verknallt in Schrift und Buchstaben

08.12.2023

Das heutige Fundstück stammt diesmal aus Berlin, wo ich mich häufig aufhalte und bei der An- und Abreise jedes Mal am Treptower Park am Portal des »Sowjetischen Ehrenmals« vorbeikomme. Die deutsche Version der dortigen Inschrift weist – mal völlig abgesehen von den politischen und zeitgeschichtlichen Aspekten des Bauwerks, seiner Errichtung sowie dem Wortlaut und Inhalt der Inschrift – zwei typographische Details auf, die mir jedes Mal auffallen.

Eigentlich gehören in Stein gemeißelte Inschriften mit zu den langlebigsten Arten, die es gibt, um schriftliche Botschaften zu hinterlassen und somit auch, einem Text typographisch Form zu geben. Da ist es im Allgemeinen üblich, dass sich die Urheber und ausführenden Steinmetze besondere Mühe geben, die Schrifttype sorgfältig auswählen, vielleicht sogar eigens eine Schriftart entwerfen, die Zeilen und Buchstaben ästhetisch anordnen, auf Abstände achten und den Zeilenumbruch behutsam takten. Denn das, was dort eingraviert wird, wird meist noch nach Jahrzehnten von nachfolgenden Generationen zu lesen sein.



Hier jedoch wurden die Lettern des Wortes UNABHÄNGIGKEIT, um noch in die Zeile passen zu können, fast brachial zusammengeschoben und in der folgenden Zeile sogar – was bei gemeißelten Texten meines Wissens eigentlich als Fauxpas gilt – das Wort HEI-MAT in der Mitte getrennt und in eine neue Zeile umbrochen.



Ich frage mich, was wohl der Grund dafür war. Hast oder Zeitdruck bei der Anfertigung? Unkenntnis, Unwille, Gleichgültigkeit oder Unvermögen? Eine Order »von oben«, der nicht zu widersprechen war?

Vielleicht kann ja einer der Leser hier noch Details zu diesem vermeintlichen handwerklichen Makel beitragen oder womöglich gibt es ja auch anderswo noch steinerne Inschriften, in denen ohne Bedenken Worte getrennt oder ähnlich grenzwertig spationiert wurden.

3 Kommentare

  1. Kriminalistin

    Hallo lieber Thomas,
    das ist interessant. Oben linksbündig, dann Blocksatz und in der letzten Zeile rechtsbündig.
    Oben dasselbe Phänomen: DEN HELDEN noch okay, während es spätestens nach dem Komma richtig schmerzt.
    Ich glaube, das hat jemand gesetzt, der wenig Ahnung hatte, und der arme Steinmetz musste das so umsetzen in braver Pflichterfüllung. Weiß es natürlich nicht. Jedenfalls dürften die Feinheiten dem normalen Publikum nicht auffallen.
    Ich hätte alles kleiner gesetzt und im Flattersatz.

  2. Käthe Knobloch

    Guten Abend,

    ich augenstolperte aus Interesse hier herein und fand mich in dem berüchtigten Kaninchenloch wieder. Danke dafür und auch für diese Erinnerung an eine lang zurückliegende Verblüffung. Hei-mat. Der Schriftsatz, bzw. die Übersetzung wurde wohl schlicht an das russische Original angepasst. Hier sehr schön zu sehen:

    https://www.gedenktafeln-in-berlin.de/tafeln_content/tafeln/Gedenktafel_Puschkinallee__Alt-Tre__Sowjetisches_Ehrenmal-3.JPG

    Beste Grüße aus der Mainspitze, Käthe Knobloch

    • Thomas

      Stimmt, man hat nicht nur den Inhalt, sondern auch den Umbruch »kopiert«. Streng nach Vorschrift! (Und danke für das Danke!)

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert