Das typographische Fundstück der Woche führte mich diesmal leider zu der Erkenntnis, wie weit fortgeschritten die Kontamination valider und korrekt formulierter Informationen durch die sogenannte »K.I.« aktuell bereits ist.
Ich selbst erkannte zwar gleich, dass die Schriftart auf dieser etwas nostalgisch anmutenden Plastiktüte des Fischhändlers meines Vertrauens hier in meinem Wohnviertel die »Windsor« ist, aber als ich einige ergänzende Informationen zu ihrem Ursprung recherchieren wollte, zuckte ich angesichts einer der Textquellen doch gequält zusammen.
Veröffentlicht wurde der Text auf der Website des Schriftportals www.myfonts.com, das zum führenden Schriftunternehmen Monotype gehört. In einer Melange aus schlecht automatisierter deutscher Übersetzung, mangelhaft (algorithmisch?) kuratierten Informationen und dem mir schon geläufigen, leicht umnachteten, breiig-beliebigen Formulierungsstil K.I.-generierter Texte heißt es dort:
»Windsor ist ein ungewöhnliches Design, das 1905 von Stephenson Blake entworfen wurde. Windsor ist eine kühne Schrift mit schweren, abgerundeten Serifen und starker diagonaler Betonung. Die Großbuchstaben M und W sind weit gespreizt, P und R haben sehr große obere Schalen. Die Kleinbuchstaben a h m und n der Windsor Font haben abgewinkelte rechte Stiele, e hat einen abgewinkelten Querstrich. Der Gesamteindruck ist freundlich und warmherzig. Verwenden Sie die Windsor Font in der Werbung, auf Plakaten und für allgemeine Displayarbeiten.«
MyFonts
Das ist zum einen falsch bzw. unvollständig, denn lt. Wikipedia und anderen Quellen heißt der Designer Elisha [Eleisha] Pechey – Stephenson Blake ist lediglich die Schriftgießerei, welche die Windsor 1905 (andere Quellen sagen 1903) nach dem Tode Pecheys auf den Markt brachte. Und auch der Rest des Textes (»allgemeine Displayarbeiten«) und der Übersetzung (»Stiele«) macht mich schaudern. Hier kann man sie besichtigen, die Zukunft maschinengenerierten, unverifizierten Contents, präsentiert von einem weltweiten Marktführer. Vielleicht ein Grund mehr, für den Schutz und die Finanzierung der Wikipedia angesichts allzu unkritischer K.I.-Propheten und Tech-Oligarchen einzutreten, z.B. mit einer Spende.
Und jetzt hör’ ich auch schon auf mit Krückstockfuchteln, denn eigentlich will ich ja in dieser Rubrik schöne und amüsante Dinge präsentieren. Der Fisch war übrigens vortrefflich – es war feines Seelachsfilet.
Ein sehr gut recherchierter, gut geschriebener und ausführlicher Beitrag zur Windsor mit vielen alten und neueren Designbeispielen findet sich hier:
➡️ https://fontreviewjournal.com/windsor/
Die Schriftart Windsor bei Wikipedia:
➡️ https://en.wikipedia.org/wiki/Windsor_(typeface)

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