verknallt in Schrift und Buchstaben

Kategorie: Handwerkskunst (Seite 4 von 5)

In dieser Rubrik wurde Schrift nicht zweidimensional gedruckt, gemalt oder aufgeklebt, sondern gemeißelt, geschmiedet, gefräst oder gelasert. Und das hat sichtbaren Einfluss auf ihre Formgebung.

02.10.2024

Typographisches Fundstück № 2 meiner Streifzüge durch Kopenhagen: eine dänische Version des Haustürschildes »Betteln und Hausieren verboten«, aber nicht als schnöder Folienaufkleber, sondern als metallene Reliefplakette, passend zu der vornehmen alten Haustür, an der sie angebracht ist.

Obgleich die Schrift ungelenk übermalt wurde, lässt sie noch ihre Ursprünge erkennen, die ich in den 1920er- oder 1930er-Jahren verorten würde. Ein bisschen »Futura« – aber eleganter, mit prägnanteren Oberlängen –, ein Hauch »Kabel«, eine Prise Lucian Bernhard¹ – die im Jahr 2010 von Santiago Orozco entworfene nostalgische »Josefin Sans«², kommt der Plakettenschrift ziemlich nahe. Lediglich die kalten Aluminiumschrauben holen das Auge unweigerlich in die Gegenwart zurück. 🤓 🔠

1 ➡️ https://de.wikipedia.org/wiki/Lucian_Bernhard

2 ➡️ https://fonts.google.com/specimen/Josefin+Sans

20.09.2024

Das Schöne an den typographischen Fundstücken, die ich mir so Woche für Woche zusammenknipse, sind oftmals die Dinge, die ich darüber lerne, wenn ich den Schriften, Orten oder Wörtern hinterherrecherchiere. Diese Woche freue ich mich mal wieder über ein zauberhaftes Exemplar meines Lieblingsbuchstabens (das kleine »g«), entdeckt auf einer sonntäglichen Stadtwanderung durch Hamburg am Fähranleger »Neumühlen/Övelgönne«. Auf dem fotografierten Schild ist der Name dieses Gebiets im Hamburger Stadtteil Ottensen in einer alternativen Schreibweise mit nur einem »ö« umgesetzt. Aber was bedeutet eigentlich »Oevelgönne«? Ich war neugierig und fragte das Internet.

(Update, 03.09.2025: Das anfängliche Rechercheergebnis wurde gegenüber dem Original-LinkedIn-Posting aktualisiert, da aufgrund eines Kommentars weitere mögliche Deutungen hinzukamen.)

»Der Name des Stadtteils bedeutet ›Übelgunst‹ und bezieht sich dabei entweder auf die zwielichtige Einstellung der ersten Bewohner oder aber auf die schlechte Bebaubarkeit des Geländes.«

Wikipedia

»Der Ortsname ›Ovelgönne‹ erklärt sich wahrscheinlich aus einer Beschreibung der Winkelmann’schen Chronik von 1671, wonach ›Ovelgönne‹ von dem plattdeutschen ›Oevelgönne‹, das heißt ›übel gegönnt‹ (mißgönnt), ableitet. Dies bezieht sich auf die Burg Ovelgönne, die im Jahre 1514 errichtet und kurz danach von den Friesen belagert wurde. In diesem Zusammenhang soll der Oldenburgische Graf (Graf Johann von Oldenburg) gesagt haben: ›Ick günn se er övel‹.

Damit ist die Namensdeutung aber nicht zu Ende. Es gibt z. B. in den Niederlanden ein Euvelgönne. Dies soll soviel heißen wie ›Över gunnen‹, auf Hochdeutsch: ›Auf der anderen Seite‹. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß andere Ortslagen, die den Namen Ovelgönne tragen, zum Teil an Gewässern, d. h. jeweils auf der anderen Seite, gelegen sind. Als Beispiel ist hier Ovelgönne bei Buxtehude anzuführen; auch unser Ovelgönne in der Wesermarsch liegt in der Luftlinie nur 6 km von der Weser entfernt.«

(gemeinde-ovelgoenne.de)



Ist »Übelgunst« nicht – trotz seiner eher negativen Bedeutung – ein famoses altes Wort? Ich nehme das ab jetzt jedenfalls in meinen Wortschatz auf. 

🙂 💬 🔠

(Im zweiten Bild habe ich einmal versucht, die rustikalen, unregelmäßig-gerundeten Originalformen des kleinen g »ordentlich« und etwas moderner nachzuzeichnen.)

30.08.2024

Und wieder zwei im Urlaub »aufgegabelte« typographische Fundstücke: Eine kühl-nordische dreidimensionale Hausinschrift im Zentrum des gleichnamigen norddänischen Insel-Küstenstädtchens (Nykøbing Mors) und ein mit kreativ verschnörkelten Lettern versehener Wanderwegweiser in der Nähe des schwedischen Sees Kymmen in Värmlands län, der auf die winzige Gehöftsiedlung Honkamack mitten im Wald verweist. 🇩🇰 🇸🇪 🔠 😎

23.08.2024 (1)

Aus Urlaubsgründen wird die – selbstverständlich trotzdem fortgesetzte – Serie der typographischen Fundstücke vorübergehend aus eher unkommentierten Schnappschüssen bestehen, die mir während meiner Ausflüge durch Skandinavien ins Auge fallen. Heute beginne ich mit zwei schönen historischen Motiven aus dem beschaulichen Städtchen Skive in Midtjylland, Dänemark.

05.07.2024

Bei einem Blick in mein Archiv typographischer Fundstücke fiel mir diese Woche auf, dass ich zufällig auf meinen aktuellen Reisen nach Regensburg und Stralsund Fotos von Schriftzügen an Gebäuden geknipst habe, die ich vor mehr als einem Jahrzehnt schon einmal abgelichtet hatte – nur in einem jeweils komplett anderen Zustand. In Regensburg wurde der Schriftzug an dem inzwischen geschlossenen Geschäft »SCHUH Bar« kürzlich abmontiert, sodass nur noch der Schatten der Buchstaben übrig blieb. In Stralsund hingegen wurde der damals fast zerstörte Schriftzug an der ebenso baufälligen Fassade der »Milchbar« originalgetreu restauriert und inzwischen genießen in dem Café/Restaurant darunter wieder Einheimische und Touristen ihre Speisen und Getränke.



So fange ich in meiner Sammlung hin und wieder nicht nur einzigartige Zeugnisse der Schriftkultur ein, sondern dokumentiere ab und zu – wenn auch hier unbeabsichtigt – ihr bedauerliches Verschwinden oder ihre erfreuliche Bewahrung. Und das ist ja abseits der Schönheit der Buchstabenformen genauso spannend wie die Schriftzüge selbst … oder?



07.06.2024

Immer noch auf Reisen, daher auch diese Woche wieder ein unkommentiertes Potpourri mehrerer »typographischer Fundstücke«, diesmal eingefangen in den schönen Küstenstädten Stralsund und Greifswald.

31.05.2024

Etwas versteckt hinter dem modernen Teil des ehemaligen Potsdamer Hauptbahnhofs*, am Treppenzugang über eine Autobrücke, präsentierte sich das heutige »typographische Fundstück der Woche«, am Endpunkt einer Wanderung. Interessant fand ich insbesondere die Zweifarbigkeit – und natürlich die Frage, wohin sich wohl das m abgesetzt hat. 🤓



(* Heute heißt der Bahnhof »Potsdam Pirschheide«. Als »Potsdam Hauptbahnhof« war er zwischen 1960 und 1999 der wichtigste Personenbahnhof der Stadt.)



03.05.2024

Als Hamburger mit Zugriff auf den gut getakteten ÖPNV besitze ich kein Auto und lege meine Wege innerhalb der Stadt zu Fuß, mit dem Rad oder Bus & Bahn zurück. Meine Erfahrung daraus ist: Ich sehe dadurch mehr von der Stadt, was mir auf Autofahrten entgangen wäre. Fahrten mit dem Auto innerhalb der Stadt sind meiner Meinung nach viel stärker fokussiert auf Start- und Zielpunkt. Auf der Wegstrecke von A nach B muss man sich als Fahrer auf den Verkehr konzentrieren oder beschäftigt sich anderweitig durch Musikhören oder Gespräche mit Beifahrer*innen. Ein Parkplatz wird meist möglichst nah an der Anfangs- und Endposition gesucht, sodass längere Fußwege zwischen Fahrzeug und Destination meist entfallen. Die Fahrstrecke an sich ist oft ein nebensächliches, notwendiges »Übel«.



Beim Radfahren und insbesondere beim zu Fuß gehen habe ich eine ganz andere Wahrnehmung. Ich bewege mich mit gemächlicherem Tempo, habe mehr Gelegenheiten zum Betrachten der Umgebung und mehr Muße, die zurückgelegte Strecke selbst als Teil meines Weges zu erleben. Ich kann auch mal in Sackgassen, auf Schleichwege, schmale Gassen und Seitenstraßen ausweichen und komme an Orten vorbei, die mir mit dem Auto nicht zugänglich wären oder verborgen blieben. Das gefällt mir.



Auf einem kleinen Einkaufsstreifzug in der Mittagspause entdeckte ich so fußläufig die beiden »Typographischen Fundstücke« dieser Woche: die Sockelbeschriftung der Brücke am »Ring 2« über die Fuhlsbüttler Straße (die Graffiti wurden zugunsten des Fokus auf das Hauptmotiv entfärbt) und eine Gebäudebeschriftung oberhalb eines durchfahrbaren Portals in einem Wohnblock.



Auch dafür kann »Entschleunigung« im Alltag gut sein. 🙂 🔠 



16.02.2024

Das aktuelle Fundstück der Woche ist tatsächlich schon über 20 Jahre alt und zeigt eine wunderschöne reliefartige Ladenbeschriftung an einer Hausfassade in Eisenach. Fotografiert wurden die Motive Anfang November 2003 und es stellt sich die Frage, ob dieses Kleinod mit seinen zauberhaft ausgearbeiteten, sehr eigenständigen Buchstabenformen (ich schätze, etwa um 1925) heute überhaupt noch existiert. Vermutlich wurden die Schriftzüge seinerzeit eigens für den Laden entworfen und dreidimensional angefertigt (gemeißelt? gegossen?). Ich bin froh, dass ich dieses Kunstwerk damals fotografisch festgehalten und dadurch bewahrt habe.



Update: Das Haus in der Marienstraße 19 steht tatsächlich noch und auch die Inschrift ist noch da. Ich konnte das Architektenbüro ausfindig machen, welches das Gebäude saniert hat, und auch bei Flickr findet sich ein Foto von Ende Mai 2023, auf dem das Haus in neuem (mintgrünen) Glanz zu sehen ist:



➡️ https://plewka-architekten.de/projekt/wohn-und-geschaeftshaus-eisenach



➡️ https://www.flickr.com/photos/monsieuradrien/53027855725/in/album-72157719648312294/

26.01.2024

Das Fundstück der Woche ist diesmal »brandneu«, es wurde am vergangenen Sonntag in der Hamburgischen Staatsoper entdeckt. Ein wunderschön schlichtes Metall-Emblem, das sich im Treppenhaus in jeder Etage auf den Abdeckblenden der Verschläge zur Brandbekämpfung befindet. Da das Gebäude der Staatsoper erst 1955 erbaut wurde, bezieht sich das Datum auf der Metalleinfassung vermutlich auf den Handwerksbetrieb, der die Installation vornahm.

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