Wie regelmäßige Mitleser vielleicht schon bemerkt haben, sind viele meiner Fundstücke in der Kategorie »Reisefunde« einsortiert. Ich reise gerne und oft. Die Möglichkeit, die Option Homeoffice zu nutzen, gibt mir die Freiheit, auch außerhalb meiner verfügbaren Urlaubstage bisweilen unterwegs oder an Kurzreisezielen zu arbeiten – Hauptsache, der Arbeitsort bietet einen verlässlichen Internetzugang.
Was ich immer wieder feststelle, ist, wie groß der Einfluss der Jahres- und Tageszeit bzw. des Wetters sein kann, wenn ich Ausflüge zu einem bestimmten Ort unternehme. Natürlich ist es immer begrüßenswert, wenn es nicht regnet, solange ich draußen unterwegs bin. Aber z.B. den Prager Friedhof Vyšehrad an einem nebligen Tag im Spätherbst zu besuchen, ist um vieles stimmungsvoller als dies an einem sonnigen Sommertag zu tun. Manchmal wird die Atmosphäre an historischen Orten erst durch Licht, Wind, Wolken und Wetter richtig perfekt.
Genau so ein Erlebnis hatte ich Mitte Oktober, als ich von Freiburg aus einen Tagesausflug anlässlich eines klassischen Konzerts nach Donaueschingen machte. Das Wetter war wolkenverhangen, Herbstlaub wurde vom Wind durch die Parks getrieben, es regnete zwar nicht, aber der dräuende Himmel hielt anscheinend etliche Touristen in den Häusern, sodass die Straßen und Wege während meines längeren Spaziergangs, den ich vor dem abendlichen Musiktermin unternahm, deutlich leerer als erwartet waren.
Eine der Sehenswürdigkeiten auf meiner Erkundungstour war die Donauquelle in Donaueschingen. Sie liegt in Form eines kreisrunden, eingefassten Beckens am Rande des Schlossparks in einem vertieften Rondell, das über eine Treppe zugänglich ist. Normalerweise – das ist auch auf vielen Fotos im Internet zu sehen – drängeln sich an und um diesen Ort Trauben von Menschen. Doch am Tag meines Besuches waren es nur vereinzelte Grüppchen. Der graue Oktoberhimmel und die schon spürbare frühe Abenddämmerung verliehen dem Ort eine Atmosphäre wie in Thomas Manns »Zauberberg«. Auf der Oberfläche des Beckens trieb gelbes und braunes Laub, das kühle Tageslicht tönte das Bassin leuchtend türkis. Alles fügte sich zur perfekten Stimmung zusammen.
Gegenüber dem Treppeneingang, unter einer Skulpturengruppe genau auf der Westseite des 1875 von Fürst Karl Egon III. errichteten Rondells, ist eine steinerne Tafel mit einem gemeißelten Relief des Wortes »DONAUQUELLE« angebracht. Auf der Südseite befindet sich eine Tafel mit der Inschrift »Über dem Meere 678 Meter« und am nördlichsten Punkt eine weitere, auf der »Bis zum Meere 2840 Kilometer« zu lesen ist.
»Über der Donauquelle wacht die ›Mutter Baar‹ in einer 1896 durch Adolf Heer geschaffenen Skulpturengruppe. Sie weist ihrer Tochter, der Jungen Donau, den Weg in Richtung Osten.«
Quelle: Website der Stadt Donaueschingen
Und eine dieser Steintafeln ist es, die ich von meinem herbstlichen Ausflug heute als typographisches Fundstück mitbringe. Die kantigen, schmalen Lettern erinnern auf den ersten Blick an etliche bis heute populäre Schriftarten, wie etwa die »Compacta« (Fred Lambert, jedoch erst deutlich später [1963] erschienen bei ITC/Letraset) oder »Edel Grotesk«/»Wagner Grotesk« (Johannes Wagner, 1914 bei Wagner & Schmidt), eine Variante letzterer ist die »Aurora«. Bei näherem Hinsehen jedoch fallen einige Details ins Auge, die auf eigens gestaltete Buchstabenformen hindeuten – so etwa bei der hier abgebildeten Tafel die als z gespiegelte Form des s, das u ohne Endstrich unten rechts (abweichend zu m und r oben links) oder der etwas aus dem formalen Rahmen fallende, hakenförmige untere Abschluss des t. Vermutlich war der Bildhauer Franz Xaver Reich, der die dekorativen Ornamente rund um die Quelle schuf, auch verantwortlich für die Anfertigung der Inschriften.


Ich mag auch das – gewiss zur damaligen Zeit übliche – e am Ende des »Meere«. Ich finde, das Wort klingt dadurch irgendwie sehnsuchtsvoller, grenzenloser und abenteuerlicher, als wenn es, wie heute, schon mit dem r endete. Und es weckt in mir gleich schon wieder Lust auf die nächste Reise.
🤓 🔠 ⛲️ 🧳


Schreib einen Kommentar