Aus der beliebten Serie »Hat da eigentlich vor Veröffentlichung nochmal jemand draufgeschaut?« sehen Sie heute die Folge »Trennungsschmerz ganz ohne Liebeskummer«. 🤨
Alle Abbildungen sind Screenshots von Online-Werbebannern.
Das heutige typographische Fundstück der Woche entstammt mal wieder einem Film. In der Titelsequenz der schwarzen Krimikomödie »Die Schlemmerorgie« (»Who Is Killing the Great Chefs of Europe?«) aus dem Jahr 1978 werden die Zuschauer*innen von Anfang an optisch auf das Umfeld eingestimmt, in dem die Handlung spielt – die Welt der Gourmettempel und Sternerestaurants, der Spitzenköche und der Gastronomiekritiker. Auffallend in dem Vorspann (siehe Screenshot) ist auch die Wahl der luxuriös wirkenden, eigenwillig ornamentierten Schrift, welche die Epoche des Jugendstils assoziiert. Sie lässt an Pferdekutschen denken, an Grand Hotels und den legendären Orient-Express – und tatsächlich ist sie nicht erst nachträglich entstanden, um den Stil dieser Zeit zu zitieren, sondern sie ist, wie ich herausfinden konnte, ein authentisches Relikt.
Der ursprüngliche Name der Schrift, gestaltet vom Schriftgestalter John F. Cumming für die Dickinson Type Foundry, lautete wohl »Typothetae«¹, zunächst enthielt sie ausschließlich Großbuchstaben, aber wenig später wurde sie unter dem Namen »Skjald«² um Kleinbuchstaben erweitert. Die Angaben zum Entstehungsjahr schwanken in verschiedenen Quellen zwischen 1884 und 1891. Es existieren wunderbare Scans historischer Kataloge mit Schriften jener Zeit im Netz, einige davon erstaunlich modern; die zwei beeindruckendste Werke darunter, als PDFs einsehbar, habe ich nachfolgend verlinkt.
»Aroma« – welch sinnliches Wort! Es klingt nach Gewürzen, nach kostbaren Ölen, nach Kräutern und anderen marktfrischen Zutaten. Ich denke an das Bukett eines feinen Weines oder den spritzigen Geschmack eines kühlen Bieres. Mein Gaumen erahnt die milde Säure einer Vinaigrette, die grüne Frische von Salat, die Röstnoten eines angebratenen Steaks. Meine Nase inhaliert den Duft hausgebackenen Brotes, den würzigen Hauch von Knoblauch- und Kräuterbutter, die rustikalen Schwaden, die aus einem Pizza-Steinofen dringen. Der Dampf frisch servierter Pastagerichte durchweht meine Fantasie, ein Reigen aus Basilikum, Tomaten, erdigen Trüffeln, Meeresfrüchten, Parmesan und Pancetta. Ich rieche Cocktailkompositionen, kreiert aus Wodka, Tequila, Gin, Rum, frischen Fruchtsäften, Blue Curaçao, Kahlua oder anderen Likören.
Was ich bei dem Wort »Aroma« nicht sehe, spüre, schmecke, rieche, ist die Schriftart Eurostile Bold Extended, auf 84% Breite gestaucht.
Die Wahl der Schriftart für das eigene Logo ist leider immer noch viel zu oft ein Stiefkind bei Gründern und Unternehmern. Stattdessen dominieren leidenschaftslos ausgewählte Standardfonts aus dem Katalog des Werbetechnikers, der die Ladenbeschriftung anfertigt und installiert oder – noch schlimmer – zu Tode genutzte Schriftarten aus dem Windows-Systemschriften-Repertoire. Eine treffsichere Positionierung, eine prägnante Profilierung gegenüber dem Wettbewerb, das Entfachen von Assoziationen, Neugier, Interesse, Sympathie bei Kunden und Zielgruppen – Fehlanzeige. All das jedoch könnte eine einfühlsam ausgewählte Schrift (mit) leisten.
So übrigens kennzeichnet die dänische Bahngesellschaft DSB (hier ein Facebook-Post des Unternehmens dazu) in ihren Zügen die Ruheabteile. Sehr erheiternd, fand ich, und trotzdem verständlich.
Kleines typographisches Fundstück zwischendurch, vor fünf Minuten fotografiert an der Hamburger S-Bahnstation Königstraße. Bei der Parole (?) VERSAL SALZEN musste ich spontan daran denken, dass heute der zweite jährliche »International Caps Lock Day« ist … 😉
Mit diesem typographischen Fundstück endet heute meine Serie mit Foto-Postings aus Kopenhagen. Das Motiv ist insofern ungewöhnlich, da die meisten dreidimensionalen Schriftzüge oder Buchstaben, die man im öffentlichen Raum gemeinhin antrifft, eher aus Kunststoff und/oder Metall angefertigt sind und entweder an Mauern bzw. den Fassaden von Gebäuden oder auf deren Dächern angebracht sind. Dieses Gebilde jedoch besteht aus Beton und steht quasi als »Logo-Skulptur« direkt auf dem gepflasterten Platz vor dem Bürogebäude der Firma KAB, Dänemarks größtem Verwalter gemeinnütziger Wohnungen. Ich konnte leider nur das B der dreidimensional umgesetzten KAB-Wortmarke fotografieren, denn vor dem interessanteren K mit seinem waagerechten Steg zwischen Stamm und Schenkeln sowie dem A standen zahlreiche Fahrräder … 😉
Ich hoffe, die Serie hat meinen Lesern und Followern gefallen und ich bin selbst schon gespannt, was ich von künftigen Reisen in nächster Zeit an neuen Motiven mitbringen werde … 🤓 🔠
Mein Bildervorrat von der Reise nach Kopenhagen geht allmählich zuende und so ist dies heute das vorletzte Fundstück, das ich in (werk)täglichem Rhythmus posten werde, ehe ich bis auf Weiteres wieder zu meinem wöchentlichen Freitagstakt zurückkehre.
Das heutige »Exponat« entdeckte ich im Vorbeigehen an einer eher unscheinbaren Kellerluke im Stadtteil Christianshavn. Der Text enthält einen weiteren typisch dänisch-n orwegischen Buchstaben (eigentlich eine sog. Ligatur, d.h. eine Verschmelzung zweier Zeichen): das Æ oder æ. Gesprochen wird es ähnlich wie das deutsche Ä.
Der Text auf dem Schild, »Undlad ophangning – Fredningsmyndigheden« – kann übersetzt werden mit »Nicht aushängen – Die Denkmalschutzbehörde«. Genau wie im Deutschen gibt es auch im Dänischen etliche lange und kompliziert anmutende Komposita wie »Fredningsmyndigheden« oder »Arbejdsmiljøovervågningssystemer« (Arbeitsmedizinische Überwachungssysteme), aber im Gegensatz dazu auch sehr minimalistische Substantive, die nur aus einem einzelnen Buchstaben bestehen, wie etwa »Ø« (Insel).
Die Schrift auf dem Schild fiel mir auf, weil sie mich an eins meiner Postings von vor einigen Wochen erinnerte, in dem es um sog. schmalfette Groteskschriften wie z.B. »Haettenschweiler« ging. Dazu würde ich auch dieses Schriftbeispiel mit seinen rechteckigen Proportionen und den verkürzten Ober- und Unterlängen zählen. Es ist nicht einfach, abzuschätzen, in welchem Jahrzehnt dieses Schild ursprünglich entstanden ist, da eine einfühlsame Denkmalschutzbehörde vielleicht auch eine Beschilderung neueren Datums bewusst an die Ästhetik des Gebäudes hätte anpassen können.
Ein bisschen beneide ich die Dänen (und Norweger) ja um ihr durchgestrichenes Ø. Ein schøner Buchstabe, der gesprochen wie ein Vokal zwischen Ä und Ö klingt (auf der englischen Wikipedia-Seite* kann man sich den Klangunterschied zwischen Ö und Ø anhören). Deshalb halte ich auf meinen Reisen nach Dänemark auch immer Ausschau nach kreativen Umsetzungen für dessen Form in medial reproduzierten Texten oder bei Unikat-Beschriftungen. Ein Beispiel, das mir besonders gut gefiel, war diese ebenso schlichte wie elegante Løsung an einem Salon in Kopenhagen. (Um von dem Schriftzug nicht allzu sehr abzulenken, habe ich einige Risse und Putz-Abplatzer an der Fassade dahinter »repariert«.)
Übrigens: Computernutzer benutzen das Ø gerne als mathematisches Symbol z.B. für »Durchmesser«, das ist aber eigentlich nur ein Notbehelf. Denn im Zeichensatz der mathematischen Sonderzeichen gibt es dafür ein eigens angelegtes Symbol: ⌀. Aber bitte fragt mich als Mac-User nicht, wie man auf einer Windows-Tastatur da, ohne nachzuschlagen, rankommen kann … 😉
Als häufiger Bahn- und ÖPNV-Nutzer geht es mir oft so, dass ich an den vermeintlichen Abfahrpunkten meines aktuellen Verkehrsmittels länger (oder sogar vergeblich) nach deren Kennzeichnung suchen muss. An Fernbahn- oder Regionalbahnhöfen funktioniert das am Bahnsteig selbst meist recht gut, wenngleich die Wege dahin häufig suboptimal ausgeschildert sind. Für Irritation sorgen bei mir gerne regelmäßig seltsame Systematiken oder »Ausreißer« bei den Gleisbezeichnungen wie z.B. in Uelzen (es gibt zwar Gleis 101, 102, 103 und 301, 302, 303, 304, aber keine Gleise 201 ff …?) oder in Koblenz (Zusätzlich zu Gleis 1 bis 9 gibt es dort zwischen den Gleisen 4 und 5 das Gleis 105 und zwischen Gleis 8 und 9 das Gleis 109). Wenn dann noch die Beschilderung versagt, verpassen Fahrgäste schon mal ihren Anschluss …
An ÖPNV-Bahnsteigen jedoch erlebe ich Gleisnummerierungen häufig als »Stiefkind«. Oft schon stand ich suchend an S-Bahn-Steigen, auf dem Smartphone wurde mir angezeigt, meine Bahn führe z.B. auf »Gleis 2«, aber am Bahnsteig selbst war kein prominent platziertes, plakatives Schild mit einer Gleisnummer zu finden. Doch dann – am Ende des Steiges, verdeckt von Taubenbarrieren und Lüftungsrohren, hoch oben unter der Dachkonstruktion, hing dann vielleicht doch mal eines.
Das heutige typographische Fundstück – natürlich wieder aus Kopenhagen – zeigt, wie es anders geht. An den Bahnsteigen (hier die Station »København Syd«) halten die unbemannten Züge stets in derselben präzisen Position, sodass die Eingangsbereiche am Bahnsteig bereits vor Einfahrt der Züge klar erkennbar sind. Und an jedem Einstiegspunkt ist die Nummer des Gleises mit einer massiven Metallziffer in der Schriftart »Via« der dänischen Bahngesellschaft DSB in die steinernen Bodenplatten des Bahnsteigs eingelassen. Das sieht nicht nur schick aus, sondern ist für Fahrgäste auch sofort ohne Suchen auffindbar.
☕️ Die Dänen trinken gerne Kaffee, im Pro-Kopf-Ranking des jährlichen Kaffeekonsums belegen sie zusammen mit Luxemburg sowie ihren skandinavischen Nachbarn Finnland, Norwegen und Schweden in Europa zuverlässig einen der vorderen Plätze. Entsprechend gibt es auch in Kopenhagen zahllose Cafés und Coffeeshops.
An der Fassade eines dieser Kaffeehäuser blieb mein Blick an dessen Ladenschild hängen – das heutige typographische Fundstück aus meinem Kopenhagen-Fundus. Hier ist nicht nur der Kaffee »hjemmelavet« (hausgemacht), sondern auch die Lettern der Außenbeschriftung wurden in aufwendiger Handarbeit aus kleinen Holzleisten zusammengezimmert. Eigenwillig, originell, hinreichend lesbar und bezüglich des Angebots exakt auf den Punkt gebracht. ☕ 🤓 🔠