 



Das beworbene Unternehmen existiert übrigens nach wie vor und bezeichnet sich selbst als »das größte Damenbekleidungsgeschäft der Saar-Lor-Lux Region.« Es wurde 1894 unter dem im Foto dokumentierten Namen »Hochstetter & Lange« eröffnet und firmiert heute nur noch unter dem Namen »Hochstetter«. Wann das Wandmotiv entstand, konnte ich leider nicht verlässlich ermitteln, ich persönlich würde es anhand der Gestaltung und Formulierung geschätzt etwa zwischen 1950 und 1965 verorten. 🤓 🔠 



09.05.2025

Die Woche endet wie gewohnt mit einem typografischen Fundstück der Woche.

Es ist jedoch heute kein eigene Entdeckung, sondern eine Einreichung meines Freundes Robert Plasberg. Er hatte diesen Schriftzug mit seiner interessanten Interpretation des »Ç« in Paris entdeckt und mir gestattet, das Motiv hier zu posten. Ich verorte die Schrift stilistisch – mal wieder – in der Zeit des Art Déco, spontan erinnert sie mich an den Font »ITC Anna«, um 1988–1991 gestaltet von Daniel Pelavin (USA).

Die heute gepostete Einreichung gefällt mir nicht nur grafisch ausgesprochen gut, sondern kommt mir auch aus einem anderen Grund sehr gelegen – denn nach meiner kürzlichen Städtereise nach Trier über Ostern, während der ich viele neue Fundstücke erbeutet habe, folgte nun eine berufliche Reise nach Barcelona. Und obwohl ich nicht viel Zeit hatte mir die Stadt anzuschauen, konnte ich mich in den wenigen Tagen in den verwinkelten Gassen und auf den prachtvollen Boulevards schier bewusstlos fotografieren, was neue typographische Juwelen und Kuriositäten betrifft – und somit wird es eine Weile dauern, bis ich alles gesichtet, sortiert und bearbeitet habe. 

Aber genug Stoff für die nächsten Monate ist auf jeden Fall jetzt schon mal absehbar. 



Bon week-end à tous les garçons et filles, ainsi qu’à tous les autres! 🤓🔠



ITC Anna:
➡️ https://www.myfonts.com/de/collections/anna-font-itc

05.05.2025

Dem Foto des typographischen Bonbons am Montag möchte ich heute lediglich als Bildunterschrift jenen Gedanken hinzufügen, den ich im Moment des Entdeckens hatte:



»Eine Hausnummer wie aus der Mayonnaisetube«.



25.04.2025

Mit dem heutigen typographischen Fundstück der Woche begeben wir uns in die Region meines diesjährigen Kurzurlaubs über die Ostertage – in die Region um die alte Römerstandt Trier an der Mosel. Aus familiären Gründen habe ich eine Verbindung zu dieser Region und liebe sie sehr aufgrund der wunderschönen Landschaft und den vielfältigen Möglichkeiten, auf Wanderungen über die (Wein-)Berge und durch die Natur zu entspannen und meine Kondition zu stärken. 😉



Auf einer Besorgungstour kam ich etwas abseits der Innenstadt an einem Eck-Geschäft vorbei, in dem einst diese Bäckerei ansässig war. Wie im Netz zu erfahren ist, wurde der Betrieb bereits im November 2012 aufgegeben. Das Schild gehört damit zu der mit etwas Melancholie behafteten Kategorie »Beschriftungen, die ihre einstigen Urheber überlebt haben«, aus der ich hier schon das eine oder andere Mal Fundstücke präsentierte.



Mir gefällt der gewagte, dynamische und eindeutig individuell gestaltete Schriftzug mit seinen »Pfosten« links und rechts, zwischen denen sich die Kopfzeile aufspannt, und der kessen r-Schlaufe in der Mitte sehr. Ich finde die Wortmarke keineswegs verstaubt oder antiquiert, ihr leichter Retro-Charme wird durch die trapezförmige Komposition gekonnt an die Gegenwart angedockt.



Hätte die Bäckerei dem Abstieg der Handwerksbäckereien Anfang der 2000er-Jahre noch etwas länger widerstehen können, hätte sie womöglich von der Renaissance guten Brotes profitiert, die sich seit der Corona-Pandemie abzeichnet und wäre vielleicht heute noch geöffnet. Auch ich pflege seit den damaligen Lockdowns einen Sauerteig in meiner Küche und schätze gute Brote aus alten (und neuen!) Manufakturen wie z.B. »Backgeschwister«, »Sironi« oder »Sören Korte Brotmanufaktur« in Berlin und Hamburg – auch, wenn mir deren Logos nicht ganz so gut gefallen wie dieses hier … 😉 🤓 🔠 🍞 



Bericht zur Schließung der Bäckerei:


➡️ https://www.nd-aktuell.de/artikel/239459.beim-baecker-geht-der-ofen-aus.html

Artikel zur Renaissance guten Brotes:


➡️ https://www.falstaff.com/ch/news/baecker-die-neue-brot-zeit-2

17.04.2025

Zwei hab’ ich noch, dann ist meine Ausbeute an typographischen Fundstücken aus Kopenhagen aufgebraucht. Da trifft es sich gut, dass ich nun über Ostern wieder eine Reise antrete und ich hoffe währenddessen natürlich auf neue Schnappschüsse. 😉 



Während meines letzten Städtetrips stand auch ein Besuch des berühmten Friedhofs »Assistens Kirkegård« im Stadtteil Nørrebro auf dem Programm¹. U.a. prominente Wissenschaftler, Denker und Kulturschaffende haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden, etwa der Dichter Hans Christian Andersen, der Philosoph Søren Kierkegaard und der Physiker und Nobelpreisträger Niels Bohr. Deren Grabstätten waren zwar beeindruckend und schön anzusehen, typographisch aber eher unauffällig.



Was meinen Blick jedoch auf sich zog, war ein größeres Familiengrab. Hinter dem schmiedeeisern umzäunten Areal mit den Grabtafeln der Verstorbenen befanden sich, erhöht angebracht, zwei ebenfalls eiserne, rautenförmige Tafeln mit den goldenen Schriftzügen »N:C:HVIIDs̳« und »Familie=Begravelse.« (dän.: Familiengrab), von denen ich die zweite, ihrer Besonderheiten wegen, fotografiert habe. Die erste Inschrift verweist auf den Familiennamen Niels Christian Hviid, der und dessen Angehörige hier begraben sind. Die meisten Verstorbenen tragen ein Todesdatum zwischen 1852 und 1892, nur wenige etwas später bis ca. 1936.



Vier Dinge machten die Tafel im Bild aus meiner Sicht knipswürdig:



  1. Das offenbar absichtliche Fehlen der i-Punkte


  2. Die ungewöhnlich breiten, fast schon unpassenden Initialen


  3. Der Punkt am Ende der Inschrift


  4. Das auf der Grundlinie platzierte = als Trennstrich



Die Inschrift stammt vermutlich aus dem späteren 19. Jahrhundert, ich sehe eine sehr entfernte Ähnlichkeit der Kleinbuchstaben zur Schrift »Bernhard Antique«² (entstanden um 1910). Warum allerdings die o.g. Eigenheiten auf der Tafel auftreten, ist mir bis jetzt unklar. Hat jemand Hinweise oder Vermutungen?
🤔 🤓 🔠 



Website des Friedhofs:
1 ➡️ https://www.kk.dk/brug-byen/byens-groenne-oaser/koebenhavns-kirkegaarde/assistens-kirkegaard

Bernhard Antique:
2 ➡️ https://fontsinuse.com/typefaces/42235/bernhard-antique

14.04.2025

Einen guten Start in die Woche wünsche ich mit dem typographischen Montagsbonbon, natürlich wieder mitgebracht aus der dänischen Hauptstadt. Am Eingang eines historischen Kesselhauses (1899 erbaut) im Kopenhagener Freihafen blieb mein Blick an dieser Buchstabenkombination hängen. Sie steht vermutlich für »Kjøbenhavns Frihavns-Aktieselskab« und die Besonderheit, die mich zu dem Schnappschuss veranlasste, war die ungewöhnliche Form des A, dessen Winkel im Querstrich mich an die 1907 entstandene Schrift »Algerian« erinnerte: 



Deren Buchstabenformen lassen noch ein wenig den Stil des Viktorianischen Zeitalters erkennen, spiegeln aber auch den Einfluss spanischer und nordafrikanisch-arabischer Kalligraphen und Schildermacher wider. Die Schriftart war ab 1993 Bestandteil der Microsoft-Windows-Systemschriften-Bibliothek und wurde wohl zeitweise ziemlich inflationär genutzt, sodass es sogar Hass-Seiten mit Schmähfotos zu ihrem Einsatz gibt. Bis heute wird sie besonders gern genutzt im Umfeld von Pubs, Tavernen und Kneipen oder Antikmärkten. Die drei Initialen an diesem Gebäude sind jedoch sehr wahrscheinlich »Unikat-Buchstaben« und keinem vollständigen Zeichensatz einer bestimmten Schrift entnommen. 🤓 🔠 



Das komplette Gebäude:


➡️ https://www.alamy.com/dampfrgevej-6b-boiler-house-by-amerikakaj-sndre-frihavn-copenhagen-denmark-image468188539.html

Schriftmuster »Algerian« bei Microsoft:


➡️ https://learn.microsoft.com/de-ch/typography/font-list/algerian#style–weight-examples

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