Nochmal Freiburg. Das typographische Fundstück dieses Freitags, erneut aus der dortigen Innenstadt, lenkte meinen Blick abends im Dunkeln auf sich, da es erstens hell erleuchtet war und zweitens noch ein intakter, echter Neon-Schriftzug ist. Cyanblauer Leuchtkasten, weiße Schrift, klare und schlichte Versalien – die Optik gefiel mir sofort.

Schön fand ich auch, dass man hier in voller Beleuchtung sehr schön sehen kann, welche Kunstgriffe beim Formen und Biegen der gläsernen Leuchtröhren angewendet werden mussten, damit die Buchstaben einerseits lesbar und ästhetisch blieben und andererseits jeweils pro Letter »wie in einem Zug gezeichnet« angefertigt werden konnten. Dies geschieht ja sogar in mehreren Ebenen. Die Neonröhre jedes Zeichens tritt zunächst senkrecht aus dem Leuchtkasten nach vorne heraus und vollzieht dann einen 90-Grad-Knick zur eigentlichen Form des Buchstabens. Bei A, B, E, F, H und T erfordert die Form des Zeichens zusätzlich noch weitere Kniffe, um die Querstriche ohne Unterbrechung realisieren zu können. Das erscheint mir um so herausfordernder, je kleiner die Schriftgröße der Lichtreklame ist.

Am Folgetag ging ich erneut den kurzen Weg zurück zur Fundstelle, um das Schild erneut, aber im Hellen und ohne Beleuchtung zu fotografieren. Nun liegen die kurzen »Zubringer-Abschnitte« der Buchstaben, die nach hinten in den Kasten laufen, im Schatten und die von vorn vom Tageslicht beschienenen Buchstaben stehen optisch klar im Vordergrund.

Welche Schrift mag nun für diese Leuchtwerbung als Vorlage gedient haben? Das innen offene R und das vergleichsweise breite C ließen mich sofort an die »Avant Garde« denken, ein Klassiker der 1970er Jahre, entworfen zwischen 1970 und 1977 von dem berühmten Schriftgestalter Herb Lubalin für den Schriftenhersteller ITC. Aufgrund der vergleichsweise schmalen Buchstaben versuchte ich zunächst, die Schrift in dem ähnlich proportionierten »Condensed«-Schnitt mit dem Schriftzug in Deckung zu bringen, aber bei C und S funktionierte dies nicht. Erst als ich die normal breite Variante nahm und sie auf 79% Breite skalierte (aua aua, macht man nicht, ich weiß), klappte es plötzlich ganz wunderbar.

Es konnte also gut sein, dass die Blütezeit des Erfolges dieser Schrift bis in die späten 1980er Jahre hinein auch in etwa mit der Anbringung des Leuchtkastens zusammenfiel. Das älteste online auffindbare Foto, auf dem die Leuchtkästen zu sehen sind, stammt (geschätzt anhand des darin beworbenen Filmprogramms) aus dem Jahr 2004. Ich recherchierte weiter.

Direkt neben dem Eingang zum Kino befindet sich ein weiterer Leuchtkasten in derselben Ausführung mit dem Neonschriftzug »CAFÉHAUS«. Vielleicht ließ sich ja darüber das Alter der Schriftzüge ergründen. Und siehe da:

»Der Freiburger Friedrichsbau liegt an der Kaiser-Joseph-Straße. Erbaut wurde er in zwei Abschnitten 1906 und 1910. Es waren schon von Beginn an ein Kaffeehaus, Säle, Läden und Wohnungen darin untergebracht. (…) 1987 wurden im Zuge einer umfangreichen Sanierung nach wechselvoller Geschichte die ursprüngliche Funktion und das frühere Aussehen soweit möglich wiederhergestellt. Dabei fanden neben einem Kino auch wieder ein zweigeschossiger Saal, ein Tagungszentrum und ein Kaffeehaus ihren Raum, womit aufs Neue Kaffeekultur in den Neorenaissance-Bau einzog.«

QUELLE: coffenewstomblog.com

Damit war (sehr wahrscheinlich) auch dieses Rätsel gelöst, denn es liegt nahe, dass im Zuge der Wiedereröffnung des Cafés auch die Beschilderung dafür angebracht worden war. Das Kino selbst hingegen ist noch wesentlich älter.

»Die Friedrichsbau-Lichtspiele wurden am Ostersonntag, dem 16. April 1911 eröffnet und sind mit über 112 Jahren eines der fünf ältesten Kinos Deutschlands noch aus der Gründerzeit.«

Quelle: friedrichsbau-kino.de

Dabei stand die Existenz des Lichtspielhauses vor gerade einmal zwei Jahren kurz vor ihrem Ende. Erst eine Crowdfunding-Kampagne und weitere finanzielle Zuschüsse von Bund und Ländern ermöglichten einen Umbau und den Fortbetrieb.

Im Zeitalter von Heimkinoanlagen, fast leinwandgroßen Flatscreen-Fernsehern, DVDs/Blu-Rays und Streamingplattformen haben Kinos es zunehmend schwer. Wann wart Ihr zuletzt im Kino? Ich musste nachdenken – obwohl ich gern und oft Filme schaue, ist es bei mir auch schon wieder fast ein Jahr her, dass ich in einem Kinosessel saß. 🤓 🔠 📽️ 🍿😔